Optimierung der energetischen Gebäudeinfrastruktur: Kosten und CO2 einsparen

Bei der Transformation des Energiesystems spielen Gebäude von Industrieunternehmen wegen ihres hohen Energiebedarfs eine wesentliche Rolle. Diese benötigen nicht nur elektrischen Strom und Wärme, sondern auch Kälte, Gase, Druckluft und sonstige Energieträger. Für die Optimierung der Energiebereitstellung reicht die Betrachtung von einem dieser Bereiche allein nicht aus, da es über Erzeugungsanlagen und Verbraucher enge Kopplungen zwischen den Netzen gibt. Dies führt zu einer hohen Komplexität bei der Optimierung der energetischen Gebäudeinfrastruktur (EGI).

Um Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre EGI zu planen und zu optimieren, wurde im Forschungsprojekt ProEnergie – Bayern mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie eine Softwaretoolbox entwickelt. Diese ermöglicht die Analyse von Energiedaten, die Berechnung von Lastprognosen sowie die Simulation und Untersuchung von Optimierungsmaßnahmen. Dadurch können Kosten eingespart und die CO2-Emissionen reduziert werden. Die Toolbox steht als Open-Source-Software kostenlos zur Verfügung.

Wozu eine Optimierung der energetischen Gebäudeinfrastruktur?

Unternehmen müssen flexibel auf sich ändernde Produktions- und Marktbedingungen reagieren. Ein wichtiger Hebel ist hierbei der effiziente und nachhaltige Einsatz von Energie. Die im Unternehmen benötigte Energie wird durch die energetische Gebäudeinfrastruktur (EGI) bereitgestellt.

Die EGI umfasst:

  • Energiewandler, zum Beispiel PV-Anlagen, Wärmepumpen, Blockheizkraftwerke und Kältemaschinen.
  • Energiespeicher, zum Beispiel Batteriesysteme, Wärme- und Kältespeicher.
  • Schnittstellen zu öffentlichen Netzen, zum Beispiel Strom, Fernwärme und Gas, über welche die vor Ort nicht verfügbare Energie zugekauft wird oder – unter bestimmten Voraussetzungen – überschüssige Energie verkauft werden kann.

Der Energiebedarf eines Unternehmens fällt häufig zum Großteil in der Produktion selbst an, beispielsweise für Prozesswärme und -kälte, für die Versorgung der Produktionsanlagen und für die Raumlufttechnik. Neben elektrischem Strom werden Wärme, Kälte, Gase, Druckluft und weitere Energieformen eingesetzt. Aber auch Büros und Labore benötigen Energie.

Energiebereitstellung optimieren

Um die Energiebereitstellung zu optimieren, liegt es nahe, die in einem Unternehmen bereits vorhandenen EGI-Anlagen zu optimieren und an neue Anforderungen anzupassen. Hierfür werden Betriebsstrategien im Rahmen eines intelligenten Energiemanagements eingesetzt, welche wichtige Randbedingungen berücksichtigen.

Zusätzlich kann das Energiesystems an geeigneter Stelle erweitert werden, beispielsweise durch die Integration von Energiespeichern, die Einbindung lokaler regenerativer Energiequellen (z. B. PV-Anlagen) sowie die Nutzung von Anlagen zur Wärmerückgewinnung.

Die einzelnen Teilsysteme sind durch die Erzeugungsanlagen und Verbraucher zum Teil eng gekoppelt, wodurch Änderungen an einer Einzelanlage große Auswirkungen auf das Gesamtsystem nach sich ziehen können. Wird zum Beispiel der Betrieb einer Wärmepumpe optimiert, kann dies die Erhöhung elektrischer Lastspitzen – und somit der Stromkosten – verursachen.

Das lässt sich verhindern, indem die Zusammenhänge zwischen den Systemen berücksichtigt werden, was ohne geeignete Hilfsmittel allerdings schwierig zu bewerkstelligen ist. Daher unterstützt die Softwaretoolbox aus ProEnergie – Bayern. Unternehmen bei der Bewertung von Maßnahmen in ihrer EGI mit drei spezialisierten Tools, welche die wesentlichen Schritte der Datenanalyse, Bedarfsprognose und EGI-Gesamtoptimierung abbilden. Die Besonderheit dabei: Diese Programme sind kostenlos verfügbar und der komplette Quellcode, überwiegend Python, ist als Open-Source-Software vollständig offengelegt.

Abbildung 1: Das EGI-Optimierungs-Tool wurde mit Daten der Projektpartner aus ProEnergie – Bayern sowie mit Messungen aus dem Reallabor für intelligente Energiesysteme am Fraunhofer IISB validiert.
© A. Schardt / Fraunhofer IISB

Wofür werden die Softwarewerkzeuge eingesetzt?

In der ProEnergie-Softwaretoolbox sind drei Softwarewerkzeuge enthalten, welche Unternehmen bei den notwendigen Schritten auf dem Weg zu einer ganzheitlichen Optimierung ihres Energiesystems unterstützen.

Lastprofil-Analyse-Tool: Mit dem Lastprofil-Analyse-Tool wird eine systematische Analyse von Zeitreihen ausgeführt, indem wichtige Kennzahlen berechnet und grafische Auswertungen ausgegeben werden. Dazu werden Last- oder Erzeugungsprofile eingelesen und ausgewertet. Auch weitere Zeitverläufe, wie Massen- oder Volumenströme, werden vom Tool unterstützt. Die Analyse hilft beim Aufdecken von Abhängigkeiten im Energiesystem und macht relevante Einflussgrößen sichtbar.

Produktions-Lastgang-Tool: Während bei der Datenanalyse historische Messreihen ausgewertet werden, erlaubt das Produktions-Lastgang-Tool die Vorhersage zukünftiger Lastverläufe. Hierfür wird das Prognosemodell mit Methoden aus dem Bereich des maschinellen Lernens trainiert. Als Basis dienen historische Produktionsdaten, Lastprofile und Wetterdaten. Das trainierte Modell ermöglicht anschließend die Berechnung des vorhergesagten Strom-, Wärme-, Kälte- und Gasbedarfs. So werden beispielsweise kritische Zeiträume identifiziert, in welchen hohe Lastspitzen und hohe Auslastungen der EGI zu erwarten sind.

EGI-Optimierungs-Tool: Das dritte Softwarewerkzeug, das EGI-Optimierungs-Tool, ermöglicht die Untersuchung und quantitative Bewertung von Änderungen im betrachteten Energiesystem. Zu Beginn wird die EGI vom Benutzer konfiguriert und parametriert. Hierfür steht eine umfangreiche Bibliothek zur Verfügung, welche neben den eigentlichen Komponentenmodellen (z. B. BHKW) auch zusätzliche Anlagenbestandteile (z. B. Wärmespeicher und Motorklappen) und die Betriebsstrategien enthält. Ist das System konfiguriert, so müssen vor der Simulation nur noch die externen Daten, wie Lastgänge, eingelesen werden. Neben einer Einzelsimulation können zudem auch mehrere Simulationen unter automatischer Variation von Parametern ausgeführt oder einzelne Parameter, wie die Kapazität eines Energiespeichers, auf Basis einer Zielgröße optimiert werden. Somit können sämtliche Eingriffe in die EGI vorab fundiert untersucht, Einsparpotentiale aufgezeigt und die Auswirkungen auf das Gesamtsystem abgeschätzt werden.

Abbildung 2: Die drei in ProEnergie – Bayern entwickelten Softwaretools für die Analyse und Prognose von Lastgängen sowie zur Simulation und Optimierung der energetischen Gebäudeinfrastruktur (EGI).
© C. Lange / Fraunhofer IISB

Welche Anwendungsfälle gibt es in Bezug auf die EGI?

Die Optimierungsziele in einer EGI lassen sich in drei Kategorien unterteilen, wobei häufig auch Kombinationen aus diese relevant sind. Eine wichtige Voraussetzung ist jeweils die Verfügbarkeit von Energiespeichern im betrachteten System. Die Speicher ermöglichen die Entkopplung von Energieerzeugung und -verbrauch und sorgen somit für mehr Flexibilität.

Eigenversorgungsoptimierung: Bei der Eigenversorgungsoptimierung wird eine möglichst hohe Deckung des Energiebedarfs mit vor Ort verfügbarer regenerativer Energie, z. B. aus Photovoltaik-, Windkraft- oder Geothermieanlagen, angestrebt. Dabei spielen neben einer für den Anwendungsfall passenden Anlagendimensionierung auch Energiespeicher eine wichtige Rolle, da so überschüssige Energie zwischengespeichert und zu Zeiten defizitärer Erzeugung bereitgestellt werden kann.

Lastspitzenreduktion: Hohe Bezugsleistungen werden durch die Lastspitzenreduktion vermieden, indem hohe Bedarfe mit Hilfe von Energiespeichern verringert werden. Elektrischen Speicher (z. B. Batteriesysteme) zeichnen sich hierbei durch eine direkte Wirkungsweise aus: Die Entladung der Batterie hat eine direkte Reduktion der Bezugsleistung zur Folge. Aber auch Anlagen zur Energiewandlung können für die Lastspitzenreduktion eingesetzt werden, vorausgesetzt es sind entsprechende thermische Speicher verfügbar. Ein Blockheizkraftwerk kann beispielsweise während Lastspitzen zugeschaltet werden, wodurch neben Wärme auch elektrischer Strom bereitgestellt wird. Wenn zu dieser Zeit kein Wärmebedarf vorliegt, muss ein Wärmespeicher die überschüssige Energie aufnehmen, wodurch der Energiespeicher indirekt wirkt. Im Gegensatz dazu kann eine Wärmepumpe temporär abgeschaltet werden, um den elektrischen Verbrauch zu reduzieren, soweit ein Wärmespeicher in der Zwischenzeit die Versorgung übernimmt. Für eine wirtschaftliche Nutzung ist die Auslegung der Komponenten essenziell.

Effizienzoptimierung: Die optimale Ausnutzung von EGI-Anlagen wird durch eine Effizienzoptimierung sichergestellt, bei welcher die Betriebspunkte gezielt in möglichst effiziente Arbeitsbereiche verschoben werden. Das ist vor allem für Erzeugungsanlagen mit einer variablen Effizienz relevant. Diese wird beispielsweise durch eine Leistungszahl- oder Wirkungsgrad-Kennlinie angegeben. Die Flexibilität zur Verschiebung des Betriebspunkts wird durch Energiespeicher bereitgestellt. So ist die Versorgungssicherheit zu jeder Zeit gegeben.

Die vorgestellten Optimierungsziele werden im EGI-Optimierungs-Tool durch die integrierten Betriebsstrategien der Komponenten verfolgt. Diese sind im Rahmen der Open-Source-Software vollständig einsehbar und können daher auch einfach auf reale Systeme adaptiert werden. Im Reallabor für intelligente Energiesysteme am Fraunhofer IISB wurden die Betriebsstrategien auf realen Anlagen umgesetzt und validiert.

Tabelle 1: Aktuell im EGI-Optimierungs-Tool verfügbare Komponenten. Neben der Bezeichnung und allgemeinen Beschreibung werden auch die vorhandenen Betriebsstrategie-Module sowie die beteiligten Energieformen aufgezeigt.
© C. Lange / Fraunhofer IISB

Ein Beispiel zur Anwendung des EGI-Optimierungs-Tools

Im folgenden Beispiel wurde das EGI-Optimierungs-Tool eingesetzt, um eine PV-Anlage und ein Batteriesystem zu dimensionieren. Ziel ist die Erhöhung des Eigennutzungsgrads (engl. own-consumption rate, OCR) sowie des Eigenversorgungsgrads (engl. self-supply rate, SSR). In der Abbildung ist im Hintergrund die Konfiguration des Systems zu sehen. Das Diagramm zeigt das Ergebnis für die Kennzahlen (y-Achse) abhängig von der Batteriekapazität (x-Achse). Die Subplots unterscheiden sich in der Peakleistung der PV-Anlage (1,0 MW bis 2,5 MW). Das Beispiel ist auch im ProEnergie-GitLab zu finden.

Abbildung 3: Beispielhafte Auslegung einer PV-Anlage und der dazugehörigen Batterie mit Hilfe des EGI-Optimierungs-Tools.
© C. Lange / Fraunhofer IISB

Verfügbarkeit der Softwaretoolbox

Mit der Softwaretoolbox haben Unternehmen ab sofort eine kostenfreie und flexible Lösung zur Optimierung ihrer EGI an der Hand. Der Einfluss von geplanten Erweiterungen und Veränderungen der Energieinfrastruktur kann so schon vor einem realen Eingriff – ohne Auswirkungen auf sensible Produktionsprozesse – untersucht werden.

Durch den Einsatz der Softwaretools gewinnen Unternehmen Sicherheit bei ihren Investitionen, beispielsweise in die eigene regenerative Energieerzeugung, Energiespeicher oder Modernisierungsmaßnahmen. Ebenso lässt sich das Aufwand-Nutzen-Verhältnis langfristig kalkulieren und der Eigenversorgungsgrad steigern, wodurch Unternehmen einen Teil ihres Energiebedarfs selbst decken können, im Idealfall bis hin zur vollen Klimaneutralität.

Das Projekt ProEnergie – Bayern lief vom 01. Februar 2020 bis zum 31. Januar 2023 und wurde von der Bayerischen Forschungsstiftung (BFS) gefördert. Es waren die Industrieunternehmen Bosch, Brose, GKN Aerospace, Eirenschmalz, IA Tech, iprotex und Rauschert sowie die Fraunhofer-Institute IISB und IPA beteiligt. So wurden Kompetenzen aus den Branchen Automobil, Metall, Leichtbau, Textilien, Kunststoff, Keramik, Energiesysteme und Produktionstechnik gebündelt und für die Entwicklung übertragbarer und praxisnaher Lösungen eingesetzt.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Welche Rolle spielt Wasserstoff als Energieträger im globalen Energiesystem? von Matia Riemer und Johannes Eckstein, Fraunhofer ISI

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