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Scheitert das europäische Batterie-Ökosystem am Fachkräftemangel?

Dr. Axel ThielmannFraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Wegen der Haushaltskrise will die Bundesregierung Mittel für Forschungsprojekte kürzen. Betroffen ist auch die Batterieforschung. Dies könnte sich laut Medienberichten drastisch auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Batterieindustrie auswirken: Denn hierdurch könnte sich der schon jetzt spürbare Mangel an Fachkräften und auch wissenschaftlichen Expert:innen weiter verschärfen.

Fachkräftemangel als Innovationshemmnis

Mit den aktuellen Kürzungen von Mitteln für „Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Elektromobilität“, insbesondere im Bereich der Batterieforschung in Deutschland, wird befürchtet, dass der Verlust der akademischen Ausbildung den Fachkräftemangel massiv verschärfen und die Qualität der vermittelten Fachkompetenz gefährden könnte. Vor allem die Entwicklung von Nachwuchswissenschaftler:innen sieht man gefährdet, während zugleich das Risiko einer Abwanderung von Batterie-Forscher:innen wächst.

Dies könnte folglich den Aufbau eines europäischen Batterie-Ökosystems gefährden, denn das Thema Fachkräftemangel hat sich laut aktueller Studien zum größten Innovationshemmnis in Unternehmen entwickelt, und zwar noch vor dem Hemmnis der hohen Innovationskosten für Unternehmen.

Wie sieht das Angebot an ausgebildeten Batterie-Forscher:innen aus?

Seit dem aktiven Einstieg in die Förderung der Batterieforschung, insbesondere für die Elektromobilität, stieg die Zahl ausgebildeter Batterie-Forscher:innen von wenigen Hundert vor dem Jahr 2010 in Europa auf mittlerweile schätzungsweise 30.000 bis 40.000 an. In Deutschland allein wurden ca. 15.000 ausgebildet.

Dieser enorme Zuwachs an akademisch ausgebildeten Fachleuten wurde in den letzten fast 15 Jahren maßgeblich durch Forschungsförderprojekte der öffentlichen Hand ermöglicht. Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten, welche in hohem Maße durch geförderte Forschungsprojekte sowie in Kooperation mit der Industrie entstehen, haben in Deutschland und Europa dazu beigetragen, eine Community und ein Netzwerk an Lehrstühlen zu schaffen. In diesem bilden heute Nachwuchswissenschaftler:innen der „ersten Stunde“ die nächste Generation von Batterie-Forscher:innen aus. So ist regelrecht eine Fachkräftepipeline in der Batterieforschung entstanden.

Entwickeln sich die Investitionen in die Batterieforschung und damit in die Ausbildung akademischer Fachkräfte weiter so wie bisher, könnte sich ihr Anteil auf dem industriellen Arbeitsmarkt bis 2030 verdoppeln. Ohne eine Forschungsförderung, so zeigen unsere Berechnungen, würde sich die Zahl der Batterie-Expert:innen deutlich langsamer entwickeln oder gar stagnieren.

Wie groß ist der Bedarf an ausgebildeten Batterie-Forscher:innen?

Ein Bedarf an ausgebildeten Expert:innen existiert vor allem im Bereich der Forschung und Entwicklung (FuE) bei Unternehmen entlang der Batterie-Wertschöpfungskette, aber auch in der Produktion (in Summe erfordert etwa einer von zehn Jobs einschlägige Batterie-Erfahrung).

Die europäische Batterieindustrie befindet sich seit 2020 und noch mindestens bis 2030 in einer entscheidenden Phase des Hochlaufs – im Sinne der Marktnachfrage, der Produktion und damit auch des Fachkräftebedarfs.

Dr. Axel Thielmann

Der Fachkräftebedarf lag in der EU-weiten Industrie in den letzten Jahren schon bei 40.000 bis 60.000 und steigt bis 2030 auf rund 200.000. Bereits heute suchen Unternehmen händeringend nach Fachkräften, denn nicht alle Bewerbungsprofile passen auf die Stellenanforderungen – Elektrochemiker:innen werden dabei aber praktisch durchgängig nachgefragt.

Selbst auf Basis des heutigen Niveaus vergleichbarer, intensiver FuE-Aktivitäten und damit einhergehender Ausbildung von Wissenschaftler:innen würde bis 2030 und darüber hinaus ein zunehmendes Fachkräfte-Gap entstehen und nur die Hälfte der benötigten Stellen ließen sich besetzen. Die FuE durch Batterie-Forscher:innen müsste für die Deckung der Nachfrage also sogar intensiviert werden.

Aufgrund der Belastungen durch die hohen Investitionskosten in Produktionsinfrastruktur kann die Industrie die Ausbildungskosten für Personen mit relevantem Batteriewissen sicherlich kaum allein tragen – daher müsste eine öffentliche FuE-Förderung bzw. Forschung jenseits der industriellen FuE-Aktivitäten auch in den kommenden Jahren noch mindestens auf dem aktuellen Niveau gehalten oder gar verdoppelt werden.

Erst nach 2030 könnte die Batterieindustrie in Europa dann bestenfalls eine kritische Größe erreicht haben, mit der sie sowohl die FuE-Aufgaben zu kommerzialisierungsnahen Batterie-Technologien, als auch die Ausbildung der Fachkräfte sukzessive selbst übernehmen kann und sich hinreichend Ausbildungs- und Weiterbildungsangebote etabliert haben.

Der Fachkräftebedarf ist nicht auf die Forschung begrenzt

Betrachtet man die gesamte Wertschöpfung (inkl. Batterie-Systemintegration in Elektroautos/Anwendungen) sowie auch indirekte Beschäftigungseffekte, so sind auch jenseits akademisch ausgebildeter Fachkräfte EU-weit bis 2025 bis zu 800.000 Arbeitsplätze mit der Batterie-Wertschöpfungskette verbunden. 

Bei diesen Beschäftigten geht es aber größtenteils nicht um „höchstausgebildete“ Batteriefachkräfte. Es handelt sich um Beschäftigte jenseits der FuE wie Personal, welches an Produktionsanlagen in kürzerer Zeit angelernt, weitergebildet oder umgeschult werden kann sowie Personal in Bereichen wie Service, Logistik, Verkauf und ähnlichen.

Batterie-Expert:innen agieren bei der Aus- und Weiterbildung für diesen enormen allgemeinen Fachkräftebedarf als Multiplikatoren. Ohne sie kann das wettbewerbsrelevante Wissen nicht weitergegeben werden und die industrienahe Entwicklung von Technologien der nächsten Generationen nicht erfolgen. Batterie-Forscher:innen kommt nach dieser Logik ein enormer Hebeleffekt mit einem Faktor 10 zu.

In den letzten Jahren haben sich daher mehr und mehr Ausbildungsangebote für die Industrie entwickelt. Dies ist auch wichtig, da für einen derartigen Hebeleffekt auch ein zunehmend großer Bedarf im Bereich der Weiterbildung und Umschulung nötig wird. Bei Betrachtung aller Batterie-Wertschöpfungsstufen ergibt sich bis 2030 EU-weit sogar ein Bedarf der Aus-, Weiterbildung und Umschulung von bis zu rund 1,5 Mio. Beschäftigten.

Gelingt der Aufbau eines Batterie-Ökosystems in Europa, werden langfristig vier bis fünf Millionen Arbeitsplätze hiermit verbunden sein.

Dr. Axel Thielmann

Was trägt Deutschland zur europäischen Batterieforschung bei?

Die Batterieforschung in Deutschland wurde in den letzten fast 15 Jahren massiv ausgebaut, sodass etwa vier von zehn Batterie-Publikationen in Europa aus Deutschland stammen. Etwa vier von zehn Batterie-Forscher:innen wurden und werden in Deutschland ausgebildet.

Aber auch die Produktionskapazität der ansässigen Industrie und Nachfrage nach Fachkräften entspricht etwa diesem Faktor. Mit entsprechend großem Gewicht beeinflusst Deutschland damit also auch die Wettbewerbsfähigkeit eines entstehenden Batterie-Ökosystems in Europa.

Jedoch ist die Spezialisierung auf bestimmte Bereiche der Batterie-Wertschöpfungskette in einzelnen Ländern und Regionen in Europa wahrscheinlich und nötig, weshalb nicht von einer Gleichverteilung der Fachkräftebedarfe auszugehen ist. Vielmehr bilden sich Hotspots und Regionen heraus (z.B. im Bereich des Rohstoffabbaus in skandinavischen Ländern).

Welche Notwendigkeit hat die europäische Forschung und Entwicklung?

Da die Finanzierung der praktischen Ausbildung von Fachkräften im Rahmen von Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten in der Regel über Förderprojekte erfolgt, aus denen dann Publikationen entstehen, lässt sich auch auf bisherige und künftig nötige FuE-Investitionen und Förderungen schließen.

Die FuE-Ausgaben in die Batterie-Technologieentwicklung haben sich in den letzten Jahren deutlich erhöht und werden in Europa aktuell auf rund 1,5 Mrd. Euro jährlich geschätzt, in Deutschland auf ca. 500-600 Mio. Euro (rund 40 Prozent). In Deutschland stammt ein Großteil der Fördermittel aktuell aus der öffentlichen Hand.

Wie eine aktuelle Studie zeigt, haben in den letzten Jahren neben Deutschland und der EU auch andere Länder wie Japan, Korea, USA und China ihre öffentliche Finanzierung von Forschung und Entwicklung deutlich erhöht. Die Fördermittel haben sich für die Länder im Vergleich zur Situation vor 2020 teils verdoppelt oder sogar verdreifacht.

Um in diesem Wettbewerb der internationalen Batterieindustrie mithalten zu können, sind in der EU steigende FuE-Ausgaben nötig, die durch private und öffentliche Investitionen realisiert werden können. Der Mehrwert der öffentlichen Förderung liegt bislang im Fokus der Forschung auf einen niedrigeren TRL (Technology Readiness Level)-Bereich sowie im Transfer in die Industrie.

Die Rolle der Industrie

Die Abstimmung und Arbeitsteilung mit der Industrie sowie die Netzwerkbildung sind zentral für den Austausch von Forschungsergebnissen und die Verständigung über weitere Forschungsbedarfe. Zugleich werden Batterie-Forscher:innen bereits für die Industrie zugänglich und werden oft direkt über diese Netzwerke übernommen.

Die Industrie alleine kann und muss künftig sicherlich einen Großteil der FuE-Investitionen übernehmen, sie kann aber nicht alleine die Ausbildung, Vernetzung und die volle Erforschung von Technologien der nächsten Generation gewährleisten. Diese Innovationspipeline liegt im Wissenschaftsapparat und sollte daher öffentlich finanziert werden.

Auch wenn öffentliche Förderung also nicht dauerhaft in diesem aktuellen Maß benötigt wird, ist sie aber genau in dieser dynamischen und kritischen Hochlaufphase extrem wichtig – besonders in den nächsten fünf bis zehn Jahren – und damit für den Aufbau und Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und Aufbau eines kompetitiven EU-Batterieökosystems.

Die Anforderungen an Fachkräfte und damit deren Ausbildung verändern sich zudem: Ein Verständnis und Kenntnisse in Bereichen der Skalierungsforschung, Nachhaltigkeitsforschung, Digitalisierung und Datenanalyse, Kreislaufforschung inkl. Design für ein Recycling, Geschäftsmodelle, Denken in komplexeren Zusammenhängen und an Schnittstellen zu entsprechenden weiteren Disziplinen erfordern einen immer intensiveren Austausch und Netzwerkbildung.

Dies erfordert sicherlich auch angepasste bzw. neue Instrumente in der Forschungsförderung selbst, um diese qualitativen wie quantitativen Ziele zu erreichen.

Fazit

Es besteht in Europa eine große Lücke zwischen Angebot und Nachfrage bei Fachkräften aller Art für die Batterieindustrie. 2030 fehlen bei gleichbleibenden Investitionen 100.000 Batterie-Expert:innen. Daher sollten FuE-Programme im Sinne der Fachkräfteausbildung nicht nur beibehalten, sondern in diesem Zeitraum sogar weiter ausgebaut werden.

Aber auch die Industrie muss ihren Beitrag leisten.

Dr. Axel Thielmann

Heute bedarf es noch großer Unterstützung bei der FuE bzw. dem Transfer zu kommerzialisierungsnahen Technologien. In Zukunft wäre die Fokussierung von öffentlicher geförderter FuE auf Technologien im niedrigeren TRL-Bereich denkbar.

Auf Basis der Studienergebnisse schätzen wir, dass pro 100.000-250.000 Euro Fördervolumen eine höchstausgebildete Batteriefachkraft nachhaltig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt wird. Inklusive der Hebeleffekte und Multiplikatorfunktion der Batterie-Expert:innen würden jede 10.000-25.000 Euro jeweils einen Arbeitsplatz in einer zentralen Zukunftsbranche sichern.

Folglich stellt eine Fortführung bzw. der benötigte Ausbau der Batterieforschung in den nächsten Jahren eine essenziell nötige und wichtige Investition in die Zukunft der europäischen Industrie dar.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

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