Mobilität: Dutzende Autos

„Vehicle-to-Grid“: Elektroautos als Speicher für erneuerbare Energien

„Die Elektromobilität hat den Übergang in den Massenmarkt geschafft!” – mit diesen Worten hat Robert Habeck Ende Juli dieses Jahres den Anfang vom Ende der staatlichen Elektroauto-Förderung angekündigt. Der grüne Wirtschafts- und Klimaschutzminister ist davon überzeugt, dass die Fahrzeuge in näherer Zukunft keine Zuschüsse mehr benötigen.

In 2023 und 2024 will die Regierung noch ein letztes Mal insgesamt 3,4 Millionen Euro an Fördergeldern zur Verfügung stellen. Danach ist wohl endgültig Schluss. Bereits im kommenden Jahr sollen insgesamt schon mehr als zwei Millionen E-Autos auf deutschen Straßen zu finden sein.

Die Elektrifizierung des Sektors Verkehr ist ein extrem wichtiger Baustein für das Erreichen der deutschen Klimaziele.

Erneuerbare Energien spielen für Elektromobilität entscheidende Rolle

Elektroautos machen in Bezug auf die Umwelt allerdings am meisten Sinn, wenn sie mit erneuerbaren Energien geladen werden. Gerade Windkraft und Photovoltaik haben seit Ausbruch des Ukrainekriegs in der öffentlichen Wahrnehmung massiv an Bedeutung gewonnen. Denn die Energieträger sind nicht nur besser für das Klima, sondern können uns auch unabhängiger von russischen Energieimporten machen.

Sogar Markus Söder, dessen CSU den Ausbau besonders von Windkraftanlagen in Bayern lange verhindert hat, ist mittlerweile ein Fan der erneuerbaren Energien. Bis 2030 will der Freistaat die Stromerzeugung aus regenerativen Energien verdoppeln.

Deutschland macht beim Ausbau der regenerativen Energien endlich ernst: Mit seinen Maßnahmen will Bundesminister Habeck das ganze Land schnellstmöglich auf erneuerbar trimmen. So soll beispielsweise der Ausbau von Photovoltaik in weniger als zehn Jahren vervielfacht werden – von aktuell 60 Gigawatt auf mehr als 215 Gigawatt in 2030.

Für das Erreichen der deutschen Klimaziele und weniger Abhängigkeit von russischem Öl und Gas muss auch die Windkraft weiter wachsen. Erreicht werden soll das durch schnellere Genehmigungsverfahren, mehr artenschutzrechtliche Ausnahmen und weniger strenge Abstandsregeln.

100-Gigawatt-Speicher schon Ende 2023?

Als Zwischenspeicher der volatilen Energieträger Wind und Sonne könnten schon bald Elektroautos dienen. Denn in jedem E-Fahrzeug ist schon heute ein Akku mit einer Kapazität von durchschnittlich 50 Kilowattstunden verbaut.

Schon im kommenden Jahr hätten wir bei den von der Bundesregierung anvisierten zwei Millionen Elektroautos also 100 Gigawattstunden zur Verfügung, um klimafreundliche Energie zwischenzuspeichern. Damit könnte man alle Einwohner Münchens mehr als zwei Wochen lang mit Strom versorgen. Das Konzept nennt sich “Vehicle-to-Grid” (V2G) und wird im Moment schon von einigen Herstellern und Forschungseinrichtungen erprobt.

Vehicle-to-Grid kann ein wichtiger Baustein für das Erreichen der Klimaziele werden, da es relativ einfach und günstig umzusetzen ist, aber dennoch eine enorme Wirkung hat. Und die Speicher sind ohnehin vorhanden, da die Zahl der Elektroautos in den kommenden Jahren massiv zunehmen wird.

© chuttersnap – unsplash.com

Großflächiges Ladenetz nötig

Auf die Performance des Akkus hat das Zwischenspeichern des Grünstroms keinen nennenswerten negativen Einfluss. Die heutigen Zellgenerationen sind nicht mehr an eine maximale Anzahl an Lade- und Entladevorgänge gebunden, so dass eine zusätzliche Verwendung des Akkus als Zwischenspeicher nicht weiter ins Gewicht fällt. Durch intelligente Steuerungssysteme wird zu jeder Zeit sichergestellt, dass die Batterie trotz Vehicle-to-Grid immer so viel Strom enthält, wie für die nächste anstehende Fahrt benötigt wird – das ist selbstverständlich.

Die Fahrzeuge müssen im Ruhezustand möglichst immer über V2G-fähige Ladepunkte mit dem Netz verbunden sein. Dafür benötigen wir ein großflächiges Ladenetz, was sich mit relativ günstigen und einfachen AC-Ladepunkten problemlos erreichen lässt.

Besonders auf die Politik kommen allerdings noch einige wichtige Aufgaben zu:

  • Die Bundesregierung sollte möglichst schnell die Hersteller verpflichten, dass sie in E-Fahrzeugen bidirektionale Onboard-Ladegeräte verbauen, damit die Autos über das AC-Ladenetz dann auch geladen werden können.
  • Auch eine passende Regulierung und Standardisierung sowie ein möglichst einfaches Vergütungssystem müssen schleunigst vorangetrieben werden. Dann lässt sich das große Potenzial von Vehicle-to-Grid auch dauerhaft heben.

Produkte sind Teil eines intelligenten Gesamtsystems

Doch auch die Technologie-Hersteller im Bereich Elektromobilität sind in der Pflicht: Denn selbst die beste Strategie für Vehicle-to-Grid macht keinen Sinn, wenn wir es denjenigen schwer machen, die die Systeme für Privatpersonen, Unternehmen und Kommunen installieren und dann auch noch in Stand halten.

Die Produkte müssen zu jeder Zeit als Teil eines intelligenten Gesamtsystems verstanden werden, was den Installationsbetrieben das Leben enorm erleichtern kann. Ist das System gut aufeinander abgestimmt, ist die Installationszeit kürzer und die Zahl der Montagen kann steigen.

Für die meisten Hersteller stehen bei der Produktentwicklung in der Regel das Design, die Funktionalität und natürlich die Sicherheit im Fokus. Die Bedürfnisse der Handwerker spielen da leider eine untergeordnete Rolle, was sich dann beispielsweise durch ungünstig sitzende Schrauben, enge Kabelführungen und komplizierte Aufbauschritte bemerkbar macht.

Eine einfache und schnelle Installation ist eine Frage der Produktentwicklung.

Das müssen Hersteller schnellstmöglich beachten. Denn nur wenn wir mit der kostbaren Ressource “Handwerker” achtsam umgehen, haben wir eine Chance, unsere Klimaziele auch tatsächlich zu erreichen.


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Wenn nicht jetzt, wann dann – wie die Energiewende gelingen kann von Dr. Berit Erlach und Dr. Cyril Stephanos, ESYS

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