Start-up Mygreentop: „Es fehlen Fürsprecher“

Dirk Kieslich„mygreentop“

In unserer Interview-Reihe sprechen wir mit kleinen und mittleren Unternehmen über das Thema nachhaltige Innovationen – und darüber, welche staatlichen Rahmenbedingungen aus ihrer Perspektive gegeben sein müssen, damit die anstehende Nachhaltigkeitstransformation erfolgreich bewältigt werden kann. Heute geht es um das Start-up Mygreentop, das Dächer begrünt.

In Deutschland gibt es 27 Millionen schräge Dächer. Die Südseite ist meist prädestiniert für PV oder Solarthermie – aber was ist mit der Nordseite? Diese Flächen bleiben bislang nahezu ungenutzt. Dabei könnte man sie mit der richtigen Technik begrünen – und so Emissionen verringern und weitere Vorteile für Umwelt und Mensch schaffen.

Das dachte sich zumindest Dirk Kieslich. Er ist Mitgründer von Mygreentop aus dem Sauerland. Das Unternehmen wurde 2022 von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ausgezeichnet.

Herr Kieslich, können Sie uns Ihr Produkt kurz beschreiben?

Wir haben begrünte Dachpfannen entwickelt. Sie ist an eine herkömmliche Dachpfanne angelehnt, aber mit einem Trägersystem versehen, das Vegetation aufnehmen kann. Man kann sich das, vereinfacht gesagt, wie eine konventionelle Dachpfanne mit integrierten Blumenkasten vorstellen.

Aufgrund der Kompatibilität mit der herkömmlichen Pfannen kann ein Dachdecker diese einfach und schnell gegen eine von uns begrünte Dachpfanne austauschen. So können Schrägdächer schneller, einfacher und günstiger begrünt werden, als das bisher der Fall war.

© mygreentop

Sollten Hausbesitzer also ihre Dächer begrünen lassen, statt PV-Anlagen zu nutzen?

Nein. Natürlich denkt man bei schrägen Dächern zunächst, dass diese prädestiniert für Solarthermie oder Photovoltaik sind. Das ist auch richtig – sofern wir über die Südseite des Daches reden. Für die nördlich ausgerichtete Seite ist eine PV-Anlage allerdings nicht effektiv.

Wo liegen die Vorteile im Vergleich zu einem „herkömmlichen“ Dach?

Die Beton- und Tondachpfannen, die bislang auf Dächern liegen, sind eigentlich das Schlechteste, was man dort platzieren kann.

Dirk Kieslich

Sie sind aufgrund ihres ökologischen Fußabdrucks eine Katastrophe. Und sie sind aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften nicht geeignet. Beton zum Beispiel hat eine hohe Wärmespeicher-Kapazität und Wärmeleitfähigkeit, aber keine Dämmwirkung. Daher sind Dachgeschoss-Räume im Sommer so aufgeheizt.

Das wissen allerdings die wenigsten, da die Dachpfannen-Industrie eine hervorragende Lobby-Arbeit leistet. Zumal man die Produkte seit Jahrzehnten, teils seit Jahrhunderten, auf Dächer legt. Herkömmliche Dachpfannen sind ein Produkt, das es „immer schon“ gab – und um das sich daher kaum jemand Gedanken macht. Dabei sind sie eigentlich überholt.

Aus welchem Material ist denn Ihr Produkt?

Ich habe 35 Jahre in der Kunststoffindustrie gearbeitet und die Grundlagen und Verarbeitung des Materials erlernt und studiert. Es lag also nah, einen Kunststoff einzusetzen.

Leider werden Kunststoffe meist als ein Material angesehen: Grundsätzlich toxisch, setzt Weichmacher und Mikroplastik frei und schwimmt am Ende im Meer. Dabei gibt es ein regelrechtes Universum. Das Material kann, klug für den jeweiligen Einsatzbereich ausgewählt, teils mehr als Naturprodukte.

Der Kunststoff namens ASA, den wir verwenden, hat für unseren Zweck bessere Eigenschaften als natürliche Materialien. Er dämmt besser und speichert keine Wärme, er ist über Dekaden UV- und witterungsstabil und voll recycelbar. Unsere Dachpfannen, ob begrünt oder unbegrünt, sind um den Faktor 5 leichter und farbecht. Im Gegensatz zu Beton sind sie nicht mikroporös – auf ihrer glatten Oberfläche sammeln sich somit kein Dreck oder Moose.

Welche konkreten Vorteile liegen in dieser Art der Dachbegrünung?

Es gab schon vor unserer Entwicklung Schrägdach-Begrünungssysteme – allerdings waren diese sehr aufwändig zu implementieren. Sie waren sehr schwer, was zu Lasten der Statik geht. Und sie waren sehr hochpreisig: Es war also nie eine Technik für die breite Masse, sondern für Enthusiasten mit dem nötigen Kleingeld.

Unser System ist vergleichsweise leicht, kann von jedem Dachdecker verlegt werden und ist rund 50 Prozent günstiger als andere Begrünungssysteme. Im Vergleich zu einer herkömmlichen Dachdeckung sind wir zwar etwa 3 Mal so teuer – allerdings lassen sich langfristig Einsparungen erzielen, zum Beispiel beim Heizen.

Denn die Pflanzen dämmen das Haus im Winter und kühlen es im Sommer.

Dirk Kieslich

Eine herkömmliche Dachpfanne heizt sich im Sommer auf rund 80 Grad auf, während ein begrüntes Dach nicht heißer als 35 Grad wird. Kunden von uns haben in ihren Dachgeschoss-Räumen Temperaturunterschiede von 10 Grad gemessen.

Es ist auch keine Pflege nötig. Wir empfehlen allerdings, dass die Vegetation alle zwei Jahre kontrolliert wird, um zu prüfen, dass sich keine anderen Pflanzen dort eingesät haben. Auch, wenn wir nach zwei Jahren Testphase kaum Fremdbewuchs feststellen konnten, da unsere Vegetation sehr dicht ist.

Welche Vorteile hat ein begrüntes Dach für die Umwelt?

Es gibt einen Blumenstrauß an Vorteilen.

  • Schadstoffe werden gefiltert.
  • Die Biodiversität wird erhöht. Denn auf tote, schwarze Flächen kommt eine Wiese mit Blüten.
  • Die Bepflanzung kühlt Städte herunter. Das Mikroklima wird also verbessert.
  • Ein begrüntes Dach speichert Regenwasser. So können Starkregen-Ereignisse abgemildert werden.
  • Schall wird gedämmt.
  • Für unsere Dachpfannen wird in der Produktion nur ein Fünftel des Energiebedarfs benötigt, den man für Beton- oder Tondachpfannen braucht.
  • Zudem baut unser Produkt nach etwas mehr als 3 Jahren seinen ökologischen Fußabdruck ab. Es ist danach nicht nur klimaneutral, sondern sogar klimanegativ. Denn die Pflanzen bauen das CO2 aus der Umgebung und anderen Prozessen ab.

Wie wird Ihr Produkt bislang angenommen?

Im vergangenen Jahr konnten wir für 30 Kunden 1.000 Quadratmeter Dachfläche begrünen. Für dieses Jahr streben wir eine Verfünffachung der begrünten Fläche an. Mittlerweile ist aus dem Start-up auch ein kleines Unternehmen geworden: Wir haben fünf Mann in der Produktion.

Welche Hindernisse gab es für Ihre Planungen, z.B. durch staatliche Rahmenbedingungen?

Es fehlen vor allem Unterstützer und Fürsprecher. Menschen, die für Ideen und überhaupt für Start-ups offen sind. Am Anfang, als die Idee entstanden war, habe ich viele Politiker angeschrieben. Übrigens auch Umweltverbände. Und versucht, sie für die Idee zu begeistern.

Aber da findet man kein Gehör. Alle schreien, dass wir etwas fürs Klima tun müssen. Aber dann erwarte ich auch mehr politische und wirtschaftliche Unterstützung, wenn man in Aktion tritt.

Stattdessen bekommt man mit Bürokratie und höchst aufwendigen Förderanträgen Steine in den Weg gelegt. Oder Förderungen gehen an größere, etablierte Unternehmen.

Dirk Kieslich

Was könnte die Politik tun, um Nachhaltigkeit besonders in KMU zu unterstützen?

Ich würde mir eine breite kommunale Förderung wünschen, damit Produkte wie unsere für die Bevölkerung noch attraktiver werden. Aber natürlich muss Förderung im Rahmen bleiben. Eine Subvention sollte so hoch sein wie die Vorteile, die eine Maßnahme generiert.

Ich würde mir auch mehr Aufklärung für junge Unternehmen wünschen. Dass man mehr an die Hand genommen wird. Ein Mentoring-Programm wäre sinnvoll, beispielsweise durch etablierte Unternehmen und Fachleute. Das wäre ein Instrument, das ich mir gut vorstellen könnte.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Mehr staatliche Unterstützung für CO2-Beseitigung von Dr. Max Franks, Dr. Kai Lessmann, PIK und Prof. Dr. Matthias Kalkuhl, Uni Potsdam

Transformation von KMU: Steuerliche Instrumente verbessern von Armando Garcia-Schmidt und Dr. Marcus Wortmann, Bertelsmann Stiftung

Städtische Lebensmittelproduktion: Mehr als ein wenig Gärtnern mit Dr. Grit Bürgow, TU Berlin



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