Wie wir die Transformation voranbringen können: Ideen aus kleinen und mittleren Unternehmen
In unserer Unternehmensserie auf dem Blog sprechen wir regelmäßig mit kleinen und mittleren Betrieben über das Thema nachhaltige Innovationen – und darüber, welche staatlichen Rahmenbedingungen es bräuchte, damit die Transformation in Deutschland durchstartet.
Mittlerweile sind über 20 Interviews auf transforming economies erschienen. Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen: Welche Probleme sehen Betriebe für die deutsche Wirtschaft, Politik und Gesellschaft auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit? Und welche Lösungen schlagen sie selbst vor?
Hürden für nachhaltige Betriebe – und mögliche Lösungen
Es dürfte wenig verwundern, dass die deutsche Bürokratie als eines der Haupthemmnisse für den Unternehmensalltag empfunden wird. Während sie im Übermaß vorhanden ist, gibt es laut den Interviewpartner:innen zu wenig politische Verbindlichkeit und zu wenig öffentliche Nachfrage nach nachhaltigen Innovationen. Auch ungleiche Wettbewerbsbedingungen machen nachhaltigen Start-ups und KMU das Unternehmensleben schwer.
Ungleicher Wettbewerb für nachhaltige Betriebe
Ungleiche Wettbewerbsbedingungen werden häufig von den befragten Betrieben als Hemmnis genannt. Viele Interviewpartner:innen kritisieren eine Wettbewerbsverzerrung zwischen nachhaltigen und konventionellen Angeboten. „Nachhaltigkeit darf kein Luxusartikel sein, während die nicht-nachhaltige Alternativen billig bleiben“, meint beispielsweise Peter Sänger von Green City Solution.
Viele Unternehmen sehen dabei nicht nur die Politik in der Pflicht, sondern auch einen notwendigen Wandel im Mindset der gesamten Gesellschaft. Nachhaltigkeit muss als Normalität verstanden werden – nicht als Ausnahme, so eine häufig geteilte Sichtweise.
Mögliche Lösungen
Verursacherprinzip anwenden: „Es wäre nötig, dass die Politik wertorientiertes Handeln belohnt, damit die Betriebe wettbewerbsfähiger werden können“, schlägt Anna Yona vom Schuhproduzenten Wildling vor. Mögliche Maßnahmen hierfür wären Steuererleichterungen für wertorientierte Betriebe – oder ein konsequentes Besteuern und Bepreisen von CO2.
„Umweltkosten müssen stärker ihren Verursachern zugeordnet werden“, fordert auch Florian Meyer-Delpho von der Installion GmbH. „Töte ich eine Wespe, kann ich dafür belangt werden.“ Zerstören Konzerne komplette Habitate, wird das nicht bepreist. „So etwas fördert Ungleichheit.“ Hier sei die Politik gefragt, diese Ungleichheiten zu ändern.
Klimaschädliche Subventionen streichen: Diverse Unternehmen betonen die Relevanz dieser Maßnahme. Erneuerbare Energien sollten im Vergleich zu fossilen Quellen dagegen deutlich preiswerter werden, was durch Steuern und Abgaben gelenkt werden könnte.
Lobbyismus begrenzen: Der negative Einfluss von Lobbyarbeit und Greenwashing wird von mehreren Betrieben als Hindernis dafür gesehen, dass Reformen umgesetzt werden.
Bürokratie bei Förderungen und Gründungen
Viele Betriebe betonen, dass sie die Förderlandschaft in Deutschland grundsätzlich als positiv wahrnehmen. Allerdings kosten komplexe Verfahren und Anträge viele Ressourcen. „Natürlich geht es gerade bei Förderanträgen um Steuergelder, deren Verwendung geprüft werden muss. Das ist gut so. Aber die Vorgehensweise ist teilweise absurd“, bemängelt beispielsweise Dominik Campanella vom Bauunternehmen Concular.
Von vielen Start-ups werden die Gründungsverfahren ebenfalls als kompliziert bewertet. Tim Becker von Vytal, das Mehrweg-Systeme für Takeaway-Gerichte anbietet, beschreibt den Prozess sogar als „nahezu schmerzhaft“. Allerdings schneidet Deutschland hier nicht nur schlecht ab.
Anna Yona von Wildling hat bereits zwei Start-ups aus der Taufe gehoben – das erste in der Gründungs-Hochburg Israel. Yona erläuterte überraschend: „Dort war der Prozess wesentlich schwieriger. Deshalb war ich sehr begeistert davon, wie viel Unterstützung man als Start-up in Deutschland erhalten kann.“
Forderungen und Lösungen aus den Betrieben
Förderlandschaft übersichtlicher gestalten: Um Förderungen zu erhalten, müssen Unternehmen nicht nur Kapazitäten für die Beantragung, Durchführung und das Reporting freihalten – sie müssen auch wissen, dass und welche Förderungen es gibt. Die Unübersichtlichkeit der Förderlandschaft wird in den Interviews häufig kritisiert.
Unsinnige Anforderungen streichen: Gunnar Mühlstädt vom Start-up Puevit regt an, unsinnige Anforderungen in Förderanträgen zu überdenken. Beispielsweise würden Prognosen zur Geschäftsentwicklung verlangt – und zwar für Zeiträume von bis zu fünf Jahren. „Offen gesagt ist das doch das Papier nicht wert. Als Start-up kann man ja nicht einmal eine realistische Einschätzung dazu abgeben, ob man in fünf Jahren noch existiert.“
Ein ähnliches Beispiel nennt auch Dominik Campanella von Concular. „Wenn ich eine Förderung von der EU erhalte, dann kommt es dabei auf das Resultat an.“ Anders in Deutschland: „Da ist es egal, ob ein Projekt scheitert oder nicht. Hier kommt es bei Förderungen darauf an, dass die Stundenzettel der Mitarbeitenden korrekt ausgefüllt sind.“
Digitaler Gründen: Becker von Vytal fehlt vor allem eine Digitalisierung des Gründungsprozesses. „In Estland beispielsweise kann man komplett digital gründen. In Großbritannien haben wir ein Tochterunternehmen ins Leben gerufen, auch das war viel einfacher und digitaler.“ Mehrere Gründer:innen betonen auch, dass das Verfahren in Deutschland lange Wartezeiten in Anspruch genommen hat.
Unterstützung bei Bürgschaften: Christoph Pitter von der Protein Distillery schlägt vor, dass der Staat innovative Unternehmen bei Bürgschaften unterstützen sollte. Sein Food Tech-Unternehmen ist auf kostspielige Hardware angewiesen. „Und im Hardware-Bereich ist es sehr schwierig, Investoren zu finden.“
Fehlende öffentliche Nachfrage
Einige Betriebe kritisieren, dass der Staat zu selten als Marktakteur mit gutem Beispiel voran geht – dabei könnte er durch seine Beschaffung gezielt nachhaltige Standards setzen. Allerdings: „Der Nachhaltigkeitsaspekt spielt in den Ausschreibungen von öffentlichen Auftraggebern kaum eine Rolle“, meint Karla Aßmann vom KMU Assmann Büromöbel.
Auch Start-ups merken an, dass sie als Anbieter in den Vergabeverfahren kaum berücksichtigt werden. Auch Emanuel Heisenberg vom Sanierungsunternehmen ecoworks hat diese Erfahrung gemacht. Er vermutet, dass den Verwaltungen der Mut fehlt, sich auf neue Player einzulassen. „Man versteckt sich hinter Vergaberichtlinien, bei denen bestimmte Umsätze und Bilanzgröße erwartet werden – obwohl eine Vergabe an uns dennoch möglich und gedeckt wäre.“
Mögliche Lösungen aus den Betrieben
Deutsche Anbieter bevorzugen: Hannah Helmke von dem Software-Unternehmen right wünschte sich im Gespräch, dass der Staat deutsche Betriebe bevorzugen würde, statt auf Lösungen von ausländischen Anbietern zurückgreifen. „Ihre Leistung kann mit unserer zwar nicht Schritt halten, aber sie sind als Dienstleister größer und bekannter.“
Anpassung der Vergaberichtlinien: „Bislang ist der ausschlaggebende Faktor immer noch der Preis“, sagt Karla Aßmann vom KMU Assmann Büromöbel. Sie schlägt vor, dass bei Ausschreibungen stattdessen Nachhaltigkeitsaspekte einen sehr hohen Anteil des Punktesystems einnehmen sollten. „Wir betreiben Nachhaltigkeitsmanagement aus Überzeugung. Dennoch würden wir uns wünschen, dass diese Bemühungen anerkannt werden.“
Mehr Wertschätzung: Womöglich fehlt hierzulande auch die Wertschätzung für Betriebe, die sich um Nachhaltigkeit bemühen. „Obwohl wir erfolgreich sind, haben wir oftmals nicht den Eindruck, dass wir von der Politik gesehen und wahrgenommen werden“, sagt Hannah Helmke von right. „Da schielen wir manchmal neidisch nach Frankreich, wo eine öffentliche Wertschätzung für Entrepreneure viel üblicher ist.“
Fehlender politischer Plan
Vielen der Betriebe fehlen politische Verbindlichkeit und eine langfristige Perspektive. Die „Wechselhaftigkeit“ ist das größte Problem, meint auch Andreas Müller. Er ist Geschäftsführer der mittelständischen Alois Müller GmbH, die sich auf Energie- und Gebäudetechnik spezialisiert hat. „Es fehlt ein klarer Transformationsplan, schon seit dem Atomausstieg.“
Mögliche Lösungen
Über die Wahlperiode hinaus denken: Auch Emanuel Heisenberg von ecoworks fehlen regulatorische Beständigkeit und Zuversicht. „Beides brauchen wir, sonst laufen uns die Investoren endgültig weg.“ Er sieht die Hintergründe in der fehlenden Disziplin in der Politik, die langfristigen Themen zu verhandeln. „Und zwar ernsthaft und zukunftsorientiert, nicht als parteiinterner Kuhhandel.“
Ähnlich äußert sich auch René Bretschneider vom Heizungsinstallateur Thermondo. „Es wäre sicherlich auch hilfreich, über den einzelnen Wahlzyklus hinauszudenken. Denn wir sprechen hier über große Investitionen, beispielsweise in Infrastruktur.“
Andere Narrative: Bretschneider von Thermondo regt zudem eine Versachlichung des Diskurses an. Verbrauchende würden teils unnötig verunsichert. „Ich würde mir wünschen, dass wir vermehrt auf Faktenbasis miteinander diskutieren, auch politisch.“ Auch andere Narrative könnten hier helfen. „Wir sollten uns die Frage stellen, wie wir uns als Gesellschaft insgesamt unsere Zukunft vorstellen. Dann kann es neue Impulse geben.“
Das sieht Peter Sänger von Green City Solutions ähnlich. Er regt an, Erfolgsstorys von nachhaltigen Unternehmen größer zu erzählen. „Ich denke, dass es mehr Vorbilder geben muss. Die zeigen, dass es sich lohnt, nachhaltige und soziale Aspekte mitzudenken.“
Anpacken: Und: Wir müssen ins Machen kommen – auch, wenn vielleicht nicht alles direkt perfekt läuft. „Natürlich brauchen wir gute Gesetze“, sagt Florian Meyer-DelphoI von der Installion GmbH. „Aber vor allem brauchen wir überhaupt Gesetze, die in diese Richtung gehen.“
Fazit
In der Unternehmensserie zeigt sich deutlich, wo Start-ups und KMU an Grenzen stoßen: Förderungen sind oft zu kompliziert, der Wettbewerb bevorzugt noch immer klimaschädliche Modelle, öffentliche Vergaben setzen selten Nachhaltigkeit an die erste Stelle, politische Vorgaben ändern sich zu häufig.
Aber: Es gibt Lösungen. An Ideen aus der Wirtschaft fehlt es zumindest nicht: Förderprogramme vereinfachen, Umweltkosten konsequent einpreisen, Nachhaltigkeit bei Ausschreibungen stärker gewichten und politische Ziele langfristiger anlegen.
Die Richtung ist klar. Damit die Transformation tatsächlich gelingt, braucht es nun vor allem eins: Konsequenz in der Umsetzung.
Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:
Öffentliche Beschaffung: Warum der Staat kein Vorbild für nachhaltige Entwicklung ist von Prof. Dr. Michael Eßig, Universität der Bundeswehr München und Marc Wolinda, Bertelsmann Stiftung
Deutschland im grünen Standortwettbewerb von Dr. Marcus Wortmann, Bertelsmann Stiftung
Eine neue Sprache finden: Warum wir anders über das Klima reden müssen von Bálint Forgács, Freie Universität Berlin

Kommentar verfassen