Subventionspolitik: Wie Definitionsprobleme den Klimaschutz behindern
Der Regierung fällt es zunehmend schwer, einen Kompromiss zwischen dem zumindest formalen Einhalten der selbstauferlegten Schuldenbremse und der Bewältigung der enormen Investitions- und Finanzbedarfe in (fast) allen Politikfeldern zu finden, nicht zuletzt in der Klimapolitik. Währenddessen bleibt ein Bereich der Finanzpolitik jedoch weitgehend unangetastet: die umwelt- und klimaschädlichen Subventionen, in Summe mindestens 65 Milliarden Euro pro Jahr.
Das Ganze ist besonders skurril, da das Thema doch auf den ersten Blick Schnittmengen zu den Präferenzen aller drei Parteien der Ampel-Koalition bietet.
- Zusätzliche Haushaltsspielräume könnten ohne explizite Steuererhöhungen und neue Schulden geschaffen werden, wenn Subventionen systematisch neu bewertet und abgebaut werden.
- Klimapolitische Fehlanreize könnten abgebaut und der Umbau der Wirtschaft vorangebracht werden.
- Einkommensschwache Haushalte und die Mitte der Gesellschaft könnten gezielter unterstützt und entlastet werden.
Und dennoch gelingt es der Regierung nicht, sich aus eigener Motivation hinter diesem Vorhaben zusammenzufinden.
Das Durcheinander um den Subventionsbegriff
Der Abbau „überflüssiger, unwirksamer und klima- und umweltschädlicher“ Subventionen ist ein Teil des Koalitionsvertrags. Doch die Vorzeichen für die Umsetzung stehen aus vielerlei Gründen denkbar schlecht.
Unser neues Focus Paper, das vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) erstellt wurde, zeigt, dass die Frage, was überhaupt eine Subvention ist, von verschiedenen Akteuren ganz unterschiedlich beantwortet wird. Und auch bei der Frage, was genau unter den Adjektiven aus dem Koalitionsvertrag zu verstehen ist, gibt es innerhalb der Ampelkoalition noch immer kein gemeinsames Verständnis.
Fragt man das Umweltbundesamt, so gewährte der deutsche Staat 2018 sechs Finanzhilfen und 35 Steuererleichterungen, die den Einsatz fossiler Energieträger begünstigen und somit eine effektive Klimaschutzpolitik untergraben. Ihr Gesamtvolumen ist gewaltig: Mit einer Summe von mindestens 65 Milliarden Euro entsprechen die umweltschädlichen Subventionen in Deutschland dem Umfang des dritten Entlastungspakets der Bundesregierung in der Energiekrise – und das Jahr für Jahr.
Blickt man stattdessen in den Subventionsbericht der Bundesregierung, tauchen nur 14 der 35 Steuergutschriften, die das Umweltbundesamt als „umweltschädlich“ deklariert, dort auf. 21 Tatbestände – darunter bekannte und kontrovers diskutierte wie das Dienstwagenprivileg (kostet jährlich 3,1 Mrd. Euro) oder das Dieselprivileg (jährlich 8,2 Mrd. Euro) – fallen laut dem Bericht des Bundesfinanzministeriums also gar nicht unten den Begriff „Subvention“. Denn nach dem Subventionsverständnis des BMF gelten Regelungen, die zur Nichtberücksichtigung bestimmter Aktivitäten in der Besteuerung führen, nicht als Steuervergünstigung.
Aber auch bei jenen Steuervergünstigungen, die beide Akteure als Subventionen begreifen, gibt es teilweise erhebliche Abweichungen in den ausgewiesenen Volumina (vgl. Abbildung).
Subventionspolitische Leitlinien werden weitgehend ignoriert
Diese beträchtlichen Abweichungen im Subventionsverständnis führen auch dazu, dass die subventionspolitischen Leitlinien der Bundesregierung für gewisse Regelungen mit Subventionscharakter keine Anwendung finden.
Für eine nicht unerhebliche Menge an umweltschädlichen Subventionen nach UBA-Verständnis findet damit auch keine Nachhaltigkeitsprüfung statt, die gemäß den subventionspolitischen Leitlinien notwendig wäre. Auch unterliegen diese Regelungen keinem kontinuierlichen Monitoring im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und Notwendigkeit.
Bei vielen weiteren Subventionen, auch bei solchen nach BMF-Definition, werden die subventionspolitischen Leitlinien der Regierung weitgehend missachtet, was auch der Bundesrechnungshof in der Vergangenheit bereits mehrfach anmahnte.
Unwirksam, überflüssig, umweltschädlich: Welche Subventionen erfüllen diese Kriterien?
All das ist problematisch, denn viele der ursprünglichen Begründungen für die bestehenden Subventionen tragen heutzutage nicht mehr. So beim Dieselprivileg, das vor allem den Nutzer:innen von Diesel-Pkw zugutekommt, nachdem es zu Beginn der 1990er Jahre damit begründet wurde, den Straßengüterverkehr vor internationaler Konkurrenz zu schützen.
Die Expert:innen des FÖS argumentieren in unserer Studie, dass einige der immer wieder kontrovers diskutierten Subventionen im Industrie- und Verkehrsbereich sich durchaus und aus guten Gründen einordnen lassen in die Schnittmenge aus überflüssig, umweltschädlich und unwirksam (vgl. Abbildung).
Sie könnten somit die Richtung vorgeben für eine Reformagenda der Bundesregierung. In einem weiteren Teil des Projekts werden wir die ökonomische, ökologische, fiskalische und verteilungspolitische Wirkung von Reformvorschlägen für diese Subventionstatbestände modellieren.
Für die Transformation braucht es eine „gute Subventionspolitik“
Das Begriffswirrwarr und das Ignorieren der eigenen subventionspolitischen Leitlinien sind Fahrlässigkeiten, die sich die Bundesregierung angesichts der immensen politischen Herausforderungen nicht leisten sollte. Nicht zuletzt aufgrund des globalen Standortwettbewerbs braucht Deutschland für eine erfolgreiche Transformation nicht nur eine möglichst widerspruchfreie Subventionspolitik, sondern höchstwahrscheinlich auch einige neue staatliche Förderungen.
Öffentliche Mittel müssen in Zukunft klimapositiv eingesetzt werden – auch wenn sie für andere Primärziele wie Technologieentwicklung oder Wettbewerbsfähigkeit geschaffen werden. Eine klare zeitliche Befristung, Gegenfinanzierung und fortlaufende Evaluation sollten bei neuen Subventionen selbstverständlich sein, so wie es die Subventionsleitlinien vorsehen. Die laufende Debatte um die Einführung eines Industriestrompreises mahnt erneut zu einer grundlegenden Neuaufstellung der deutschen Subventionspolitik.
Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:
Der Inflation Reduction Act – Handlungsbedarfe für die deutsche Wirtschaftspolitik von Dr. Thiess Petersen, Bertelsmann Stiftung
Grüne Konjunkturpolitik als Mittel der Transformation? von Prof. Dr. Erik Gawel, UFZ und Kollegen
Mehr staatliche Unterstützung für CO2-Beseitigung von Dr. Max Franks, PiK und Kollegen
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