Wärmewende: Von Mehrfamilienhäusern, Wärmepumpen und Extremwetter-Ereignissen
Im Zuge der öffentlichen Diskussion um die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) standen neben einer großen inhaltlich-technischen Verunsicherung insbesondere die finanziellen Belastungen von Einfamilienhaus-Eigentümern im Fokus.
Dabei sind jedoch zwei wesentliche Aspekte in den Hintergrund gerückt; nämlich erstens die Gründe der Novellierung und zweitens die Tatsache, dass sich über die Hälfte aller Wohnungen in Mehrfamilienhäusern befinden.
So wird rund ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen Deutschlands durch die Beheizung und die Trinkwarmwasserbereitung in Wohngebäuden verursacht. Über 80 Prozent der dafür betriebenen Wärmeerzeuger nutzen fossile Energieträger; knapp die Hälfte mit unzureichender Effizienz. Gleichwohl wäre das verbleibende globale „CO2-Budget“ zur Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels mit dem derzeitigen Emissionsniveau in weniger als sechs Jahren und das des 2 Grad-Ziels in rund 23 Jahren aufgebraucht.
Deutschlands Engagement wird überschätzt
Noch viel zu wenig im öffentlichen Bewusstsein ist dabei der Aspekt, dass die Notwendigkeit zur Reduktion der Treibhausgasemissionen nur noch sekundär in einer Begrenzung des Artensterbens, Ökosystemverlusts und Meeresspiegel-Anstiegs begründet liegt; diese Chance ist bereits weitestgehend vertan. Vielmehr geht es nun auch für Europa und Nordamerika darum, die Häufigkeit von Extremwetter-Ereignissen aufgrund einer fortschreitenden Destabilisierung des polaren Jetstream zu begrenzen.
In der nationalen öffentlichen Wahrnehmung erscheint darüber hinaus das Klimaschutz-Engagement Deutschlands deutlich überschätzt und das „der Großen in der Welt“ deutlich unterschätzt zu werden. So verzeichnete Deutschland in den Jahren 2016 bis 2021 als eines der wenigsten Länder weltweit einen rückläufigen Zubau von Erneuerbaren Energien im Vergleich zur Periode 2010 bis 2015.
Die Zubau-Rate der USA lag in diesem Zeitraum ca. um Faktor 3,7 und die Chinas ca. um Faktor 13,6 über derjenigen Deutschlands (vgl. z.B. IEA: Renewables 2022). Bei der Installation von Wärmepumpen nahm Deutschland im Jahr 2022 Rang 19 ein – von 21 in Europa.
Kein Konsum-Verzicht, sondern Komfort-Gewinn
Die lange versäumte Wärmewende in Deutschland ist also – eine Motivlage zur Begrenzung von massiv zunehmenden Extremwetterschäden hierzulande vorausgesetzt – schlicht alternativlos. Die Zeit zur Diskussion von „100 %-Lösungen“ ist jedoch bereits abgelaufen, nun braucht es wirksame Sofortmaßnahmen.
Die gute Nachricht ist: Emissionsminderungen in der Gebäudetechnik gehören zu den wenigen wirksamen Klimaschutzmaßnahmen ohne Konsum-Verzicht, sondern mit Komfort-Gewinn.
Prof. Michael Schaub
Etwa die Hälfte der CO2-Emissionen durch die Beheizung und Trinkwarmwasserbereitung in Wohngebäuden wird den Ein- und Zweifamilienhäusern mit Baujahr vor der Jahrtausendwende zugeschrieben. Die Wärmeübergabe in diesen Gebäuden erfolgt oftmals durch Heizkörper, weshalb zum Beispiel Vorbehalte bezüglich eines Umstiegs auf Wärmepumpen bestehen. Auch hier liegt ein erhebliches Kommunikationsdefizit vor.
So ist seit ca. zwei Jahren eine neue Generation von Wärmepumpen am Markt etabliert, mit denen durch die Verwendung des natürlichen Kältemittels Propan ein Technologiesprung gelungen ist.
Prof. Michael Schaub
Propan-Wärmepumpen sind in der Lage, auch bei Außentemperaturen von -10 °C Warmwassertemperaturen von 70 °C, teils sogar 75 °C bereitzustellen.
Abbildungen 2 und 3: Notwendige Heizwassertemperatur bzw. Wärmepumpen-Effizienzen je Außentemperatur und zugehörige Heizwärme-Anteile | Datenquellen: [VDI 4655], [Produktbsp.: Viessmann Vitocal 250-A]
Zwar ist die Effizienz der Wärmepumpen in derart extremen Betriebszuständen gering, solch tiefe Außentemperaturen kommen jedoch vergleichsweise selten vor. So entfallen über 80 Prozent der Heizwärme auf Außentemperaturen von über 0 °C.
Dabei steigt im Falle von Luft/Wasser-Wärmepumpen mit zunehmender Außentemperatur nicht nur die Quellen-Temperatur (Außenluft); sondern gleichzeitig sinkt auch die Senken-Temperatur (Heizwasser), da das Gebäude nun mit geringeren Heizwassertemperaturen versorgt werden kann. In der Folge liegen beim Einsatz von Propan-Wärmepumpen auch in Kombination mit Heizkörpern sehr häufig Betriebszustände mit hohen Effizienzwerten vor, wodurch im Jahresmittel Werte um 3,0 zu erwarten sind.
Propan-Wärmepumpen: Sofortmaßnahme für Ein- und Zweifamilienhäuser
Für die Kategorie der Ein- und Zweifamilienhäuser stellen Propan-Wärmepumpen im Falle eines Defekts der Erdgas- oder Heizölheizung folglich eine technisch verhältnismäßig einfache Sofortmaßnahme für einen 1:1-Ersatz dar, ohne dass unmittelbar zusätzlich eine energetische Sanierung erforderlich ist.
Für die flächendeckende Transformation der Beheizungsstruktur ist eine mittelfristige Nachholung der energetischen Sanierung auch im Hinblick auf die Belastung des Stromnetzes und den notwendigen Ausbau von Wind und PV gleichwohl unerlässlich.
Es gilt also, Maßnahmen zu priorisieren, deren Finanzierung zu planen und vor allem anzufangen, statt weiter aufzuschieben, bis irgendwann unvermeidbar alles gleichzeitig fällig wird.
Technische Probleme bei kleineren und mittleren Mehrfamilienhäusern
Prinzipiell eignet sich diese Form der Beheizung auch für kleine und mittlere Mehrfamilienhäuser (bis 12 Wohneinheiten) mit Baujahr vor 2000, die ca. 30 Prozent der CO2-Emissionen der Beheizung und Trinkwarmwasserbereitung in Wohngebäuden verursachen. Dabei bestehen jedoch gleich mehrere technische Probleme.
Dichte Bebauung
Zum einen befinden sich diese Gebäude häufiger in dichter Bebauung, wodurch der Platz zur lokalen Einkopplung von Umweltwärme oft nicht ausreicht (z.B. unzureichende unversiegelte Flächen zur Erschließung von Geothermie oder zu geringe Abstände zu Nachbargebäuden hinsichtlich der Schallemissionen von Luft-Wärmepumpen). In diesen Fällen kann ein Wärmenetz zur räumlichen Auslagerung der Erschließung von Umweltwärme dienen.
Gasetagenheizungen mit separatem Heizungsnetz
Ca. vier bis sechs der über 22 Millionen Wohnungen in Mehrfamilienhäusern werden darüber hinaus mit sog. Gasetagenheizungen beheizt, bei denen jede Wohnung ein eigenes Heizgerät und ein separates Heizungsnetz aufweist. Für diese Gebäude besteht zusätzlich zur Frage ob Wärmepumpe oder Wärmenetz die Herausforderung einer vorherigen gebäudeinternen Zentralisierung.
Größere Heizleistungen
Des Weiteren benötigen Mehrfamilienhäuser aufgrund der geometrischen Ausmaße auch deutlich größere Heizleistungen. Im unsanierten Bestand sind diese Leistungen häufig derart hoch, dass ein 1:1-Austausch „Wärmepumpe ersetzt Gaskessel“ wie im Falle der Ein- und Zweifamilienhäuser nicht möglich ist.
So mangelt es zum einen an Wärmepumpen mit ausreichend hohen Leistungen, die gleichzeitig mit den akustischen Anforderungen von Wohngebieten vereinbar sind. Zum anderen würden die resultierenden elektrischen Leistungen oft eine zu große Belastung für das bestehende Stromnetz darstellen.
Wärmepumpen-Hybridheizung als Lösung für Mehrfamilienhäuser
Für diese Gebäudegruppe sieht das GEG als Alternative zur sofortigen vollständigen energetischen Sanierung jedoch eine technisch sinnvolle und sehr pragmatische Erfüllungsoption vor: § 71h – die Wärmepumpen-Hybridheizung.
Sobald eine bestehende oder neue Erdgas- oder Heizöl-Brennwertheizung durch eine Wärmepumpe ergänzt wird, deren Leistungsanteil im Betriebspunkt A-7/W35 mindestens 30 Prozent (bivalent-parallel) bzw. 40 Prozent (bivalent-alternativ) der installierten Kesselleistung oder der rechnerischen Heizlast beträgt, gilt die Anforderung von 65 Prozent erneuerbarer Wärme pauschal und ohne weiteren Nachweis als erfüllt. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass die maximale Leistung von Wärmeerzeugern zur Wohngebäudebeheizung nur äußerst selten erforderlich ist.
Verhältnismäßige kleine Wärmepumpen können daher in Hybridheizungen einen Großteil des fossilen Energiebedarfs substituieren. Dies reduziert die CO2-Emissionen dieser Gebäude selbst mit dem heutigen Strommix bereists um ca. 30 bis 40 Prozent. Zur Abdeckung der Spitzenlasten (oder Überbrückung der „kalten Dunkel-Flaute“) wird (statt eines elektrischen Heizstabs) der Wärmeerzeuger mit fossilem Brennstoff zugeschaltet. Bei Nachholung der energetischen Sanierung reduziert sich die maximale Heizlast dann typischer Weise in einem solchen Maße, dass der Heizkessel komplett entfernt werden kann und die Wärmepumpe als alleiniges Heizsystem ausreicht.
Wärmepumpen stellten somit auch bei aufgeschobener energetischer Sanierung in Bestandsgebäuden eine Sofortmaßnahme für die notwendige Nutzung von Umweltwärme dar.
Prof. Michael Schaub
Dies erfolgt am Ort des Bedarfs und zum Zeitpunkt des Bedarfs und die eingekoppelte Umweltwärme muss zuvor nicht durch Wind und PV erzeugt und in keinem Netz transportiert werden.
Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:
Optimierung der energetischen Gebäudeinfrastruktur: Kosten und CO2 einsparen von Dr.-Ing. Christopher Lange, Fraunhofer IISB
Energiewende in Europa: Wasserstoff- und Stromnetze kombinieren von Dr. Fabian Neumann, Technische Universität Berlin
Fernwärme – bedeutender Baustein für die Wärmewende von Dr. Veit Bürger, Öko-Institut
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