Industriestrompreis oder neue Technologie? Ein Beispiel aus der Batterieproduktion

Dr.-Ing. Florian DegenFraunhofer FFB

Der Bedarf an Batteriezellen, insbesondere Lithium-Ionen-Batterien, steigt rasant. Der Grund ist die zunehmende Nachfrage nach vollelektrisch angetriebenen Fahrzeugen. Studien gehen davon aus, dass der jährliche Bedarf an Batteriezellen von heute ca. 400-500 GWh auf 2.500 GWh im Jahr 2030 ansteigen wird und bis 2040 sogar auf 5500 GWh.

Folglich entstehen überall auf der Welt – insbesondere in Europa, Nordamerika und Asien – große Batterie-Gigafabriken. Und diese brauchen Strom, viel Strom. Pro kWh erzeugter Batteriespeicherkapazität wird, abhängig vom jeweiligen Batterietyp, das 20- bis 40-fache an elektrischem Strom in den Fabriken benötigt – ohne, dass die Herstellung des Rohmaterials bereits eingerechnet wurde.

Das heißt: Pro Jahr würde nach dem heutigen Stand mehr als 130.000 kWh Strom für alle Gigafabriken benötigt. Das entspricht dem heutigen Stromverbrauch von Ländern wie Norwegen oder Schweden.

Dr. Florian Degen

Angesichts des hohen Stromverbrauchs und der aktuellen Energiepreise in Deutschland stehen derzeit viele Gigafabrik-Projekte im Land auf dem Prüfstand. Alternative Standorte mit originär günstigeren Energiepreisen wie in Skandinavien oder mit subventionierten, günstigeren Energiepreisen wie in den USA werden stattdessen neu bewertet oder sogar aktiv vorangetrieben.

Folglich wurde auch hierzulande ein günstigerer „Industriestrompreis“ diskutiert und beschlossen. Doch sollte man wirklich den Status quo durch Subventionen sichern oder lieber das Geld in eine verbesserte langfristige Wettbewerbsfähigkeit investieren?

Zukünftige Produktion: Neue Technologien benötigen weniger Energie

In einer Studie, welche kürzlich in der weltweit renommierten Fachzeitschrift „Nature Energy“ veröffentlicht wurde, haben wir uns angeschaut, wie viel Energie in der Batterieproduktion eingespart werden könnte.

Tatsächlich kommen wir zu erstaunlichen Ergebnissen:

  • Allein durch verbesserte Produktionsverfahren sind Energieeinsparungen von 50 Prozent und mehr möglich.
  • Auch die Verwendung von Wärmepumpen kann den Energiehunger der Gigafabriken weiter stillen.
  • Des Weiteren handelt es sich bei der Batteriezellfertigung um eine relative junge Branche. Folglich werden allein aufgrund des Wachstums Skaleneffekte und Lerneffekte entstehen, die den Energiebedarf weiter reduzieren.
  • Auch bei den Batteriezellen an sich gibt es Weiterentwicklungen. Durch neue Batterietypen wie zum Beispiel der Festkörperbatterie kann das Verhältnis Energieeinsatz zu erzeugter Speicherkapazität weiter verbessert werden.

Allerdings wird nicht jede Fabrik umgerüstet, und es werden auch nicht alle so bald wie möglich neue Batteriezelltypen produzieren. Schließlich müssen sich die Gigafabriken über viele Jahre amortisieren. Darüber hinaus wird es allein aus betriebswirtschaftlichen Gründen auch stets einen Bedarf an älteren Batteriezelltypen geben.

Fasst man das technologisch Mögliche mit dem betriebswirtschaftlich Sinnvollen zusammen, so kommt man heute zu der Aussage, dass bis zum Jahr 2040 um die 60 Prozent Energieeinsparungen in Gigafabriken realistisch sind.

Dr. Florian Degen

Dies würde den jährlichen Strombedarf von Gigafabriken im Jahr 2040 um rund 85.000 GWh jährlich senken. Diese Einsparungen entsprechen dem jährlichen Strombedarf von Ländern wie Belgien oder Finnland.




Quelle: Degen, F., Winter, M., Bendig, D. et al. Energy consumption of current and future production of lithium-ion and post lithium-ion battery cells. Nat Energy (2023).

Die Rolle von Technologien für die Wettbewerbsfähigkeit

Was bedeutet dies nun für einen Industriestrompreis? Sollten wir massiv in neue Technologien investieren? Schließlich konnten die Studienergebnisse zeigen, dass langfristig große Energieeinsparungen möglich sind.

Wissenschaftler pflegen bei solchen Fragen zu antworten: „Es kommt drauf an“. Von der Stichprobe n=1 der Batteriezellfertigung auf eine Grundgesamtheit der deutschen Wirtschaft zu schließen, ist nicht besonders ratsam.

Zudem kommen bei der Batteriezellfertigung viele Faktoren begünstigend hinzu. Wir reden von einer Industrie, die noch relativ jung ist. Das heißt: Viel Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft, und es gibt vergleichsweise wenig bestehende Infrastruktur. Gleichzeitig steht relativ viel Kapital zur Errichtung der Industrie zur Verfügung, da sich hier ein potenzieller Megamarkt abbildet und damit auch potenzielle Gewinne. Diese begünstigenden Faktoren haben sicherlich viele energieintensiven Industrien in Deutschland nicht bzw. nicht mehr.

Dennoch sind diese Industrien häufig strategisch relevant, um zum Beispiel Lieferketten sicherzustellen. Strategische Relevanz lässt sich leider nur schwer bepreisen. Ob es sich rechnet oder nicht, ist häufig eine Frage der Annahmen und ob diese Annahmen auch schließlich eintreffen.

Zudem entstehen neue Technologien nicht von selbst. Diese bis zur Marktreife zu bringen, ist zeit- und kostenintensiv und funktioniert auch nicht immer. Wenn vorhanden, dann werden neue Technologien auch nicht immer vom Markt aufgegriffen. Dennoch sind neue Technologien bzw. technologisches Wissen der beste Rohstoff, den Deutschland hat.

Durch neue Technologien können wir unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten und nebenbei auch die Treibhausgasemissionen reduzieren. Also doch lieber in neue Technologien investieren und nicht in einen Industriestrompreis? Wie gesagt: „Es kommt drauf an“, die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Subventionspolitik: Wie Definitionsprobleme den Klimaschutz behindern von Sara Holzmann, Bertelsmann Stiftung

Produktion von Batteriezellen: Große Herausforderung und große Chance von Prof. Kai Peter Birke, Fraunhofer IPA

Der Inflation Reduction Act – Handlungsbedarfe für die deutsche Wirtschaftspolitik von Dr. Thieß Petersen, Bertelsmann Stiftung



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