Was verzögert den Ausbau der Windenergie?

Prof. Dr.-Ing. Carsten FichterHochschule Bremerhaven
Dr.-Ing. Sandra Peters-ErjawetzHochschule Bremerhaven

Windenergie ist ein wichtiger Baustein für das Erreichen der Klimaneutralität in Deutschland. Doch der Ausbau gerät ins Stocken. Bestimmte Merkmale, wie eine enge Bebauung, Flughäfen oder Naturschutzgebiete, haben einen Einfluss auf die Nutzbarkeit von Flächen für die Windenergie. Das ist hinlänglich bekannt. Doch wie groß sind diese Auswirkungen auf die Genehmigung neuer Windparks wirklich?

Diesem Aspekt haben wir uns in einer Befragung gewidmet, die wir 60 Expert:innen aus verschiedenen Bereichen der Windenergiebranche gestellt haben. Zu den Befragten zählten unter anderem Kommunen, Kanzleien, Versicherungen, Forschende, Naturschutzverbände und Unternehmen.

Welche Merkmale besonders relevant sind

Wir haben zunächst mittels Literaturrecherche relevante Merkmale bei der Flächenausweisung für die Windenergie ermittelt. Diese haben wir dann von Expert:innen gewichten und hinsichtlich ihrer Relevanz bewerten lassen.

Unsere zentrale Frage: Welchen Einfluss hat das Merkmal XY auf die Eignung einer Fläche für Windenergie auf einer Skala von 1 bis 5? Ist dieser Einfluss positiv oder negativ? Die Gewichtung erfolgte unter der Voraussetzung, dass alle gesetzlichen Vorgaben, beispielsweise Abstandsregelungen, eingehalten werden und ausreichendes Windpotenzial vorhanden ist.

Die Expert:innen schätzen vor allem die örtlichen Siedlungsstrukturen, den Arten- sowie Natur-und Landschaftsschutz als besonders relevante Kriterien für den Erfolg von Genehmigungsverfahren ein. Die hohe Bedeutung lässt sich durch die verhältnismäßig hohe Anzahl an Klagen aus der Bevölkerung erklären. Selbst wenn Klagen ungerechtfertigt sind, können sie den Genehmigungsprozess verzögern. Denn gerichtliche Prüfungen, Gutachten, Expertisen und Berufungsmöglichkeiten können sich zeitaufwändig gestalten.

Auswirkungen der Luftfahrt nicht eindeutig

Nicht so eindeutig ist die Einschätzung der Expert:innen bei den Auswirkungen der Luftfahrt. Hier kommt es auf den Einzelfall an. Grundsätzlich gibt es eindeutige planungsrechtliche Vorgaben und Abstandsregelungen, die sicherstellen, dass Windenergieanlagen keine negativen Auswirkungen auf den Luftverkehr haben. Außerdem gibt es eine gute Zusammenarbeit zwischen den Betreibern von Windenergieanlagen und Flughäfen und Luftfahrtbehörden. Dadurch würden Konflikte frühzeitig erkannt und gemeinsam gelöst.

Anders sieht es in Bezug auf den Luftverkehr im militärischen Bereich aus. Er geht oftmals mit Geheimhaltungen einher. Das kann für die Betreiber:innen von Windenergieanlagen zu unliebsamen Überraschungen führen, im schlimmsten Fall bis zum Genehmigungsstopp.

Wirtschaftlichkeit als übergeordnetes Ziel

Das mit Abstand am häufigsten genannte übergeordnete Ziel ist die Wirtschaftlichkeit – über den gesamten Betrachtungsweg von der Flächenausweisung und Anlagenplanung bis hin zur Umsetzung und dem Betrieb.

Aus Sicht der Planer:innen und Projektierer:innen sollten möglichst große Windpark-Projekte entstehen, die einen laufenden Cashflow und hohe Renditen gewährleisten. Hierbei werden einige Parameter als besonders bedeutsam betrachtet: die Vermeidung von finanziellen Risiken, Stabilität der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beim Erwerb neuer Flächen, die Vermeidung von Anlagenstillständen.

Viele Unternehmen beziehen bei der Betrachtung potentieller Flächen aber auch die langfristige Betriebssicherheit der Windenergieanlagen ein. Es wird daher nicht nur die derzeitige Rechtslage abgeschätzt, sondern auch mögliche Risiken durch gesetzliche Verschärfungen, insbesondere im Bereich des Natur- und Artenschutzes.

Ergebnisse füttern Künstliche Intelligenz

Die Befragung fand im Rahmen des Verbundprojekts WindGISKI statt. Dies soll Künstlicher Intelligenz helfen, Flächen zu bewerten und die Erfolgsaussichten eines Windenergie-Projekts vorherzusagen. Die Einschätzungen der Expert:innen dienen nun als Datengrundlage. Allerdings ist dies nicht bei allen Merkmalen gleichermaßen gut umsetzbar.

Prinzipiell geeignet für eine KI-Abwendung sind Merkmale, bei denen eine Datengrundlage in Form von Zahlen oder Geodaten vorliegt. Diese lassen sich beispielsweise in die Kategorien Ja, trifft zu oder Nein, trifft nicht zu unterteilen. Dies gilt unter anderem für Naturschutzgebiete. Die KI kann erkennen, ob ein Naturschutzgebiet vorliegt oder nicht. Weitere Merkmale aus den quantitativen und kategorischen Kategorien sind zum Beispiel Siedlungsstruktur, Luftverkehr, Infrastruktur, Natur- und Landschaftsschutz, Artenschutz, Wald, Wasserschutz, Immissionsschutz sowie technische Aspekte. Sie können im KI-Modell berücksichtigt werden.

Bei „qualitativen“ Daten dagegen ist eine Aufnahme in die KI höchstwahrscheinlich nicht möglich. Dabei handelt es sich zum Beispiel um soziologische Faktoren. Diese könnten jedoch als Handlungsempfehlungen in das Projekt einfließen.

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