Recycling: Einsatz von Sekundärrohstoffen in der Praxis

Dr.-Ing. Ulrike LangeVDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH

Eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft minimiert den Verbrauch von Rohstoffen. Nur die wirklich notwendigen Ressourcen sollen eingesetzt, so lange wie möglich genutzt und in einem geschlossenen Kreislauf geführt werden. Eine der Kreislaufführungsstrategien ist das Recycling.

Abfälle werden zu Erzeugnissen, Materialien oder Stoffen entweder für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke verwertet. Die sogenannten Sekundärrohstoffe stehen der Produktion wieder zur Verfügung – in unterschiedlichster Qualität und Menge.

Gibt es sie wirklich, die geschlossenen Kreisläufe?

Ja, es gibt sie. Glas kann beliebig oft in den Schmelzprozess gegeben und zu neuen gleichwertigen Produkten verarbeitet werden. Papier und Metalle werden ebenfalls verlässlich im Kreislauf geführt, auch wenn hier in einigen Fällen durch Downcycling von Materialien Abstriche zu machen sind.

Doch wie sieht es bei anderen Stoffströmen aus? Für Kunststoffe beispielsweise: Lohnt sich die Trennung tatsächlich oder wird am Ende doch alles nur verbrannt? Eine beliebte Frage bei der Reflektion des eigenen Trennverhaltens. Und ja, gerade die Kreislaufführung von Kunststoffen steht noch vor diversen, zu lösenden Herausforderungen.

Ein vom VDI initiierter Dialogprozess brachte Akteurinnen und Akteure der gesamten Wertschöpfungskette Kunststoffe an einen Tisch. Gemeinsam wurden folgende wesentliche Herausforderungen identifiziert :

  • Es existieren keine vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen zwischen Rezyklaten und Kunststoffen aus fossilen Rohstoffen.
  • Es besteht eine Dysbalance von Angebot und Nachfrage im Markt für Rezyklate.
  • Es herrscht eine fragmentierte Wertschöpfung in der Kunststoffwirtschaft vor.
  • Es zeigen sich technologische Grenzen und Zielkonflikte.
  • Die politische Regulierung ist bislang auf Abfall ausgerichtet.
  • Der Handlungsdruck auf die Kunststoffbranche ist durch die öffentliche Aufmerksamkeit hoch.

Diesen Herausforderungen wird in der Kunststoffbranche mit verschiedenen Entwicklungen begegnet. Sowohl in der unternehmerischen Praxis als auch in der Forschungslandschaft werden Anstrengungen unternommen, um den Kreislauf für Kunststoffe zu stärken und zu stabilisieren.

Das Kunststoff-Recycling nimmt Fahrt auf

Aktuell liegen die veröffentlichten Recycling-Quoten von Post-Consumer-Kunststoffabfällen bei ungefähr 33 Prozent. Diese Angabe bezieht sich auf die Inputmenge der bereits zerkleinerten, sortierten und gewaschenen Kunststoffabfälle in den Prozessschritt der Compoundierung.

Jeder Prozessschritt von der Zerkleinerung bis zur Compoundierung verursacht Ausschüsse, die nicht für die Rezyklatherstellung geeignet sind. Werden die Ausschüsse herangezogen, die auch nach der Compoundierung auftreten, ergeben sich 1,46 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle, die 2021 werkstofflich verwertet wurden.

Das entspricht einer Recycling-Quote von 26,8 Prozent bezogen auf die Menge der Post-Consumer-Abfälle. Im Jahr 2019 bzw. 2017 lag diese noch bei 19,2 Prozent (1,03 Mio. Tonnen) bzw. bei 15,6 Prozent (810.000 Tonnen). Das entspricht einem Wachstum von 7,6 Prozentpunkten seit 2019 bzw. von 11,2 Prozentpunkten seit 2017.

Die meisten Kunststoffrezyklate werden in der Baubranche (40 Prozent), in der Verpackungsindustrie (29 Prozent) und in der Landwirtschaft (11 Prozent) verarbeitet.

Kunststoffrezyklate in der Praxis

Gute-Praxis-Beispiele zeigen, dass neu installierte Anlagen nach dem aktuellen Stand der Technik bereits Rezyklate mit guter Qualität erzeugen. Durch besondere Verfahren der Vorsortierung und Reinigung kann bspw. in einer im Jahr 2021 durch die Firma Zimmermann in Betrieb genommenen Anlage die Parfümanhaftungen von Kosmetik- und Hygieneverpackungen eliminiert werden.

Auch können durch eine präzise Sortierung Becher, Schalen oder Flaschen zu neuen Produkten von gleicher Art verarbeitet werden. Eine solche werkstoffliche Aufbereitung – also die Verwendung von Kunststoffrezyklaten für den ursprünglichen Zweck – setzt auch die Firma Frosch um. Sie stellt Verpackungsmaterialien aus PP und HDPE mit Rezyklaten aus dem Gelben Sack her.

Für Unternehmen, die ihre Kunststoffe im Kreislauf fahren möchten, bietet HolyPoly – ein junges Start-up aus Dresden – Unterstützung von der Idee bis zur Umsetzung von Recycling-Lösungen. Das Unternehmen arbeitete bereits mit bekannten Marken wie NUK oder Mattel zusammen.

Die technologischen Entwicklungen des Kunststoff-Recyclings sind zudem immer auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung zu verfolgen. Mit der digitalen Vernetzung aller Wertschöpfungsstufen durch die Anwendung von künstlicher Intelligenz für einen geschlossenen Kunststoffkreislauf von Verpackungen beschäftigen sich Projekte wie „KIOptiPack – Ganzheitliche KI-basierte Optimierung von Kunststoffverpackungen mit Rezyklatanteil“ und „K3I-Cycling – KI-gestützte Optimierung der Kreislaufführung von Kunststoffverpackungen“.

Der sogenannte Digitale Produktpass gewährleistet dabei eine Informationsweitergabe über Wertschöpfungsstufen hinweg. Die Initiative R-Cycle hat dazu bereits einen offenen, weltweit anwendbaren und akzeptierten Rückverfolgungsstandard für Kunststoffprodukte entwickelt.

Getrieben werden diese Entwicklungen sowohl von der Industrie als auch von der Politik. So sieht beispielsweise der neue Entwurf der Ökodesign-Richtlinie die Einführung von Produktpässen für ausgewählte Produkte vor.

Die Weichen sind gestellt, die Wertschöpfungskette ist gefragt

Auf die aktuellen Herausforderungen des Kunststoff-Recyclings wird mit innovativen Technologieentwicklungen und neuen Geschäftsmodellen reagiert. Entwicklungen wie ein Rückverfolgungsstandard bzw. ein digitaler Produktpass können neue Anreize für die effiziente Schließung des Kunststoffkreislaufs setzen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür sind geschlossene, aufeinander abgestimmte Prozesse entlang der Wertschöpfungskette.

Aus Sicht der Recycling-Branche sind zwei Dinge wichtig: die stoffstromspezifische, also die möglichst sortenreine Erfassung der Stoffströme und ein recyclinggerechtes Produktdesign mit Informationen über enthaltene Inhaltsstoffe. So lassen sich Recycling-Prozesse effizient fahren und die Ziele des zirkulären Wirtschaftens erreichen.

Für eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft gilt entsprechend: Die Gesamteffizienz ist die Summe der Effizienzen der einzelnen Wertschöpfungsstufen.

Recyclingprozesse können nur so effizient sein, wie es die Voraussetzungen ermöglichen, die u. a. durch das Produktdesign, die Herstellung der Produkte, den Umgang mit diesen sowie das Trennverhalten der Konsumierenden gesetzt werden.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Was Biokunststoffe zu einer zukunftsfähigen Kreislaufwirtschaft beitragen können von Dr. Lisa Mundzeck, Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe

Ressourceneffizienz durch Ganzheitliche Produktionssysteme und Lean Production von Manuel Weber, VDI

Chancen und Grenzen der Ressourceneffizienz von Prof. Dr. Stefan Pauliuk

Literatur

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VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH (2018): Kunststoffrecycling– Ressourceneffizienz durch optimierte Sortierverfahren. YouTube [abgerufen am: 03.11.2022], verfügbar hier.



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