Energiewende à la française: Herausforderungen und Strategien

Bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen befindet sich Frankreich derzeit auf seinem Zielpfad. Die Emissionen sind bereits geringer als in Deutschland. Auch der Ausbau von Wärmepumpen geht in Frankreich schneller voran. Aktuell ist die Energiepolitik aber im Umbruch – und steht vor ähnlichen Herausforderungen wie Deutschland.

Emissionen: Stand der Dinge in Frankreich

Ähnlich wie in Deutschland sinken auch in Frankreich die Treibhausgasemissionen bereits seit Jahren. Ersten Schätzungen zufolge hat sich dies auch im Jahr 2023 fortgesetzt, mit einem Rückgang um fast fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Dabei sind die Treibhausgasemissionen nicht nur absolut, sondern auch bezogen auf die Bevölkerung deutlich geringer als in Deutschland: Im Jahr 2023 hat Frankreich knapp sechs Tonnen CO2-Äquivalent pro Person emittiert, in Deutschland waren es ungefähr acht Tonnen.

Verkehrssektor hat die höchsten Emissionen

Somit dürfte Frankreich sein für den Zeitraum 2019-2023 festgelegtes Emissionsbudget  einhalten. Dies gilt nicht nur für die Gesamtemissionen, sondern auch für die indikativen Budgets in jedem einzelnen Sektor, mit Ausnahme des Industriesektors.

Allerdings dürfte der Verkehrssektor sein Budget für die Jahre 2019-2023 nur deshalb einhalten, weil die Emissionen im Jahr 2020 im Zuge der Pandemie stark zurückgegangen sind. Die umgesetzten Maßnahmen hätten ansonsten nicht ausgereicht, um die erforderliche Emissionsreduktion im Verkehrssektor zu gewährleisten, der der größte Emittent von Treibhausgasen in Frankreich ist.

Ausgeprägter Emissionsrückgang im Gebäudesektor

Der Energiesektor weist aufgrund der Dominanz der Kernenergie im Strommix bereits seit langem vergleichsweise geringe Treibhausgasemissionen auf. Im Gebäudesektor war der Emissionsrückgang im Zeitraum 2019-2023 besonders ausgeprägt. Hier wirkte sich ein hoher Anteil elektrischer Heizungen positiv aus.

Frankreichs Strategie zur Reduzierung der Emissionen im Gebäudesektor beruht auf der weiteren Elektrifizierung von Heizungen und dem Verbot von Technologien mit besonders hohem Schadstoffausstoß. Zudem soll der Energieverbrauch durch Gebäudedämmung sinken.

Seit Januar 2023 ist die Neuvermietung von Wohnungen in Bestandsgebäuden nur noch oberhalb eines bestimmten Energieeffizienzniveaus möglich. Darüber hinaus ist der Einbau von Heizungen, die mehr als 300 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde ausstoßen, seit 2022 verboten, was de facto ein Verbot des Einbaus neuer Ölheizkessel bedeutet. Der Einbau von Erdgasheizungen ist in neuen Einfamilienhäusern ebenfalls verboten, im Gebäudebestand bleibt er allerdings möglich.

Anteil erneuerbarer Energien zu gering

Während die Treibhausgasemissionen in Frankreich weiter zurückgehen, werden andere energiepolitische Ziele verfehlt, insbesondere die auf europäischer Ebene vereinbarten Ziele zum Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch.

Frankreich ist das einzige Land der Europäischen Union, das sein Erneuerbaren-Ziel im Jahr 2020 nicht erreicht hat. Statt der geforderten 23 Prozent haben die erneuerbaren Energien damals nur rund 19 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs ausgemacht, im Jahr 2022 knapp 21 Prozent. Im Jahr 2030 sollen es mindestens 33 Prozent sein.

Die am stärksten genutzten erneuerbaren Energien sind bereits seit vielen Jahren die Biomasse und die Wasserkraft, hinzu kam zuletzt ein deutliches Wachstum bei den Wärmepumpen. Auch die Beiträge der Windkraft und der Photovoltaik sind zuletzt gestiegen; ihr Anteil am Bruttoendenergieverbrauch war jedoch noch sehr gering.

Unterschiedlicher Strom-Mix in Frankreich und Deutschland

Im Stromsektor dominiert in Frankreich die Atomkraft. Im Jahr 2023 machte sie fast zwei Drittel der Stromerzeugung Frankreichs aus, gefolgt von der Wasserkraft mit 12 Prozent. Insgesamt lag der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bei 18 Prozent.

Kohle- und Gaskraftwerke machten nur knapp 7 Prozent der Stromerzeugung aus. In Deutschland wurde im Jahr 2023 dagegen bereits über die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt. Dafür war der Anteil der Stromerzeugung aus Kohle- und Gaskraftwerken mit gemeinsam knapp 42 Prozent viel höher.

Frankreich hält an Kernenergie fest

Im Jahr 2015 trat in Frankeich ein Gesetz in Kraft, nach dem der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung bis 2025 auf 50 Prozent reduziert werden sollte. Nach einer ersten Gesetzesänderung, die diese Frist auf 2035 verschob, wurde das Ziel im Juni 2023 schließlich ganz gestrichen.

Gleichzeitig wurde auch die Obergrenze für die installierte Leistung von Kernkraftwerken von 63,2 GW abgeschafft. In den Planungen der aktuellen französischen Regierung wird die Kernenergie demnach dauerhaft als wichtige Säule der „Energiewende à la française“ dargestellt. Erreicht werden soll dies durch Laufzeitverlängerung der bestehenden Reaktoren sowie den Bau von neuen Reaktoren.

Ausbau von Windkraft und Solarenergie zu langsam

Frankreich hat sich auch Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzt. Demnach hätte bis Ende 2023 die installierte Leistung der Photovoltaik bei 20,1 GW liegen sollen, die der Windkraft an Land bei 24,1 GW und die der Windkraft auf See bei 2,4 GW. Keines dieser Ziele wurde erreicht.

Neben der Zielverfehlung ist vor allem bei der Windenergie an Land auch die Ausbaudynamik nicht ermutigend, sie hat sich im Jahr 2023 im Vergleich zu den Vorjahren sogar abgeschwächt. Beim aktuellen Tempo würden die Ziele für 2023 nicht vor dem ersten Quartal 2026 erreicht werden. Bei der Photovoltaik ist die Ausbaudynamik deutlich höher.

Selbst wenn das Land an der Nutzung der Atomkraft festhalten will, wäre ein ambitionierterer und schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien in Frankreich sinnvoll. Dies würde es erlauben, die Erreichung der französischen Klimaziele gegen Risiken bei der Nutzung der Atomkraft abzusichern, falls es künftig erneut zu technisch bedingten Ausfällen bestehender Kernkraftwerke oder zu Verzögerungen bei den geplanten Neubauten kommen sollte. Etwaige französische Stromüberschüsse könnten im europäischen Stromverbund von Deutschland und anderen Ländern abgenommen werden.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Energiewende in Frankreich und Deutschland

Die Ziele Frankreichs für 2023 erscheinen im Vergleich zum Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bescheiden. Zum Vergleich: Die heute installierte Leistung der Photovoltaik ist in Deutschland mehr als viermal so hoch wie das französische Ziel für 2023; bei der Windkraft an Land ist es das 2,5-fache und bei der Windkraft auf See das 3,5-fache.

Diese Diskrepanz in den Ambitionen spiegelt grundlegenden energiepolitische Unterschiede zwischen den beiden Ländern wider, was die Rolle der fluktuierenden erneuerbaren Energien und der Kernenergie betrifft. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Windkraft und Solarenergie auch in Frankreich deutlich ausgebaut werden sollen – jedoch auf deutlich niedrigerem Niveau.

Trotz der unterschiedlichen Strategien Frankreichs und Deutschlands im Stromsektor stehen beide Länder vor vielen ähnlichen energiepolitischen Herausforderungen. Beide Länder streben an, bis 2050 bzw. schon 2045 klimaneutral zu werden. Dies erfordert neben einer CO2-freien Stromerzeugung vor allem den Verzicht auf fossile Kraft- und Brennstoffe in den Sektoren Verkehr und Gebäuden. Hier setzen beide Länder stark auf die sogenannte Sektorenkopplung, also die Elektrifizierung von Mobilität und Raumwärme, wobei es erhebliche Potenziale für Kooperationen und den Austausch von Erfahrungen gibt.

In diesem Blogbeitrag skizzierten wir wesentliche Ziele und Maßnahmen der französischen Energiewende. Grundlage hierfür ist ein kürzlich erschienener DIW-Wochenbericht. Dieser enthält auch Indikatoren zu weiteren Sektoren wie Verkehr und Gebäude, eine Diskussion des gesetzlichen Rahmens der französischen Energiepolitik sowie diverse Quellenangaben. Eine begleitende Diskussion gibt es in Folge 17 des DIW-Podcasts “fossilfrei”. Laufend aktualisierte Daten und Grafiken sind online auf dem Open Energy Tracker verfügbar.

Literatur

Guéret, Adeline, and Wolf-Peter Schill. „Energiewende in Frankreich: Ausbau Erneuerbarer stockt, gute Fortschritte bei Wärmepumpen.“ DIW Wochenbericht 4 (2024): 52-61

Alexander Roth und Wolf-Peter Schill (2024): fossilfrei-Podcast Folge 17 „Energiewende à la française“

OpenEnergyTracker

Émissions de gaz à effet de serre et de polluants en France: première estimation sur l’ensemble de l’année 2023 avec le Baromètre des émissions mensuelles du Citepa, édition mars 2024“

Statistiches Bundesamt. Bevölkerung nach Nationalität und Geschlecht

Umwelt Bundesamt. „Klimaemissionen sinken 2023 um 10,1 Prozent – größter Rückgang seit 1990

INSEE, Population au 1er janvier – Données annuelles de 1990 à 2024

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Energiewende in Europa: Wasserstoff- und Stromnetze kombinieren von Dr. Fabian Neumann, Technische Universität Berlin

Megatrend-Report: „Wir müssen konsequent europäisch denken“ mit Prof. Dr. Daniela Schwarzer, Bertelsmann Stiftung

Upgrade Europa: Mit dem European Green Deal und Innovationen die Welt retten von Daniel Sahl-Corts, Capgemini



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