Wie nachhaltige Unternehmensgründungen funktionieren können

Selina TürckRKW Hessen GmbH

Nachhaltiges Wirtschaften rückt immer mehr in den Mittelpunkt. Nicht nur große Unternehmen, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen erkennen zunehmend die Bedeutung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Sei es aufgrund neuer Gesetzgebungen, Richtlinien und Vorgaben, steigendem Druck durch Konsument/innen und Lieferanten, Kreditinstitute und Investor/innen oder aber aus einer intrinsischen Motivation heraus, das eigene unternehmerische Handeln verantwortungsbewusst und mit Rücksichtnahme auf Gesellschaft und Umwelt gestalten zu wollen.

Sicher ist: Jedes Unternehmen kann und muss einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten, um den Herausforderungen der heutigen Zeit – wie beispielsweise Ressourcenknappheit, steigende CO2-Emissionen, Wasser- und Luftverschmutzung, soziale Ungleichheit, Armut und Fachkräftemangel – zu begegnen. 

Wieso es wichtig ist, nachhaltig zu gründen

Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsraum sollten aber nicht nur bestehende Unternehmen betrachtet werden, denn auch Neugründungen haben einen großen Einfluss auf Gesellschaft und Umwelt.

Vor allem bei der Gestaltung des Geschäftsmodells muss Nachhaltigkeit die Basis darstellen und von Beginn an in alle Unternehmensbereiche integriert werden. So könnte es sogar einfacher sein, Nachhaltigkeit direkt bei der Gründung eines Unternehmens einzubeziehen als bestehende Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren.

In jedem Fall muss Nachhaltigkeit unter gleichwertiger und ganzheitlicher Betrachtung von Ökologie, Ökonomie und Sozialem gedacht werden.

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Neben Konsument/innen, die bewusstere Kauf- und Konsumentscheidungen treffen, prüfen auch immer häufiger Investor/innen und Kreditgeber/innen, ob das betrachtete Geschäftsmodell den Nachhaltigkeitskriterien entspricht und es sich um ein zukunftsfähiges Unternehmen handelt. So kann es dazu kommen, dass keine Kredite gewährt werden oder sich Investor/innen gegen ein Investment entscheiden, wenn Nachhaltigkeit nicht im Geschäftsmodell verankert ist.

Zudem werden auch Unternehmenskooperationen verstärkt auf der Basis ähnlicher Unternehmenswerte geschlossen, sodass der Einbezug von Nachhaltigkeit zukünftig verstärkt ein Entscheidungskriterium für oder gegen eine Zusammenarbeit darstellen wird.

Weiterhin trifft dieser Anspruch auf die Fachkräftegewinnung und -bindung zu, denn vor allem die junge Generation möchte bei einem Arbeitgeber tätig sein, der verantwortungsvoll wirtschaftet und bei dem das Ausüben einer sinnstiftenden Tätigkeit möglich ist.

Wie Nachhaltigkeit bei Unternehmensgründungen umgesetzt werden kann

Gründende nachhaltiger Unternehmen kennzeichnet oftmals eine intrinsische Motivation gegenüber dem Thema Nachhaltigkeit. Viele haben sich bereits vorab mit Nachhaltigkeit beschäftigt und sich Wissen darüber angeeignet. Denn Letzteres ist Grundlage, um Nachhaltigkeit wirklich ganzheitlich einbeziehen zu können. Sollte eine solche Motivation nicht Ausgangspunkt der Unternehmensidee sein, ist es dennoch in jedem Fall ratsam, sich über nachhaltiges Wirtschaften umfangreich zu informieren.

Bei einer nachhaltigen Unternehmensgründung werden schließlich alle Geschäftsmodellbereiche unter sozialen, ökologischen und ökonomischen Kriterien betrachtet.

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Hilfestellung liefert beispielsweise das Sustainable/Social Business Model Canvas, das alle Themen unter einer nachhaltigen Sichtweise analysiert. Dadurch wird auch ersichtlich, welche positiven und negativen Wirkungen mit dem Geschäftsmodell einhergehen und welche Anspruchsgruppen mit der Geschäftstätigkeit in Zusammenhang stehen und von dieser beeinflusst werden. Es geht darum, die positiven Wirkungen zu maximieren und negative Auswirkungen zu verhindern bzw. zu minimieren. 

Betrachtung der einzelnen Unternehmensbereiche

In jedem Unternehmensbereich sollten die Nachhaltigkeitsdimensionen sowohl separat als auch im Zusammenspiel betrachtet werden. So steht bei nachhaltigen Unternehmensgründungen zu Beginn des Geschäftsmodells meist eine Idee, die ein gesellschaftliches oder ökologisches Problem löst und mit der ein Impact geschaffen werden soll. Bei Social Start-ups ist dieser soziale Unternehmenszweck noch einmal verstärkt, monetäre Erfolge dienen hier vor allem der Erfüllung und Realisierung des gesellschaftlichen oder ökologischen Impacts.

Um Nachhaltigkeit bei einer Gründung vollständig zu verankern, sollte sie strategisch verfolgt und mithilfe einzelner Nachhaltigkeitsziele definiert werden. Grundlage hierfür stellen unter anderem nachhaltige Unternehmenswerte dar, die die Bildung einer Unternehmensidentität fördern und dazu beitragen, dass sich Mitarbeitende mit dem Unternehmen identifizieren können. Gründende können sich zudem durch ihr nachhaltiges Geschäftsmodell von anderen Wettbewerbern abgrenzen und aus diesem ein Alleinstellungsmerkmal entwickeln.

Insbesondere bei nachhaltigen Unternehmensgründungen sollten alle beteiligten Stakeholder in die Betrachtung einbezogen werden. Demnach muss die Liefer- und Wertschöpfungskette genau betrachtet und geprüft werden, welche Personen von der Geschäftstätigkeit beeinflusst sind – dazu können neben Zulieferern und Mitarbeitenden auch die vor Ort lebende Bevölkerung zählen oder weitere Personengruppen betroffen sein.

Zudem sollten Gründende in Bezug auf die Lieferkette berücksichtigen, wie sie unter anderem Emissionen verringern, Ressourcen sparen und im Sinne der Kreislaufwirtschaft wiederverwenden sowie die planetaren Belastungsgrenzen berücksichtigen können. 

Auch soziale Nachhaltigkeitsthemen wie unter anderem Partizipation und Mitgestaltung im Unternehmen, Inklusion und Integration sowie Vereinbarkeit, faire Bezahlung und Arbeitssicherheit sind hier von großer Bedeutung. 

Nachhaltigkeit transparent machen

Insbesondere bei Neugründungen sind Netzwerke und Kontakte zu anderen Gründenden, Institutionen und Unternehmen von besonderer Wichtigkeit, um potenzielle Kund/innen zu erreichen, die Bekanntheit des Unternehmens zu steigern und Kooperationspartner zu gewinnen. Auch zu diesem Zweck ist es ratsam, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen.

Zwar gibt es für kleine Unternehmen derzeit noch keine Pflicht zur Berichterstattung, dennoch ist es sinnvoll, Stakeholder proaktiv über die Unternehmenstätigkeiten zu informieren und somit Transparenz, Glaubwürdigkeit und unternehmerische Verantwortung zu zeigen. Hierbei sollte offen und ehrlich dargestellt werden, bei welchen Themen das Unternehmen bereits gut dasteht, aber auch welche Verbesserungspotenziale bestehen. In diesem Fall ist es unabdingbar, mit einem Zeitrahmen und entsprechenden Maßnahmen aufzuzeigen, wie negative Umstände zukünftig gelöst werden sollen. 

Gründende sollten sich bewusst sein, dass Nachhaltigkeit ein ständiger Entwicklungsprozess ist, sodass Nachhaltigkeitsziele und -aktivitäten stetig angepasst werden sollten. So kann es sein, dass einige Ziele erst mit längerer Geschäftstätigkeit oder durch Unternehmenswachstum erfüllbar werden. In jedem Fall sollte Nachhaltigkeit als Chance angesehen werden, denn viele Unternehmensgründungen demonstrieren bereits heute, dass sich wirtschaftliches Handeln mit ökologischen und sozialen Kriterien vereinen lässt.

Dieser Artikel bezieht sich auf die SpringerGabler-Publikation „Kompass für nachhaltige Unternehmensgründungen – Ein Leitfaden unter Berücksichtigung ökologischer, sozialer, ökonomischer und kultureller Dimensionen

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Nachhaltigkeitsberichterstattung im Mittelstand: Wie isst man einen Elefanten? von Prof. Dr. Christina E. Bannier, Justus-Liebig-Universität Gießen

Wie Unternehmen Klimarisiken einschätzen von Prof. Dr. Ute Vanini, FH Kiel

Produktivitätsdialog: Das „Geschäftsmodell Deutschland“ in der Energiekrise von Claudia Wiggenbröker, Freie Journalistin



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