Umweltbilanz und Zukunftspotenzial alternativer Antriebstechnologien bei Pkw

Prof. Dr. rer. pol. Martin WietschelFraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Im Lichte des Klimawandels wird seit einigen Jahren an alternativen Kraftstoffen und Antrieben bei Pkw gearbeitet. Die Diskussionen über die sinnvollste Lösung werden zum Teil heftig geführt, weil Klima- und Umweltaspekte, Rohstoffverfügbarkeit, heimische Arbeitsplätze und Wertschöpfung sowie Bezahlbarkeit von Mobilität in einem Spannungsfeld stehen.

Es kommt hinzu, dass alle bestehenden und alternativen Lösungen bei Pkw mit teilweise erheblichen Umweltbelastungen einhergehen und damit zu Recht die Frage gestellt wird, ob der motorisierte Individualverkehr nicht generell reduziert werden sollte und zum Beispiel der ÖPNV oder die Nutzung des Fahrrades noch stärker in den Fokus rücken sollten. Allerdings ist auch klar, dass Mobilität ein wichtiger Aspekt bei der gesellschaftlichen Teilhabe ist und auf einen gewissen Level an motorisierten Individualverkehr kaum verzichtet werden kann.

Bewertet man nun die verschiedenen Kraftstoffkonzepte und Antriebssysteme bei Pkw ganzheitlich, so lässt sich festhalten, dass ein schneller Antriebswechsel vor allem durch die batterieelektrische Mobilität in Deutschland bis 2030 und darüber hinaus erreicht werden kann. Diese Technik steht heute schon in größeren Umfang kommerziell zur Verfügung.

Eine Herausforderung besteht allerdings dabei, dass der Geschwindigkeit der Marktdurchdringung gewisse Grenzen gesetzt sind, welche unter anderem durch die Entwicklung von neuen Fahrzeugmodellen, dem Aufbau von Produktionskapazitäten und der privaten und öffentlichen Ladeinfrastruktur entstehen.

Batteriebetriebene Fahrzeuge: Die energetisch effizienteste Lösung

Batteriebetriebene Fahrzeuge (BEV) sind auch die wirtschaftlichste Lösung der aktuell zur Verfügung stehenden Minderungsoptionen und können einen relevanten Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen leisten. Über den gesamten Lebenszyklus von Herstellung über Nutzung bis zum Recycling weisen BEV zufolge schon mit dem heutigen Strommix die geringsten Treibhausgasemissionen (THG) auf.

Bei einem 2020 erworbenen Elektroauto in Deutschland halbieren sich die THG-Emissionen gegenüber einem konventionellen Benziner. Mit einem steigenden Anteil erneuerbarer Energien im Strommix wird dieser Vorteil 2030 sogar fast 60 Prozent betragen.

BEV sind energetisch gesehen weiterhin die effizienteste Lösung. Fahrzeuge mit synthetischen Kraftstoffen benötigen fünfmal so viel Strom und Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEV) zweieinhalbmal so viel Strom. Dies ist ein wichtiger Aspekt der Ressourceneffizienz. (Siehe [1] und [2].)

Herausforderungen liegen in der Batterieproduktion

Eine Herausforderung für den ökologischen Rucksack der BEV liegt in der Herstellung durch die Batterieproduktion, der die THG-Emissionen in der Herstellung gegenüber konventionellen Pkw fast verdoppelt. Schwere und hochmotorisierte Pkw mit hoher Batteriekapazität sind deshalb unter einer Klimabilanz kritischer zu sehen.

Bei der Batterieproduktion gibt es noch signifikante Minderungspotenziale. So kann der Energieverbrauch in der Batteriezellenproduktion, die alleine für 20 bis 50 Prozent der Treibhausgasemissionen während der gesamten Batterieherstellung verantwortlich ist, mit bereits bekannten Technologien und Verfahren zukünftig um bis zu 50 Prozent gesenkt werden (siehe [3]).

Zusätzlich bietet auch die Verwendung von erneuerbarem Strom bei der Batterieherstellung gute Möglichkeiten zur THG-Senkung.

Auch Recycling bietet wichtige Potenziale, die es zu heben gilt.

Da die BEV derzeit einen höheren ökologischen Rucksack in der Herstellung haben und auch bei den Anschaffungskosten höher liegen als konventionelle Pkw, ist es wichtig, dass BEV möglichst intensiv genutzt werden. Zum Beispiel bieten sich hier im Sharingbereich interessante Möglichkeiten.

Weiterhin ist auf Rebound-Effekte zu achten. Sie könnten dadurch entstehen, dass die Leute vermehrt Pkw fahren, weil sie mit einem BEV eine ökologischere Alternative besitzen.

Verlagerung von Problemen vermeiden

Im Sinne einer ganzheitlichen Umweltbewertung sollten neben der Klimabilanz die Auswirkungen in anderen Bereichen ebenfalls betrachtet werden. Eine Problemverlagerung in andere Umweltbereiche durch den Klimaschutz ist zu vermeiden.

BEV, aber auch Plug-in-Hybride (PHEV) und Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEV) sind im Vergleich zu den konventionellen Antrieben besonders kritisch beim nicht regenerativen abiotischen Ressourcenverbrauch, den Mineralien und Metallen (siehe [1]). Bei BEV und PHEV sind es Lithium und Kobalt, bei FECV die Platingruppenmetalle.

Weiterhin ist der hohe Kupfereinsatz kritisch zu sehen. Der Einsatz von Kobalt, aber auch der Einsatz von Lithium wurde in der Vergangenheit bei BEV  bereits reduziert, und hier bieten sich durch neue Zelltypen weitere Potenziale an.

© Jenny Ueberberg – unsplash.com

Die Gewinnung von Rohstoffen und die Herstellung von technischen Komponenten sind unabhängig vom Antriebssystem mit ökologischen und sozialen Risiken behaftet, beispielsweise bei der Rohölgewinnung oder der Lithiumabbau. Diesen Risiken ist unter anderem durch internationale Initiativen zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht entgegenzuwirken.

Mit einer weiteren Einführung von BEV in den Markt wird bei den Automobil- und der Zulieferindustrie ein Beschäftigungsrückgang zu erwarten sein, da unter anderem die Batteriezellproduktion hochautomatisiert ist. Allerdings entstehen in anderen Bereichen wie der Stromerzeugung oder dem Ladeinfrastrukturaufbau neue Arbeitsplätze.

PHEV können kurzfristig zur Senkung von THG-Emissionen beitragen, wenn sie einen nennenswerten Teil ihrer Fahrten elektrisch zurücklegen (mindestens 40 Prozent, siehe [2]). Dies erfordert vernünftige Batteriegrößen, die reale Reichweiten von ca. 60 bis 80 km ermöglichen.

Weiterhin müssen die Anreize so sein, dass häufig elektrisch gefahren wird, was gerade bei Dienstwägen in der Regel nicht der Fall ist. Da sie mittel- und langfristig zur Erreichung der Klimaziele auch mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden müssen, sind sie eher als Brückentechnologie zu bewerten.

Weitere Technologien

Andere Optionen, insbesondere Biogas und auch synthetische Kraftstoffe, können durch Potenzialbegrenzungen (Biogas und synthetische Kraftstoffe) und hohen Kosten (synthetische Kraftstoffe) höchstens in geringem Umfang bis 2030 zu einer Senkung der THG-Emissionen im Pkw-Verkehr beitragen. Strombasierte, synthetische Kraftstoffe sind noch gar nicht auf dem Markt, und der Aufbau der Produktionskapazitäten ist zeit -und kapitalintensiv. (Siehe [2] und [1].)

Langfristig (nach 2030) könnten noch Brennstoffzellen-Pkw eine Ergänzung zu den Batteriefahrzeugen darstellen. Hierfür müssten sie allerdings noch deutlich in den Herstellkosten, was die Brennstoffzelle sowie den Wasserstofftank betrifft, gesenkt werden.

Weiterhin sind die Erzeugungskapazitäten und Transportsysteme und die Tankstellen für Wasserstoff aufzubauen. Wegen der Umweltbilanz sollte die Erzeugung primär auf erneuerbarer Energie basieren.

Da sie deutlich mehr erneuerbare Stromkapazitäten benötigen als BEV, und Wasserstoff in größeren Mengen auch in anderen Anwendungsbereichen wie der Eisen- und Stahlindustrie oder der Grundstoffchemie benötigt wird, wird bisher davon ausgegangen, dass Wasserstoff in größerem Umfang aus Regionen mit besseren klimatischen Voraussetzungen importiert wird. Beispielsweise aus der MENA-Region oder aus Osteuropa, die auch schon mit einem Gaspipelinenetz angebunden sind, welches auf Wasserstoff umgerüstet werden kann.

Versorgungssicherheit bedenken

Der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine mit der verbundenen Energieversorgungskrise hat allerdings gezeigt, dass beim Thema Versorgungssicherheit neu nachgedacht werden muss. Inwieweit autokratische Staaten weiterhin in den Planungen bei Wasserstoffimporten eine Rolle spielen sollten, muss neu beantwortet werden.

Wenn allerdings Wasserstoff nicht über Pipelines aus nahe gelegenen Regionen nach Deutschland importiert werden kann, sondern in flüssiger Form per Schiff transportiert werden muss, zum Beispiel aus Chile oder Australien, dann steigen die Erzeugungs- und Transportkosten deutlich und der Versorgungsaufbau benötigt mehr Zeit. (Siehe [4].)

Deutschland zeigt ein starkes Wachstum bei Patent- und Markenanmeldungen im Bereich der alternativen Antriebstechnologien und ist hier im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Bei Plug-In-Hybriden sind deutsche Hersteller führend. Da sie wie oben ausgeführt eher als Brückentechnologie zu sehen sind sollte hier ein rechtzeitiges Umschwenken erfolgen. (Siehe [5])

Literatur

[1] Thielmann, A.; Wietschel, M.; Funke, S.; Grimm, A.; Hettesheimer T.; Langkau, S.; Loibl, A.; Moll, C.; Neef, C.; Plötz P.; Sievers L.; Tercero Espinoza, L.; Edler, J. (2020): Batterien für Elektroautos: Faktencheck und Handlungsbedarf – Sind Batterien für Elektroautos der Schlüssel für eine nachhaltige Mobilität der Zukunft? Policy Brief. Karlsruhe: Fraunhofer ISI.

[2] Wietschel, M.; Biemann, K.; Link, S.; Helms, H. (2022): Langfristige Umweltbilanz und Zukunftspotenzial alternativer Antriebstechnologien. Studien zum deutschen Innovationssystem, durchgeführt vom Fraunhofer ISI unter Beteiligung des Ifeu-Instituts für Energie- und Umwelttechnik. Herausgeberin: Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI)

[3] Agora (2019): Klimabilanz von Elektroautos. Einflussfaktoren und Verbesserungspotenzial. AGORA Verkehrswende, Berlin. Online hier verfügbar, zuletzt geprüft am 07.05.2019.

[4] Wietschel, M. et al. (2022): Krieg in der Ukraine: Auswirkungen auf die europäische und deutsche Importstrategie von Wasserstoff und Syntheseprodukten. Impulspapier aus dem Projektkonsortium HYPAT. Karlsruhe: Fraunhofer ISI.

[5] Sievers, L.; Grimm, A. (2022): Innovationstätigkeit des Automobilsektors – Analyse mit Fokus auf nachhaltigen Antriebstechnologien und Digitalisierung. Studien zum deutschen Innovationssystem, durchgeführt vom Fraunhofer ISI. Herausgeberin: Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI)


Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Ehrlicher Umgang mit Konflikten und Zeitkonstanten – die Herausforderungen für die Energieversorgung von Morgen von Prof. Dr. Manfred Fischedick, Wuppertal Institut

Ressourceneffiziente Ökonomie und die richtigen Instrumente von Prof. Dr. Friedrich Thießen, TU Chemnitz

Autonome Systeme für eine voranschreitende Energiewende von Prof. Dr. Peter Liggesmeyer, IESE



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