Kälte

Wie die Wärmewende durch oberflächennahe Geothermie gelingen kann

Prof. Dr. Kilian BizerGeorg-August-Universität Göttingen
Myrjam KlemtGeorg-August-Universität Göttingen
Ruben KrebsRijksuniversiteit Groningen

Die Transformation der Energie- und Wärmeversorgung in Deutschland schreitet voran: In den vergangenen Jahren sind die Absatzzahlen von Wärmepumpen in Deutschland kontinuierlich gestiegen und haben 2023 mit 360.000 verkauften Einheiten ihren bisherigen Höchststand erreicht.

Dabei zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen Luft- und Erdwärmepumpen: Während die Anzahl der jährlich neu installierten geothermischen Wärmepumpen in Deutschland konstant bei etwa 30.000 liegt, ist der Anteil der Luftwärmepumpen exponentiell angestiegen. Um diese Diskrepanz zu adressieren, widmet sich dieser Beitrag den Vorteilen der Oberflächennahen Geothermie (ONG) und Erdwärmepumpen in Deutschland.

Die Wärmewende – ein immanenter Teil der Energiewende

Die aktuelle Bundesregierung strebt bis 2045 Klimaneutralität an. Dieses Ziel erfordert eine umfassende Energiewende, welche den Übergang zu erneuerbaren Energien und den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beinhaltet. Zur Sicherstellung der optimalen Energieversorgung durch Erneuerbare Energien muss die Versorgung in allen Sektoren dezentraler und sektorengekoppelt erfolgen, um die mit Wind- und Solarenergie einhergehende Volatilität auszugleichen.

Die Energiewende umfasst dabei sowohl den Strom- als auch den Wärmemarkt. Der Anteil der erneuerbaren Energien in der Stromproduktion nimmt stetig zu, während dieser im Wärmebereich mit 19 Prozent noch relativ gering ist. Besonders im Gebäudesektor fallen etwa 30 Prozent der nationalen CO2-Emissionen an.

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) der Bundesregierung priorisiert daher Energieeinsparung und -effizienz: Seit 2024 müssen neu installierte Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Klimaneutral sind Wärmepumpen, wenn sie ausschließlich mit Strom aus regenerativen Quellen betrieben werden. Sie bieten ein großes CO2-Einsparpotenzial an und weisen wegen der CO2-Bepreisung einen Kostenvorteil auf.

Stand 2022 wurden in Deutschland nur 3 Prozent aller Bestandswohnungen mit Wärmepumpen beheizt, was im Jahr 2021 etwa 1,4 Millionen installierten Wärmepumpen entsprach. Das Ziel der Bundesregierung ist es, 6 Millionen Wärmepumpen bis 2030 zu installieren. Modellierte Szenarien des DIW projizieren sogar einen möglichen Hochlauf von bis zu 7,5 Millionen Wärmepumpen bis 2030.

Herausforderung Volatilität

Ein wesentliches Hindernis für die Energiewende in Deutschland stellt jedoch die Volatilität der erneuerbaren Energien dar. Die Herausforderung liegt hierbei weniger in der Erzeugung als vielmehr in der Regelung und Verteilung der eingespeisten Energie angesichts unterschiedlicher Nachfrageverläufe.

Eine bessere Koordination des Energieangebots und Energiebedarfs kann eine nachfrageorientierte Verteilung erreichen. Hierbei spielen Speichertechnologien und Smart-Metering-Systeme eine Schlüsselrolle, da diese die Steuerung sowie das Speichern von überschüssiger Energie ermöglichen, Nachfragespitzen abschwächen und Angebot und Nachfragen harmonisieren.

Smart Metering findet im Stromsektor bereits Anwendung und kann insbesondere durch die Integration in Wärmepumpen die Verknüpfung des Wärmemarkts mit dem Strommarkt ermöglichen: Ist der Strompreis niedrig, wird Strom bezogen und in einem Speicher zwischengelagert. So muss die Wärmepumpe in Peakzeiten nicht auf den relativ teuren Strompreis auf dem Markt zurückgreifen, sondern auf den lokal gespeicherten Strom. Zwar entstehen durch die Speicherung Betriebskosten, allerdings ermöglichen sie eine höhere Flexibilität im Verbrauch sowie die Einsparung von Netzentgelten oder Steuern.

Ab 2025 wird der Einbau von Smart Metern verpflichtend. Die intelligenten Messsysteme können zur Netzstabilität beitragen, indem sie durch sekundengenaue Abrechnung eine flexible Steuerung des Stromverbrauchs erlauben, Speichertechnologie einsetzen und die Nutzung variabler Stromtarife zulassen. Durch eine effizientere Netzauslastung würden sich auch die anfallenden Netzausbaukosten in Grenzen halten, da die Stromnetze in Peakzeiten nicht ihre Kapazitätsgrenzen übersteigen. Eine Einführung lokal variabler Stromtarife erlaubt zudem einen netzdienlicheren Betrieb, da die Netze durch Preissignale ausgelastet werden, die den tatsächlichen Bedarf widerspiegeln.

Klimafreundliche Heiztechnologien

Um den CO2-Fußabdruck beim Heizen und Kühlen zu verringern, existieren verschiedene klimafreundliche Technologien als Alternative zu Gas- oder Ölheizungen. Im Wesentlichen gehören dazu Oberflächennahe Geothermie (ONG), Wasserstoff, Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) oder Fernwärmenetze.

Oberflächennahe Geothermie

ONG nutzt die in den oberen Erdschichten gespeicherte Wärme (oder Kälte) zum Heizen (oder Kühlen) von Gebäuden, technischen Anlagen oder Infrastruktur. Diese Energie wird dabei über Erdwärmesonden, Erdwärmekollektoren oder Grundwasserbrunnen gewonnen.

Im Vergleich zu geothermischen Wärmepumpen nutzen Luftwärmepumpen die Umgebungsluft, um Wärme zu erzeugen. Bezüglich des Wirkungsgrades sind Luftwärmepumpen jedoch weniger effizient als geothermische Wärmepumpen: Während Erdwärmepumpen mit einer KWh Strom vier KWh Wärme erzeugen können, sind es bei Luftwärmepumpen nur drei KWh.

Dies spielt eine entscheidende Rolle bei der Reduzierung des CO2-Fußabdrucks. Erdwärmepumpen bieten durch ihre höhere Effizienz ein größeres Potenzial zur Reduktion des Energieverbrauchs und somit der CO2-Emissionen im Vergleich zu Luftwärmepumpen.

Auch wenn Erdwärmepumpen mit deutlich höheren Installationskosten verbunden sind, verfügen diese über eine längere Lebensdauer – zumal die Subventionen aufgrund des höheren Wirkungsgrads höher angesetzt sind (bis zu 70 Prozent). Und auch die Betriebskosten sind langfristig geringer als die einer Luftwärmepumpe, da der Betrieb auf konstanten Temperaturen in verschiedenen Tiefen basiert.

Hinsichtlich der langfristigen Klimaziele im Gebäudesektor und der Wirtschaftlichkeit stellt die Nutzung von ONG durch Erdwärmepumpen somit eine vielversprechende Lösung dar.

Wasserstoff

Neben ONG wird auch Wasserstoff als Speichermedium für eine klimafreundliche Energieversorgung in diversen Sektoren diskutiert. In Bezug auf seine Eignung für Heizungssysteme besteht jedoch wissenschaftlicher Konsens darüber, dass Wasserstoff nicht sinnvoll ist. Im Vergleich zu Wärmepumpen ist das Heizen von Gebäuden mit Wasserstoff aktuell noch wesentlich ineffizienter und erfordert etwa 500 bis 600 Prozent mehr Energie. Demnach ist Wasserstoff auch aus Kostensicht zu unattraktiv, um als weitverbreitete Energiequelle für Heizsysteme in Gebäuden in Betracht gezogen zu werden.

Kraft-Wärme-Kopplung

Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist ein Verfahren zur gleichzeitigen Erzeugung von mechanischer/elektrischer Energie und thermischer Energie innerhalb eines thermodynamischen Prozesses. In Dänemark ist diese Technologie seit über 40 Jahren zentral für die Wärmewende: Das Land weist den höchsten Anteil an KWK-Anlagen in Europa auf und der Fernwärmeanteil liegt bei 60 Prozent, wovon mehr als die Hälfte aus erneuerbaren Quellen stammt. Zudem ist der Einbau von Öl- und Gasheizungen seit mehr als zehn Jahren verboten.

In Deutschland wurde der Ausbau von KWK-Anlagen bislang maßgeblich durch das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geprägt, was dazu beigetragen hat, dass die Nettowärmeerzeugung durch KWK hierzulande in den letzten beiden Jahrzehnten nahezu kontinuierlich angestiegen ist.

Mit dem steigenden Anteil von Wärme aus erneuerbaren Energiequellen wird jedoch ein Rückgang der Bedeutung insbesondere fossiler KWK-Anlagen erwartet. Diese Anlagen könnten zukünftig hauptsächlich dazu genutzt werden, flexibel auf Angebotsschwankungen von erneuerbarer Wärme zu reagieren und somit die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

KWK spielt zudem auf kommunaler Ebene für Fernwärmenetze eine wichtige Rolle. Diese können thermische Energie, die beispielsweise als Abwärme in industriellen Prozessen oder durch Tiefengeothermie entsteht, auf private Haushalte verteilen. In Fernwärmenetzen kann Wärme aus verschiedenen Energiequellen verteilt werden. Diese Art von Wärmeversorgung ist vor allem in dicht besiedelten Gebieten sinnvoll, da durch die Netzinfrastruktur keine platzbeanspruchenden Einzellösungen pro Gebäude notwendig sind und Netzwerkeffekte bestehen.

Für die Koordination ist eine kommunale Wärmeplanung notwendig, welche die erwartete Nachfrage sowie die lokalen Möglichkeiten zur Nutzung ermittelt. Dieses Instrument ist bis spätestens 2028 für alle Kommunen verpflichtend. Hinsichtlich der fristgerechten Realisierbarkeit in den Kommunen herrscht jedoch noch Uneinigkeit.

Volkswirtschaftliche Vorteile von oberflächennaher Geothermie

Bei einem Ausbau bestehender Fernwärmenetze auf erneuerbare Energien (aktueller Marktanteil grüner Fernwärme: 3 Prozent) fallen hohe Kosten für Kommunen an. Eine Weitergabe der Kosten an die Konsumenten würde die Akzeptanz beeinträchtigen. Ein kompletter Neubau solcher Netze wird für die meisten Betreiber vermutlich nicht infrage kommen – selbst bei der Möglichkeit zur Weitergabe der Investitionskosten hemmen lange Genehmigungsverfahren oder potenzielle Bürgerinitiativen einen Neubau. Fernwärmenetze sind als flächendeckende Heizalternative erst bei einem größeren Verbrauch bzw. einer gewissen Abnehmerdichte attraktiv.

Einer lockeren Siedlungsstruktur mit geringer Dichte trägt die oberflächennahe Geothermie Rechnung: Als „dezentrale“ Lösung ist ONG vor allem abseits der Ballungszentren durch ihre Grundlastfähigkeit, die vergleichsweise einfache Installation und die Vielzahl von aktuellen Förderprogrammen eine skalierbare klimaneutrale Wärmeversorgung von Haushalten.

Erdwärmepumpen effizienter als Luftwärmepumpen

Erdwärmepumpen sind zudem deutlich effizienter als Luftwärmepumpen, da sie die gleichbleibende Temperatur des Erdreichs nutzen, was eine konstant hohe Leistungsfähigkeit und niedrigere Betriebskosten ermöglicht – auch bei schwankenden oder tiefen Temperaturen wie beispielsweise in Schweden. Lediglich ihre Anschaffungskosten und das Genehmigungsverfahren stellen einen Nachteil gegenüber Luftwärmepumpen dar, die schneller und günstiger installiert sind.

Für größere Gebäude bieten sich auch sog. „Sondenfelder“ an, bei denen mehrere Erdwärmesonden auf engem Raum für ONG verwendet werden. Sondenfelder können dann an eine zentrale oder mehrere Wärmepumpe(n) angeschlossen werden. Die ONG eröffnet nicht zuletzt aufgrund ihrer Grundlastfähigkeit zusätzlichen Sektoren Dekarbonisierungspotenziale.

Darüber hinaus ergeben sich für Deutschland neue industriepolitische Möglichkeiten: Durch gelockerte Beihilferegeln für IPCEI-Förderungen der EU lassen sich wichtige Fördermaßnahmen schneller umzusetzen. Insbesondere für die (Maschinen-) Bauindustrie und das Handwerk können Maßnahmen der energetischen Gebäudesanierung oder Hybridtechnologien durch IPCEI gefördert werden.

Niedriger Strompreis erforderlich

Wärmepumpen sind eine Schlüsseltechnologie für die Senkung von Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor. Damit sie allerdings auch eine kostengünstige und langfristige Heizmöglichkeit sind, muss der Strompreis entsprechend niedrig sein: Wärmepumpen laufen bislang oft über den Haushaltsstrom mit, was die Betriebskosten erhöht (Wärmepumpenstromtarife). Hier sind die Preise für Gas und Strom ein wesentlicher Kostenfaktor.

Obwohl beide Preisniveaus in der Vergangenheit gestiegen sind, ist der Preis pro kWh für Strom für deutsche Verbraucher immer noch deutlich höher als der für Gas. Dennoch kann eine effizient arbeitende und korrekt installierte Wärmepumpe niedrigere Brennstoffkosten als Gasheizkessel erzielen. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) betont dabei, dass der Unterschied zwischen Strom- und Gaspreisen den Faktor 2,5 nicht überschreiten sollte, um die Wirtschaftlichkeit der Wärmepumpe zu gewährleisten. Dies soll durch die steigende CO2-Bepreisung sichergestellt werden.

Hindernisse für oberflächennahe Geothermie

Die Wärmeversorgung mit ONG und Wärmepumpen verspricht eine langfristig kosteneffiziente, klimafreundliche und relativ einfach zu implementierende Heizlösung. Das liegt vor allem an der höheren Jahresarbeitszahl der geothermischen Wärmepumpen gegenüber Luft-Wasser-Wärmepumpen. Da geothermische Wärmepumpen weniger Strom pro produzierter kWh Wärme benötigen, könnten sie auch einzelwirtschaftlich eine relevante Alternative sein: Allerdings liegen die Bohrkosten so hoch, dass der langfristige Vorteil in der Kalkulation nicht besonders stark ausfällt.

Besonders schwer wiegt, dass Hausbesitzer auf dem engen Markt der Bohrfirmen, die überwiegend für Wohnungsbaugesellschaften und andere große Nachfrager arbeiten, kaum einen Anbieter finden. Deshalb sollte regulatorisch eine Senkung der Bohrkosten betrieben werden, die geringere Personalanforderungen (eine statt zwei Personen bei der Bohrung) stellt und geringere Bohrdurchmesser akzeptiert und die Zertifizierung an europäische Normen anpasst. Damit wäre auch eine Marktöffnung für skandinavische Anbieter denkbar, die deutlich kostengünstiger Bohrungen durchführen. Die Marktöffnung hätte nicht nur Auswirkungen auf die Kosten, sondern könnte auch die Akzeptanz steigern, wenn der Begleitaufwand der Bohrungen reduziert werden könnte.

Daten und Zusammenarbeit notwendig

Für die Nutzung von ONG in Deutschland ist Akzeptanz somit von zentraler Bedeutung. Eine flächendeckende Berichterstattung des Markthochlaufs erfordert umfassende Informationen. Dazu gehören frei zugängliche Daten über geologisch geeignete Standorte für ONG sowie die Leistung der installierten Wärmepumpen (in KWh). Zudem ist auch eine Einbindung der unterschiedlichen Stakeholder erforderlich. Dies soll einen möglichst reibungslosen Adaptionsprozess ermöglichen und Barrieren verringern.

Um auf Informationen zugreifen zu können, ist eine umfangreiche Datenerfassung notwendig. Das vom Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik geleitete BMWK-Forschungsprojekt WärmeGut adressiert die bislang noch nicht vollumfassende Berichterstattung in Deutschland und entwickelt eine verbesserte Datenerfassungsmethode. Andere europäische Länder wie Schweden, wo Wärmepumpen zunehmend Öl- und Gasheizungen ersetzen, sind dahingehend weiter fortgeschritten: Bereits seit 1982 werden Daten zur Marktentwicklung von Wärmepumpen erhoben und öffentlich zur Verfügung gestellt.

Fazit

Zusammenfassend zeigt sich, dass für eine erfolgreiche Wärmewende die Nutzung von ONG und Wärmepumpen essentiell sind, weil sie erheblich zur Reduktion von CO2-Emissionen im Gebäudesektor beitragen. Aufgrund ihrer langfristigen Umwelt- und Kostenvorteile stellen sie die Schlüsseltechnologie für eine Wärmewende im Gebäudesektor dar.

Für einen erfolgreichen Markthochlauf sind allerdings eine verbesserte Regulierung, die Akzeptanz und die Adaption dieser Technologien unverzichtbar. Dabei ist wichtig, die unterschiedlichen Einflussfaktoren auf die Kosten und die Akzeptanz der Stakeholder frühzeitig zu berücksichtigen. Nur so wird es in Deutschland gelingen, eine vollumfänglich nachhaltige, klimaneutrale Wärmeversorgung zu erreichen.

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