Potenziale und Hürden für biobasierte Innovationen

Dr. Stefan RauschenProjektträger Jülich
Simon SchöbingerProjektträger Jülich

Allerorts werden gerade Start-ups gegründet, die mit innovativen Ideen die Wirtschaft revolutionieren wollen. Die Wirtschaft soll kreislauffähig und klimaneutral werden. Reststoffströme sollen genutzt, Abfälle vermieden werden – zero waste lautet das Gebot der Stunde.

Die Bioökonomie stellt hierfür insbesondere folgende vielversprechende Ansätze bereit:

  • nachhaltige und leistungsfähige Agrarsysteme, die mit modernen Technologien weltweit die Ernährung sicherstellen
  • innovative Materialien, die bisherige Produktionsverfahren effizienter und kostengünstiger machen
  • biotechnologisches Recycling von CO2

Gemäß der Definition der Nationalen Bioökonomiestrategie der Bundesregierung umfasst die Bioökonomie die Erzeugung, Erschließung und Nutzung biologischer Ressourcen, Prozesse und Systeme, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren für ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem bereitzustellen.

Um das Potenzial solcher Verfahren voll auszuschöpfen, muss ein Großteil der Technologien erst noch entwickelt und die dafür notwendige, nachhaltige Energieversorgung sichergestellt werden. Biobasierte Innovationen müssen fossile Lösungen ersetzen oder, wenn nicht anders möglich, zumindest insoweit ergänzen, dass wir als Menschheit die Folgen des Klimawandels und der Übernutzung der natürlichen Ressourcen in den Griff bekommen.

Wer gestaltet den Wandel?

Ob Autoteile aus biobasiertem Kunststoff, Teppiche aus Maisstärke oder Waschmittel mit Enzymen: Die Bioökonomie ist bereits ein ganzes Stück weit in unserem Alltag angekommen. Doch die bisher verfügbaren Produkte und industriellen Herstellungsverfahren reichen bei weitem noch nicht aus, um den Wandel zu einer biobasierten Wirtschaft zu vollziehen.

Neben unseren Konsumentscheidungen sind es die in Prozessinfrastrukturen und Verfahrenstechniken teils festgefahrenen Großindustrien, die den schnellen Wandel nicht ohne weiteres leisten können. Die Erforschung und Entwicklung neuer biobasierter Verfahren sowie das Hochskalieren vom Labor- auf den industriellen Maßstab sind zeit- und kostenaufwändig.

Kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) kommt oftmals eine bedeutende Rolle als Treiber von Innovationen zu.

Gelungene Neuausrichtungen solcher Firmen, etwa durch die Patentierung neuer biotechnologischer Verfahren, spiegelten sich in der Vergangenheit direkt in wachsenden Umsätzen und der Schaffung von Arbeitsplätzen wider. Einige Firmen sind zu Marktführern in ihrem Spezialgebiet aufgestiegen, haben erfolgreich an der Börse Kapital eingeworben oder das Interesse großer Pharma- und Biotechfirmen für eine Übernahme geweckt.

Aber auch KMU in der Bioökonomie haben es schwer, neue biobasierte Verfahren und Produkte auf den Markt zu bringen. Abhängigkeiten von Lieferketten, Rohstoffen und fossiler Energie lassen insgesamt erkennen, dass eine zukunftsfähige, nachhaltige Wirtschaft breit aufgestellt sein muss.

Es gilt, viele Lösungen bereitzuhalten, um den strukturellen Herausforderungen, die sich durch die vier Zukunftstrends Dekarbonisierung, Digitalisierung, De-Globalisierung und Demografie beschreiben lassen, gewachsen zu sein.

Um einen Wandel der Wirtschaft hin zu einer Bioökonomie zu vollziehen, benötigt es neben geeigneten politischen Rahmenbedingungen und gezielter Forschungsförderung vor allem innovative Ideen aus Wissenschaft und Industrie.

Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie

Doch vor welchen konkreten Hürden stehen die Ideengebenden? Wie gelingt erfolgreicher Transfer und wie finden innovative, biobasierte Produkte, Verfahren und Dienstleistungen ihren Weg in den Markt?

Um eine innovative Idee in die Anwendung zu bringen, muss eine Brücke zwischen den Ideengebenden und der Wirtschaft geschlagen werden.

Dr. Stefan Rauschen und Simon Schöbinger

Häufig kommen Ideen dabei aus der Forschung, oft genug aber auch aus der Gesellschaft selbst. In beiden Fällen sind die ersten Fragen, die beantwortet werden müssen:

  • Wer finanziert meine Idee?
  • Welche Partner brauche ich und wie trete ich an sie heran?

Die Fördererfahrung hat gezeigt, dass das Netzwerk der Beteiligten einen ganz entscheidenden Anteil an der Weiterentwicklung von Ideen hat. Wenn ein solches Netzwerk und der direkte Bezug zur Wirtschaft nicht unmittelbar gegeben ist, beispielsweise bei der Ausgründung aus einem universitären Forschungsprojekt, müssen zwangsläufig „Klinken geputzt“ werden.

Denn: Für die Folgenabschätzung der nächsten Schritte ist es notwendig, die richtige Expertise an Bord zu haben. Der Grundsatz „make or buy“ entscheidet dabei über das konkrete Vorgehen und bedeutet entweder, sich die Expertise selbst anzueignen oder sie einzukaufen. Muss ich meine Idee noch an den Markt anpassen? Was wollen Kundinnen und Kunden?

Formate zur Vernetzung

Ohne Partner aus der Industrie, mit denen man vertrauensvoll zusammenarbeiten kann, stehen Forschende mit ihren innovativen Ideen oft unsicher vor den nächsten Schritten und Herausforderungen.

Abhilfe schaffen können Formate zur Vernetzung der beteiligten Akteure. Viele Innovationen bleiben auf der Strecke, weil die richtigen Partner, die genau wissen, was einer Idee noch für die Marktreife fehlt, nicht zueinander finden.

Auch kann Forschenden durch Einblicke in verschiedene Unternehmen, etwa im Rahmen von Austauschprogrammen, unternehmerische Erfahrung mitgegeben werden. Das dadurch entstehende Vertrauensverhältnis zwischen möglichen Partnern ist wichtige Grundlage für die gemeinsame Arbeit an der Weiterentwicklung einzigartiger Ideen. Diese Schritte allein bauen bereits Hürden ab, die sonst schon früh dafür sorgen, dass viele biobasierte Innovationen verworfen werden.

Viele Lösungen für komplexe Herausforderungen

Bevor eine Bioökonomie im großen Maßstab umsetzbar ist, müssen Regionen und lokale Unternehmen vorangehen und sich ihrer Stärken besinnen. Positive Beispiele dazu finden sich überall in Deutschland. Diese Regionen verfügen bereits über Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen sowie nachwachsende Rohstoffe und eine Strategie, um die Bioökonomie regional voranzutreiben.

Förderprogramme, die Regionen bei einem Strukturwandel unterstützen, wie dies etwa im Rheinischen- oder im Mitteldeutschen Revier der Fall ist, machen solche Regionen zu Beispielen, von denen andere lernen können. Die biobasierten Innovationen sind es, die in diesen Regionen den Wandel voranbringen.

Der Trend geht zurück zu vielen kleinen Lösungen, die zusammen ein nachhaltiges Gesamtbild ergeben. Die Frage lautet schließlich, ob die bestehende Wirtschaft saniert werden muss oder ob die angebotenen Lösungsvorschläge selbst dafür sorgen, dass sich neue Formen des Wirtschaftens entwickeln.

Die Idee der Bioökonomie ist nicht neu, aber ihre Umsetzung nimmt zurzeit aufgrund der unterschiedlichen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, immens an Fahrt auf. Das Potenzial biobasierter Innovationen ist noch lange nicht ausgeschöpft und neue Ideen und Lösungsansätze werden mit immer neuen Möglichkeiten in der Forschung zahlreicher.

Brücken bauen

Die Brücke zwischen Industrie, Wissenschaft und Gesellschaft ist dabei von entscheidender Bedeutung – und die Politik muss mit den notwendigen Rahmenbedingungen den Prozess der Vernetzung und der Umsetzung fördern.

Angebote wie KMU innovativ oder der Ideenwettbewerb – Neue Produkte für die Bioökonomie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung leisten hier bereits einen Beitrag. Auch andere mit der Bioökonomie befasste Ressorts des Bundes wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft haben sich zum Ziel gesetzt, Innovationsprozesse, vor allem in späteren Phasen, zu unterstützen und in die Anwendung zu begleiten.

Durch die vielfältigen Instrumente sollte der gesamte Innovationsprozess abgedeckt werden, damit zukunftsträchtige Ideen ihren Weg als Produkt oder Dienstleistung in den Markt finden.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Was Biokunststoffe zu einer zukunftsfähigen Kreislaufwirtschaft beitragen können von Dr. Lisa Mundzeck, Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe

Zero Waste Cities als Beitrag zum kommunalen Ressourcenschutz von Carina Koop, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

Innovation for Transformation: Eine Zukunftsagenda für mehr Innovationskraft von Bertelsmann Stiftung



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