Lebensmittel-Label und ihre Rolle bei der Transformation

Dr. Maureen SchulzeCopenhagen Business School
Dr. Winnie Sonntag Universität Göttingen

Mit rund einem Drittel trägt der Agrar- und Lebensmittelsektor zu einem erheblichen Teil der weltweiten Treibhausgasemissionen bei. Insbesondere die Produktion tierischer Lebensmittel wie Fleisch, Milch und Eier geht einher mit einem hohen Flächen- und Ressourcenverbrauch. In Regionen mit hohen Viehbesatzdichten kommen Nitratverschmutzungen des Ober- und Grundwassers hinzu.

Durch die Futtermittelproduktion kommt es zusätzlich zu Veränderung der Landschaften, was wiederum mit einem Rückgang der Biodiversität und Ausstoß von Treibhausgasen einhergeht. Haltungsbedingungen in der modernen Nutztierhaltung haben zudem negative Auswirkungen auf die Tiergesundheit. Fett- und zuckerreiche Ernährungsgewohnheiten sorgen ferner für negative Folgen für die menschliche Gesundheit.

Eine nachhaltige Transformation des Agrar- und Lebensmittelsektors scheint unabdingbar und wird auch gesellschaftspolitisch zunehmend gefordert.

Maureen Schulze und Winnie Sonntag

So hat sich beispielweise die EU im Zuge der ‚Farm-to-Fork‘-Strategie einer nachhaltigen Transformation des Agrar- und Lebensmittelsektors verschrieben. Unter anderem wird damit die Förderung eines nachhaltigen Konsums von Lebensmitteln angestrebt, indem leicht verständliche Informationen zum Beispiel in Form von verpflichtenden Nährwertkennzeichnungen die Umstellung hin zu einer nachhaltigen Ernährung erleichtern sollen.

Label sollen bei klimafreundlichen Entscheidungen helfen

Auf Verbraucherseite hat das Interesse an nachhaltig erzeugten Lebensmitteln stetig zugenommen. Insbesondere Klima- und Umweltschutz aber auch tierfreundliche Haltungsformen sowie soziale und gesundheitliche Aspekte sind deutschen VerbraucherInnen bei der Lebensmittelwahl immer wichtiger geworden.

Reagiert hat der Markt auf das veränderte Verbraucherinteresse mit der Einführung zahlreicher Kennzeichnungen, die nachhaltig erzeugte Produkte leichter erkennbar machen sollen.

  • Das bekannteste Label dabei ist die Kennzeichnung ökologisch erzeugter Waren (z.B. das EU Bio-Siegel oder das deutsche Bio-Siegel).
  • Zusätzlich lassen sich verschiedene Label zur Kennzeichnung tierischer Produkte aus besonders tierfreundlicher Produktion finden (z.B. die Haltungsformkennzeichnung oder das ‚Für mehr Tierschutz‘-Label).
  • Zur Unterstützung einer gesünderen Ernährung ist in einigen europäischen Ländern (u.a. Deutschland) der Nutri-Score eingeführt worden.
  • Eine klimafreundliche Lebensmittelwahl soll durch verschiedene Klima-bzw. Umweltkennzeichnungen wie z.B. dem Eco-Score oder dem Planet-Score unterstützt werden.

Neben einstufigen Labeln wie dem Bio-Label geht der Trend zunehmend zu mehrstufigen Labeln wie dem Nutri-Score oder der Haltungsformkennzeichnung über. Mehrstufige Label zeigen differenzierter, wie ein Produkt produziert wurde, können VerbraucherInnen aber auch mit einer Negativbewertung konfrontieren, die zumeist mit roter Warnfarbe dargestellt ist.

Darstellung mehrstufiger Label (Nutri-Score und Haltungskennzeichnung)

Vielzahl von Labeln: Hilfreich oder hinderlich?

Eigentlich sollen Label dazu dienen, VerbraucherInnen bei der Wahl nachhaltiger Produkte zu unterstützen. Bei der Vielfältigkeit an Nachhaltigkeitslabeln stellt sich aber zunehmend die Frage, ob sich VerbraucherInnen im Label-Dschungel noch zurechtfinden – oder ob die zahlreichen Kennzeichnungen eher als hinderlich wahrgenommen werden, um nachhaltige Konsumentscheidungen zu treffen.

Insbesondere wenn zukünftig verpflichtende Kennzeichnungen eingeführt werden, kann es dazu führen, dass Produkte auch mit widersprüchlichen Informationen gekennzeichnet sind. So kann es dann vorkommen, dass ein Produkt beim Nutri-Score „gut“ (grün) abschneidet, nicht jedoch als tierfreundlich (rot) gekennzeichnet ist.

Eine Antwort auf diese Frage ist von hoher Relevanz, um die Wirkungsweise nachhaltiger Lebensmittelkennzeichnungen tiefergehend zu verstehen und als Instrument zur Förderung einer nachhaltigen Transformation des Lebensmittelsektors noch zielführender einsetzen zu können.

Wie Verbraucher auf die Kombination von Labeln reagieren

In einer jüngst veröffentlichen Studie haben sich WissenschaftlerInnen der Universität Göttingen und der Copenhagen Business School daher dieser Fragestellung angenommen. Das Ergebnis der Online-Befragung von 985 deutschen ProbandInnen zeigt, dass KonsumentInnen durchaus in der Lage sind, zwei unterschiedliche Label auf einem Produkt einordnen zu können.

Um ein differenziertes Bild zu erlangen, unterscheiden die ForscherInnen zwischen verschiedenen Label-Kombinationen. Dabei zeigt sich, dass zwei positive Label einen Mehrwert für KonsumentInnen darstellen und nicht zu Verwirrung bei der Kaufentscheidung führen. In der Praxis kommt diese Kombination mittlerweile häufig vor. So sind beispielsweise viele Bio-Produkte zusätzlich auch mit dem Fairtrade Label gekennzeichnet.

Die Kombination von zwei negativen Labeln hingegen nehmen VerbraucherInnen tendenziell als doppelt negativ wahr. Bisher spielt diese Kombination in der Praxis eine eher untergeordnete Rolle. Die Einführung verpflichtender (staatlichen) Kennzeichnung, könnte aber durchaus auch dazu führen, dass künftig mehr Produkte mit zwei negativen Labeln gekennzeichnet werden.

Wenig nachhaltige Produkte werden abgelehnt

Aus Perspektive einer nachhaltigen Transformation zeigen sich die Ergebnisse der Studie als sehr vielversprechend. Weniger nachhaltig erzeugte Produkte werden von VerbraucherInnen abgelehnt, während Produkte, die bei mehreren Nachhaltigkeits-Dimensionen positiv abschneiden, auf eine höhere Kaufbereitschaft treffen. Maßnahmen zu einer verbesserten Kennzeichnung von Lebensmitteln, wie zum Beispiel im Zuge der ‚Farm-to-Fork‘ -Strategie, zeigen sich also als geeignet, um eine nachhaltige Transformation des Sektors voranzutreiben.

Insbesondere mehrstufige Label sind für VerbraucherInnen leicht verständlich und führen nur in seltenen Fällen zu Verwirrung – das gilt sogar für die Kombination von mehreren (widersprüchlichen) Labeln. Trotzdem: Cherry-Picking, also die ausschließliche Kennzeichnung von Produkten mit guten Nachhaltigkeitslabeln, sollte unbedingt zum Beispiel durch eine verpflichtende Kennzeichnung aller Produkte vermieden werden.

Label allein reichen nicht

Zudem darf nicht vernachlässigt werden, dass der Kauf und Konsum von Lebensmitteln sehr durch Gewohnheiten geprägt ist und daher eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten in den meisten Fällen schwer zu erreichen ist. Kennzeichnungen allein können eine nachhaltige Transformation des Sektors vermutlich nicht erzielen. Es bedarf weiterer, insbesondere politischer Unterstützung, um eine Transformation auf allen Ebenen des Sektors zu erzielen.

Anzustreben ist daher ein Mix aus verschiedenen Maßnahmen wie beispielsweise Nudging, Kennzeichnung, spezifischen Abgaben wie bspw. eine Zucker- oder Tierwohlabgabe/-steuer. Zudem muss das Angebot an umwelt- und tierwohlgerechten Produkten ausgeweitet werden. Diese Produkte müssen darüber hinaus für VerbraucherInnen leicht verfügbar und zugänglich sein. Die Transformation des Sektors allein den VerbraucherInnen ohne marktpolitische Steuerung zu überlassen, wird voraussichtlich wenig von Erfolg geprägt sein.

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