Schwarzer Schwan

Poppers kritischer Rationalismus und seine Bedeutung für die Transformation

Prof. Dr.-Ing. Rüdiger DeikeUniversität Duisburg-Essen

Der kritische Rationalismus ist heute wichtiger denn je. Denn nach Popper gestalten wir unsere aktuelle sowie zukünftige Wirklichkeit, indem wir versuchen, Probleme dadurch zu lösen, dass wir mit Hilfe der Erkenntnis nach „objektiv wahren, erklärenden Theorien“ [1] suchen. Dies sollte – auf der Basis von Fakten – die ureigenste Aufgabe der Wissenschaft sein.  Dabei kann angenommen werden, dass „eine Theorie oder ein Satz wahr ist, wenn der von der Theorie beschriebene Sachverhalt mit der Wirklichkeit übereinstimmt.“ 

Erkenntnis ist nach Popper Wahrheitssuche, wobei aber zu akzeptieren ist, dass „menschliche Erkenntnis fehlbar und damit ungewiss ist“.  Somit darf seiner Meinung nach aus der Tatsache, dass alle Schwäne, die wir bisher gesehen haben, weiß waren, nicht geschlossen werden, dass alle Schwäne weiß sind.

Wenn wir akzeptieren, dass wir uns irren können, dann müssen wir auf der Suche nach der Wahrheit, die insbesondere für die Lösungen zukünftiger Probleme (z.B. Energieversorgung, nachhaltige grüne Transformation, Digitalisierung, Mobilität der Zukunft ) wichtig ist, in unseren Theorien nach Fehlern suchen.

Denn diese Suche ist von existenzieller Bedeutung für die Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen in unserer Gesellschaft.

Prof. Dr. Rüdiger Deike

Wir können nicht entscheiden, ob unsere Theorien richtig sind, da wir ja die Wahrheit nicht kennen. So lange wir aber in unseren Theorien keine Fehler finden, können wir annehmen, dass sie richtig sind, wohlwissend, dass es nur „Vermutungswissen“ ist.

Der Glaube an den Besitz der Wahrheit

Wird die heutige gesellschaftliche Diskussion zu den aktuell wichtigen Themen mit etwas Abstand betrachtet, dann ergibt sich aber eher der Eindruck, dass es nicht wenige Menschen, Gruppen und Institutionen gibt, die glauben, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein. Für sie scheint die Tatsache, dass man sich irren kann, nahezu unvorstellbar zu sein.

Damit befinden wir uns, extrem verstärkt durch die umfassende und schnelle Kommunikation und audiovisuelle Berichterstattung in den modernen Medien, in einer Gefahr, die für die Menschheit nicht neu und von Seneca [2] schon vor 2.000 Jahren wie folgt beschrieben worden ist: „Und doch verwickelt uns nichts in größeres Unheil, als dass wir uns nach dem Gerede der Menge richten, in dem Wahn, das sei das Beste was sich allgemeinen Beifalls erfreut.“

Wenn wir uns überwiegend an dem orientieren, was sich des allgemeinen Beifalls erfreut und wir nicht wirklich bereit sind, Fehler in unseren Theorien zu suchen – um diese dann korrigieren zu können – kann das katastrophale Folgen für Gesellschaften haben. Dies hat die Geschichte der letzten fünfzig Jahre in Europa gezeigt, ebenso die sehr unterschiedlichen Arten der Pandemiebekämpfung in der Welt.

Dabei wird nicht verstanden, dass das Finden von Fehlern hier eine positive Tatsache ist, da wir auf diese Weise der Wahrheit und der wirklichen Lösung von Problemen ein Stück näherkommen.

Prof. Dr. Rüdiger Deike

Suche nach der Wahrheit, um Emissionen zu reduzieren

In diesem Sinne ist die Erkenntnis von Riemer und Eckstein auf diesem Blog, dass Wasserstoff zukünftig ein relevanter Energieträger, aber in seiner Anwendung unter Umständen doch möglicherweise begrenzt sein wird, ein wichtiger Schritt auf der Suche nach der Wahrheit. Unser gemeinsames gesellschaftliches Ziel ist es, in der Zukunft den Verbrauch von fossilen Brennstoffen und die Emissionen von CO2 in die Atmosphäre durch eine stärkere Nutzung erneuerbarer Energien – die es in unbegrenzter Menge gibt – zu reduzieren.

Zur Erreichung dieses Ziels gehört aber nach Schlögl [4] auch die Erkenntnis, dass erneuerbare Energien zukünftig in großen, relativ konstanten Mengen auf der Welt in Gegenden erzeugt werden, in denen sie in diesen Mengen aber kurz und mittelfristig nicht genutzt werden können.  Somit wird der Transport gigantischer Energiemengen [4], mit denen Volkswirtschaften versorgt werden müssen, die wichtigste Aufgabe einer nachhaltigen grünen Transformation sein. 

Aufgrund ihrer hohen Energiedichte werden Kohlenwasserstoffverbindungen dabei weiterhin unverzichtbar sein und können in „solaren Raffinerien“ [4] aus Wasserstoff und CO2 – das aus Verbrennungsprozessen abgeschieden und gesammelt worden ist – hergestellt werden. Durch diese Art der Nutzung des CO2 besteht theoretisch die Möglichkeit, es im Kreislauf zu halten und nicht in die Atmosphäre emittieren zu müssen.

Zielkonflikte in einer positiven Fehlerkultur betrachten

Für die Diskussion der wichtigen gesellschaftlichen Themen sind die Gedanken von Popper von aller größter Relevanz. Wir sollten Diskussionen so führen, dass bei der Definition von Zielen bestehende Zielkonflikte klar genannt werden und die Tatsache berücksichtigt wird, dass wir uns irren können. Es ist wichtig, dass gefundene und korrigierte Fehler in unseren Theorien nicht als negativ betrachtet werden. Im Gegenteil: Sie bringen uns der Wahrheit ein Stück näher.  

Sind wir nicht bereit, Fehler zu suchen und diese zu korrigieren, können unsere Theorien unter Umständen nicht wahr sein. Sie werden nicht die Wirklichkeit beschreiben können, sodass Enttäuschung und Vertrauensverlust entstehen, die das Handeln einer Regierung erschweren und im Extremfall unmöglich machen – wie es die Geschichte an einer Vielzahl von Beispielen zeigt.

Literatur

[1] Popper, K.R.: Auf der Suche nach einer besseren Welt, Piper Verlag GmbH, München, 1984

[2] Seneca: Vom glücklichen Leben, Nikol Verlagsgesellschaft mbH&Co. KG, Hamburg, 2015

[3] Riemer, M; Eckstein, J.: Welche Rolle spielt Wasserstoff als Energieträger im globalen Energiesystem?, Dezember 2022

[4] Schlögl, R.: Energiewende 2.0, Angew. Chemie, Vol. 127, S.4512-4516, 2015. DOI: 10.1002/ange.201405876

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Welche Rolle spielt Wasserstoff als Energieträger im globalen Energiesystem? von Dr. Johnanes Eckstein und Martia Riemer, Fraunhofer ISI

Die Grenzen sind zurück von Prof. Dr. Michel Roos, RUB

5-Punkte-Plan für mehr Tempo bei der Transformation von Prof. Dr. Manfred Fischedick, Wuppertal Institut



Kommentare

  1. / von Transforming Economies | Eine neue Sprache finden: Warum wir anders über das Klima reden müssen - Transforming Economies

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