Green Tech made in Germany: Wie zukunftsfit sind wir?
Der Klimawandel erfordert einen grundlegenden Umbau unserer Wirtschaft, vor allem in den Bereichen Industrie, Energie und Verkehr. Diese Transformation kann aufgrund des hohen Zeitdrucks nicht ohne eine beschleunigte technologische Entwicklung und Innovationen gelingen. Hierfür braucht man Technologien, die derzeit noch in der Demonstrations- oder Prototypenphase sind.
Beispielsweise sind für das Erreichen der Klimaziele zunehmend auch Negativemissionen (z.B. durch Kohlendioxidfilter, -abscheidung und -bindung) notwendig. Kurzum: Die Entwicklung und Diffusion von Innovationen im Green-Tech-Bereich sind entscheidend. Für den Standortwettbewerb und im Kampf gegen den Klimawandel.
Deutschland im Rennen um Zukunftstechnologien
Eine neue Studie der beiden Projekte „Innovations- und Gründungsdynamik stärken“ sowie „Nachhaltig Wirtschaften“ der Bertelsmann Stiftung analysiert deshalb die wichtigsten globalen Trends in den bedeutsamsten grünen Technologien.
Ziel war es, jene Länder zu identifizieren, die über die besten technologischen Grundlagen verfügen, um z.B. effizientere Photovoltaikzellen, bessere Brennstoffzellen, neue Batterierecycling-Methoden oder marktreife Carbon Capture- bzw. Storage-Anlagen zu entwickeln. Ein besonderer Fokus lag dabei auf der Position Deutschlands im internationalen Wettbewerb um die „Zukunftstechnologien“.
„Weltklassepatente“: Qualität & Quantität
Grundlage der Technologieanalyse ist die Auswertung von Patentdaten. Patente sind ein wichtiger Erfolgsausweis von Forschung und Entwicklung. Das Patentportfolio einer Volkswirtschaft bzw. ihrer Unternehmen und Forschungseinrichtungen bildet eine wichtige Grundlage für ihre Innovations- und damit auch Zukunftsfähigkeit.
Die Studie bricht dabei in dreifacher Hinsicht mit dem üblichen Ansatz:
- Erstens berücksichtigt sie die enormen Unterschiede in der Qualität von Patenten und den Standards der Patentdefinitionen, indem sie sich nur auf die zehn Prozent der wichtigsten Patente konzentriert – und unter dem Stichwort „Weltklassepatente“ subsummiert. Diese zehn Prozent besten Patente werden anhand von Zitationen bei Patentanmeldungen und hinsichtlich Marktabdeckung ermittelt.
- Zweitens beschränkt sie sich auf die 60 wichtigsten Zukunftstechnologien.
- Drittens zählt sie nicht nur die Patentanmeldungen, sondern bewertet das aktive Patentportfolio zu einem bestimmten Zeitpunkt – und macht so eine aussagekräftige Momentaufnahme der aktiven Patente, anstatt nur die Neuanmeldungen zu zählen.
Technologie-Wettlauf nimmt Fahrt auf: USA vorn, China holt auf
Die Forschungsaktivitäten in grünen Technologien haben weltweit in den letzten Jahren stark zugenommen. Global hat sich die Zahl der Weltklassepatente im Bereich der grünen Technologien zwischen 2010 und 2022 mehr als verdreifacht.
Der Wandel hin zur Elektromobilität, aber auch die zunehmende Vernetzung von Produktionsprozessen gelten als zwei der wesentlichen Treiber, Forschungsaktivitäten im Green-Tech-Bereich patentieren zu lassen.
Im weltweiten Vergleich sind die USA immer noch der führende Spitzenforschungsstandort in grünen Technologien. Jedes dritte weltweit entwickelte Weltklassepatent stammt aus den USA. Vor allem in den Kategorien „neue Mobilität“, „energieeffiziente Systeme“ oder „Klimawandelanpassungsstechnologien“.
Der weltweit stärkste Wachstumsmotor ist in diesem Kontext aber China. Allein in den letzten fünf Jahren konnte das die Volksrepublik Chinaihren Anteil an den bedeutsamsten globalen Patenten im Bereich Green-Tech verdreifachen und belegt somit den zweiten Platz in unserer Analyse. Europa und Deutschland fallen derweil langsam, aber stetig in der Reihenfolge zurück.
Wo steht Deutschland?
Zwar ist die Zahl der Weltklassepatente aus Deutschland in den meisten grünen Technologien in den letzten Jahren teils deutlich gestiegen. Mit der internationalen Dynamik konnte der deutsche Forschungsstandort jedoch nicht mithalten.
Seit 2017 ist Deutschlands Weltanteil in allen zehn untersuchten grünen Oberkategorien gesunken (Kugeln liegen links der Y-Achse).
Auch wenn – aufgrund der rasanten Aufholjagd Chinas – in fast allen Industriestaaten ein ähnliches Muster zu beobachten ist, fiel das deutsche Wachstum bei den Weltklassepatenten etwas niedriger aus als in den USA, Japan sowie in den meisten EU-Ländern.
Nichtsdestotrotz ist und bleibt Deutschland der wichtigste Forschungsstandort innerhalb der EU. Es ist das einzige europäische Land, das in Bezug auf die Patentzahlen mit den weltweit wichtigsten Forschungsländern konkurrieren kann.
Knapp 7 Prozent aller grünen Weltklassepatente wurden von deutschen Forscher:innen entwickelt und angemeldet.
Daniel Posch
Kein Trend zur Verlagerung: Unsere Daten zeigen, dass es – über alle Unternehmen hinweg betrachtet – seit 2010 keinen Trend zur Verlagerung von Forschungsaktivitäten ins Ausland gegeben hat. Wenn, dann wurden Verlagerungen durch neue Aktivitäten im Inland mehr als kompensiert. Mit Blick auf den Green-Tech-Bereich gibt es alsi keinen Grund für einen Abgesang auf den deutschen Forschungsstandort.
US-Spitzenforschung in Deutschland: Vor allem US-Unternehmen betreiben grüne Spitzenforschung in Deutschland. Knapp ein Fünftel aller in Deutschland entwickelten grünen Weltklassepatente stammen von US-Unternehmen.
Deutsche Betriebe u.a. stark bei Windenergie: Aber auch deutsche Unternehmen haben einiges zu bieten. Vor allem in den Bereichen Windenergie, Elektromotoren oder Additive Fertigung. Wer Interesse an einer detaillierten Stärken-Schwächen-Analyse des deutschen Technologieprofils im Green-Tech-Bereich hat, sollte einen genaueren Blick auf die Studie werfen.
Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:
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