Oberflächennahe Geothermie: Wärme aus dem Boden recyclen

Dr. Susanne BenzKarlsruher Institute für Technologie

Trotz des Interesses an grünen Energiealternativen fristet das Recycling von unterirdischer Grundwärme noch ein Schattendasein. Dabei entsteht davon immer mehr in unseren Böden – durch Urbanisierung, Industrialisierung und durch den Klimawandel. Wie diese Wärme genutzt werden könnte, erläutert Dr. Susanne Benz von der Dalhousie University in Halifax, Kanada. Sie und Kollegen vom Karlsruher Institut für Technologie und der  Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg haben das Potential in einer Studie untersucht.

Frau Benz, können Sie kurz erklären, was genau es mit der unterirdischen Wärmebelastung auf sich hat?

Es gibt in Deutschland viel Wärme, die in den Untergrund geht: aus Tiefgaragen, aus Kellern, aus U-Bahnen oder anderen unterirdischen Infrastrukturen. Durch den Klimawandel wird es nun noch heißer. Das ist selbstverständlich erst einmal eine negative Entwicklung. Aber: Im Untergrund haben wir dadurch noch mehr Energie. Teils ist es dort das ganze Jahr über 20 Grad war.

Diese Wärme könnten wir schon heute ohne Probleme abschöpfen. Doch bislang tun wir das nicht. Wir werfen diese Ressource praktisch weg. Dabei sollten wir mit Wärme umgehen wie mit anderen Rohstoffen – und sie recyclen.

Um die unterirdische Wärme zu nutzen, schlagen Sie und Ihre Kollegen in der Studie vor, oberflächennahe Geothermie zu nutzen. Was bedeutet das genau?

Wenn wir von Geothermie reden, sprechen wir oft über verschiedene Konzepte. Am bekanntesten ist die tiefe Geothermie. Dabei bohrt man einige Hundert Meter in den Erdboden – um die Energie, die vom Erdkern generiert wird, abzuschöpfen. Hier ist schon lange Potential vorhanden.

Allerdings eignet sich die tiefe Geothermie nicht zwingend für einzelne Haushalte. Sie bohren nicht so tief. Zum einen aus Kostengründen. Zum anderen, weil die Bohrungen mancherorts mit Gefahren verbunden sind, wenn man den Untergrund nicht richtig kennt.

Diese Gefahr besteht bei der oberflächennahen Geothermie kaum. Hier kann man 60, 10 oder sogar nur einen Meter tief bohren. Man recycelt auch Energie, die aus der Erde kommt. Man nutzt aber zudem die Energie, die auf der Oberfläche generiert wird.

Wie funktioniert die oberflächennahe Geothermie?

Technisch gibt es zwei Möglichkeiten. Eine wird oft als „offene Anlage“ bezeichnet. Das bedeutet, dass man Grundwasser aus dem Untergrund nach oben pumpt. Dieses Grundwasser hat eine gewisse Wärme. Diese schöpfe ich über eine Wärmepumpe ab und nutze sie zum Heizen. Dazu ist Strom nötig. Danach leite ich das Grundwasser in den Untergrund zurück.

Eine andere Möglichkeit ist, ein U-Rohr im Untergrund zu nutzen, in dem eine andere Flüssigkeit konstant zirkulieren kann. Diese Flüssigkeit fließt kalt in den Untergrund runter, nimmt Wärme auf und wird wieder hochgepumpt. Das ist aber weniger effizient.

Wie genau könnte man diese unterirdische Wärme zum Heizen nutzen?

Zunächst ist es wichtig, zu verstehen, dass die Wärme, die im Sommer generiert wird, erst im Winter im Grundwasser ankommt. Umgekehrt gilt das gleiche: Im Sommer kann man mit dem Grundwasser, was noch Temperaturen aus dem Winter hat, kühlen. Das hat ein hohes Potential.

Gesamtheitlich ist es bislang machbarer, in Vororten die Wärme aus dem Untergrund zu nutzen. Dort ist es im Boden zwar meist nicht so warm wie in der Stadt. Statt 18 oder 20 Grad hat man hier vielleicht 14 oder 15. Allerdings ist in der Innenstadt der absolute Wärmebedarf höher. In Vororten müssen dagegen weniger Menschen mit Wärme versorgt werden. Man kann also alle bedienen und muss niemanden vorziehen.

Oftmals ist es am einfachsten, die Infrastruktur dort zu schaffen, wo man gerade ohnehin neu baut. Beispielsweise, wen man ein neues Haus baut.

Ein Problem könnte auf rechtlicher Seite bestehen. Zum Beispiel, wenn man als Hausbesitzer oberflächennahe Geothermie nutzt, Grundwasser hochpumpt und dann feststellt, dass dieses verunreinigt ist. Dann besteht in manchen Bundesländern die Pflicht, dieses zu reinigen oder anders zu entsorgen. Egal, ob man die Verschmutzung verursacht hat oder nicht. Das ist technisch natürlich möglich, beispielsweise mit einer Kläranlage. Die Kosten steigen dann allerdings.

Wo könnte man oberflächennahe Geothermie nutzen? Gibt es Gebiete, in denen sich diese Form nicht eignet?

Es ist fast überall möglich. Doch es gibt Voraussetzungen für oberflächennahe Geothermie:

  • Man muss den Untergrund kennen.
  • Und man braucht Platz im Boden.

Schwierig wird es in bergigen Gebieten. Denn für offene Anlagen man muss an das Grundwasser herankommen. Das funktioniert, wenn mein Haus auf sandigem oder lehmigen Boden, aber nicht wenn es auf Fels steht. Während das Konzept also beispielsweise vom Ruhrgebiet bis Münster genutzt werden kann, könnten Menschen im Bergischen Land ihre Häuser oft nicht so einfach mit oberflächennaher Geothermie heizen oder kühlen.

Ebenfalls schwierig wird es auch in Städten, in denen so viel Infrastruktur im Untergrund vorhanden ist, dass man kaum Bohren kann. Eine weitere Hürde ist, wenn man nicht weiß, wie der Untergrund beschaffen ist. Kann man als Hausbesitzer schon kaum einen Keller bauen, weil man nicht weiß, wo Wasserleitungen sind, wird es schwierig.

Was könnte passieren, wenn sich die Wärme weiter im Boden staut?

Ein Problem besteht für unsere Flüsse und die Fische, die darin leben. Sie brauchen zum Laichen oftmals kühlere Spots im Wasser. Diese entstehen eigentlich durch Grundwasser. Doch je wärmer dieses wird, desto wärmer werden auch die Spots. Und gerade die wärmesensiblen Tiere kommen beim Laichen nicht damit zurecht.

Ein anderes Problem ist, dass durch Wärme die Gefahr von Verunreinigungen steigt. Zum Beispiel durch Legionellen, die sich besser vermehren können. Zudem lösen sich bei Wärme mehr Stoffe aus dem Gestein, die sich eigentlich nicht lösen sollten. Arsen ist ein Beispiel.

Warum wird Geothermie bislang so wenig beachtet? Wo liegen Hürden in der Umsetzung?

Geld ist ein Problem. Und man muss  sagen: Wir kommen nun erst an den Punkt, wo sich  geothermisches Wärmerecycling lohnt. An den Punkt, an dem der Klimawandel so viel Wärme produziert, dass wir die Energie abschöpfen können. Vor 20, 30 Jahren war das Grundwasser noch nicht so wärmeverschmutzt. Das ist eigentlich positiv, natürlich. Aber: Das Wärme-Recycling hätte sich nicht gerechnet. Nach unseren Prognosen wird es 2099 überall möglich sein, den kompletten Wärmebedarf aus dem Boden zu decken.

Ein weiterer Punkt ist, dass die oberflächennahe Geothermie nicht so bekannt ist. Und: Sie ist teuer. Eine Gas-Heizung ist immer noch billiger. Natürlich lohnt sich Geothermie mit der Zeit. Aber das Kapital dafür müssen Hausbesitzer erst einmal aufbringen. Das ist nicht immer einfach, wenn der Staat keine ausreichende Unterstützung zusichert.

Doch zukünftig sollten wir nicht mehr so leichtsinnig mit der Wärme umgehen. Das ist ein Rohstoff. Die meisten Ressourcen recyclen wir – oder versuchen es zumindest. Warum nicht also auch Wärme?


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Kommentare

  1. / von Karl-Heinz T.

    NEIN, EINE GASHEIZUNG IST definitiv N I C H T BILLIGER – nur wenn man keine Ahnung hat, das hat aber hier keiner.

  2. / von Karl-Heinz T.

    Wir haben Herbst 2023. Längst könnte das Ruhrgebiet regenerativ geheizt sein. – Warum aber nicht ?

  3. / von Karl-Heinz T.

    Die öffentliche Warnung, beim Verharren in fossilen Brennstoffen wären wir bis 2050 bei 5° im plus ist gut 45 Jahre alt.

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