Startup Vytal: „Gründen in Deutschland kann schmerzhaft sein“

In unserer Interview-Reihe sprechen wir mit kleinen und mittleren Unternehmen über das Thema nachhaltige Innovationen – und darüber, welche staatlichen Rahmenbedingungen aus ihrer Perspektive gegeben sein müssen, damit die anstehende Nachhaltigkeitstransformation erfolgreich bewältigt werden kann. Heute geht es um das Start-up Vytal aus Köln, das ein Mehrweg-System für Takeaway-Gerichte geschaffen hat.

Herr Breker, Sie haben Vytal gegründet. Welche Dienstleistung bieten Sie genau an?

Wir wollen Verpackungsmüll bei Essenslieferungen oder in Kantinen vermeiden. Daher bieten wir ein Mehrweg-System an. Konsumentinnen und Konsumenten können über unsere App ihr Essen bei rund 6.000 Partner-Gastronomen im Mehrweg-Behälter bestellen. Die Nutzung unserer Behälter ist kostenfrei, sofern sie nach spätestens 14 Tagen wieder zurückgeben werden.

Was haben die Kunden davon?

Verbraucher haben neben einem grüneren Gewissen mehr Genuss. Das Essgefühl ist ein anderes als mit einer Styropor-Verpackung. Zudem sind die Behälter mikrowellenfest und dicht. Auch die Nutzung unserer App einfach. Durch die Corona-Pandemie sehen wir auch bei älteren Menschen, dass immer mehr Online-Services nutzen.

Die Gastronomie macht mit, weil so Verpackungskosten reduziert werden können. Und weil sie seit diesem Jahr Mehrweg-Verpackungen als Alternative anbieten muss. Daher muss die Gastronomie ohnehin umstellen – und wir stoßen stärker in den Massenmarkt vor.

Wie kam es zu der Idee?

Ich habe früher in einer Unternehmensberatung gearbeitet und mit den Kollegen oft Essen bestellt. Oder wir sind nur kurz vor die Tür, um etwas zum Mitnehmen abzuholen. Irgendwann haben sich die Einwegverpackungen im Büro gestapelt. Da dachte ich, dass es auch anders gehen muss.

Wie haben Sie den Gründungsprozess in Deutschland erlebt?

Als kompliziert, teilweise als nahezu schmerzhaft. Ich hätte mir mehr und bessere digitale Prozesse gewünscht. In Estland beispielsweise kann man komplett digital gründen. In Großbritannien haben wir ein Tochterunternehmen ins Leben gerufen, auch das war viel einfacher und digitaler. In Deutschland muss man stattdessen Ewigkeiten auf seine Steuernummer warten.

Gibt es weitere Planungen für noch mehr Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz in Ihrem Start-up?

Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz liegen in unserer DNA. Daher würde ich sagen, dass wir schon gut aufgestellt sind. Der Versand unserer Behälter ist beispielsweise CO2-neutral, wir achten auf nachhaltiges Material, unsere elektronischen Geräte sind gebraucht und refurbished.

Aber natürlich geht immer noch mehr. Als Start-up, das profitabel werden muss, gerät man allerdings teilweise in einen Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie. Manchmal ist die nachhaltige Alternative so teuer, dass wir uns diesen Luxus einfach noch nicht leisten können.

Welche Hindernisse sehen Sie für Ihre Planungen, z.B. durch aktuelle Rahmenbedingungen?

Wir erleben häufig, dass Ausschreibungsprozesse intransparent sind. Beispielsweise, wenn Städte und Kommunen für ihre Einrichtungen und Behörden einen Mehrweg-Anbieter suchen. Oft kriegt man gar nicht mit, dass eine Ausschreibung existiert. Etwas überspitzt gesagt, bekommt dann der Anbieter den Zuschlag, der zufällig über die Ausschreibung gestolpert ist.

Ich habe auch den Eindruck, dass Städte die ansässigen Gastronomen nicht gut erreichen. Wenn es Infoveranstaltungen gibt, sitzen dort gefühlt drei Gastronomen – und alle Mehrweg-Anbieter. Zudem gibt es eine Anreiz-Problematik. Es wird in der Gastronomie nicht für genug Motivation gesorgt, Mehrweg zu nutzen.

Was könnte die Politik tun, um eine nachhaltige Produktion besonders in KMU zu unterstützen?

In Produktionsprozesse sollte der Staat nicht eingreifen. Aber man kann im Bereich Digitalisierung noch viel tun. Und Anreize schaffen, nachhaltige Alternativen zu nutzen – wie beispielsweise Ökostrom.

Zudem sollte sich die Politik ausreichend und unabhängig informieren, bevor sie Regeln erlässt. Ein Beispiel: In unserem Geschäftsbereich ist Styropor als Verpackungsmaterial verboten. Das ist gut, denn es ist das Material, das am wenigsten nachhaltig ist. Auf Platz 2 rangiert dann Aluminium. Und das ist noch erlaubt. Ich habe den Eindruck, dass sich die Politik hier zu sehr von Lobbys beeinflussen lässt, die vom Status Quo profitieren.

Positiv finde ich, dass es mancherorts bei städtischen Ausschreibungen die Vorgabe gibt, regionale Start-ups zu bevorzugen.

Was, denken Sie, brauchen wir generell, um die Bahnen in eine nachhaltige Wirtschaftsform zu lenken?

Ich denke, der wichtigste Hebel ist, externe Effekte bei der Preisgestaltung zu berücksichtigen. Wir müssen die ökologischen Kosten mehr einbeziehen. Das geschieht bisher zu wenig.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Start-up Mygreentop: „Es fehlen Fürsprecher“ mit Dirk Kieslich, mygreentop

Recycling: Einsatz von Sekundärrohstoffen in der Praxis von Dr. Ulrike Lange, VDI

Zero Waste Cities als Beitrag zum kommunalen Ressourcenschutz von Carina Koop, Wuppertal Institut



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