Ressourceneffizienz durch Ganzheitliche Produktionssysteme und Lean Production

Manuel WeberVDI Zentrum Ressourceneffizienz

Wie die aktuelle Energiekrise und die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zeigen, stehen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes vor großen Herausforderungen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und sich langfristig erfolgreich am Markt zu behaupten.

Schwierigkeiten ergeben sich sowohl durch wirtschaftliche Unsicherheiten aufgrund steigender Energie- und Rohstoffpreise aber auch aufgrund von Verzögerungen oder sogar Ausfällen in der Lieferkette.

Daneben spielen für viele Kundinnen und Kunden – aber auch für die Unternehmen selbst – das Thema Klimaschutz und ein effizienter Umgang mit natürlichen Ressourcen wie Material, Energie und Wasser eine immer bedeutendere Rolle.

Wie können Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes diesen Herausforderungen begegnen?

Um langfristig erfolgreich zu bleiben, ist ein effizientes Produktionssystem entscheidend. In der Ausgestaltung sollte sowohl auf eine schlanke als auch auf eine ressourceneffiziente Produktion geachtet werden. Ansätze der Digitalisierung unterstützen die Umgestaltung der Produktionsprozesse und stärken zukünftige Entwicklungspotenziale.

Maßnahmen zur Steigerung der Ressourceneffizienz

Eine Reihe von Maßnahmen zur Steigerung der Ressourceneffizienz führen zu einem effizienten Produktionssystem. Einige dieser Maßnahmen gemäß der VDI-Richtlinie 4800 Blatt 1 werden nachfolgend kurz vorgestellt (vgl. VDI 4800 Blatt 1:2016-02):

Fertigungsprozessoptimierung

Abhängig vom jeweiligen Prozess gibt es unterschiedliche Möglichkeiten der Verbesserung. Dazu zählen beispielsweise die Anpassung von Prozessparametern, die Nachrüstung durch den Austausch mit effizienteren Komponenten oder die Ausstattung mit Sensoren, um beispielswiese den Ressourcenverbrauch digital erfassen und verbessern zu können.

Verminderung von geplantem Verlust

Diese Maßnahme verbessert die Werkstoffausnutzung. Sie zielt darauf ab, Materialverluste, die bei der Formänderung technisch bedingt anfallen (z. B. Restgitter beim Stanzen), zu reduzieren. Neben der Senkung des Materialbedarfs kann diese Strategie zur Verminderung des Abfallaufkommens beitragen.

Verminderung des Energieverbrauchs

Mit dieser Maßnahme soll der Input an elektrischer Energie und Energieträgern im Unternehmen reduziert werden, ohne die Qualität und den Prozessoutput negativ zu beeinflussen. Durch die Einsparung von fossilen Energieträgern können außerdem klimaschädliche Treibhausgasemissionen verringert werden.

Kreislaufführung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen

Eine inner- und überbetriebliche Kreislaufführung von Roh-, Hilfs und Betriebsstoffen trägt dazu bei, dass Ressourcen eingespart werden, die zur Rohstoffextraktion und Weiterverarbeitung notwendig gewesen wären. Darüber hinaus können Abfallströme beispielsweise durch eine Aufbereitung von Betriebsstoffen reduziert werden.

Kreislaufführung von Produkten und Bauteilen

Die Kreislaufführung von Bauteilen oder Produkten verbessert ebenfalls die Ressourceneffizienz. Es können Material- und Energieaufwände eingespart werden, die für die ursprüngliche Herstellung der aufbereiteten Komponenten erforderlich wären. 

Ganzheitliche Produktionssysteme und Lean Production

Um eine ressourceneffiziente und gleichzeitig schlanke Produktion (Lean Production) umzusetzen, können Ganzheitliche Produktionssysteme (GPS) genutzt werden. Diese bauen im Wesentlichen auf den Elementen der Lean Production auf. Sie bieten ein „methodisches Regelwerk zur umfassenden und durchgängigen Gestaltung der Unternehmensprozesse“ (vgl. VDI 2870 Blatt 1:2012-07, S. 5).

Gemäß der VDI-Richtlinie 2870 Blatt 1 „Ganzheitliche Produktionssysteme – Grundlagen, Einführung und Bewertung“ werden folgende acht Gestaltungsprinzipien definiert, die abhängig von der angestrebten unternehmensspezifischen Ausgestaltung des Produktionssystems aufgegriffen werden können (vgl. VDI 2870 Blatt 1:2012-07, S. 13):

  • Standardisierung,
  • Null-Fehler-Prinzip,
  • Fließ-Prinzip,
  • Pull-Prinzip,
  • Kontinuierlicher Verbesserungsprozess,
  • Orientierung an den Mitarbeitenden und zielorientierte Führung,
  • Vermeidung von Verschwendung und
  • Visuelles Management.

Mit der Umsetzung der GPS-Gestaltungsprinzipien können Lean-Ansätze in die Unternehmensprozesse integriert werden. Daraus ergibt sich ein Potenzial, den Verbrauch von Material und Energie zu senken.

Analyse für Ganzheitliche Produktionssysteme empfehlenswert

Unternehmen sollten bei der Wahl der Gestaltungsprinzipien für ihr spezifisches Ganzheitliches Produktionssystem die möglichen Einsparpotenziale für natürliche Ressourcen analysieren und basierend darauf unterstützende Strategien und Methoden zur Umsetzung wählen.

Mit dem „Null-Fehler-Prinzip“ lassen sich beispielsweise Ressourcen einsparen, da die Qualität der Produktionsprozesse verbessert wird und fehlerhaft hergestellte Produkte und Zwischenprodukte vermieden werden.

Um weitere Potenziale zu Steigerung der Ressourceneffizienz zu erschließen, empfiehlt es sich, Strategien und Maßnahmen zu nutzen, die die Umsetzung des gewählten Gestaltungsprinzips unterstützen. Für das „Null-Fehler-Prinzip“ können das beispielsweise die oben aufgeführten Strategien „Verminderung des geplanten Verlustes“ oder „Fertigungsprozessoptimierung“ sein.

Um eine Umsetzung dieses Gestaltungsprinzips und der Ressourceneffizienzmaßnahmen anzugehen, können unter anderem die Methoden „Ishikawa-Diagramm zur Analyse oder „Autonomation“ zur Umsetzung genutzt werden. Insbesondere mit Hilfe eines Ishikawa-Diagramms lassen sich in Teamarbeit systematisch die Ursachen bzw. Einflussgrößen einzelner Problemstellungen oder Fehlerursachen analysieren und grafisch darstellen. (vgl. VDI 2870 Blatt 2:2013-02, S. 28).

Unter Autonomation – auch unter dem japanischen Begriff Jidoka bekannt – wird eine autonome Automation verstanden. Maschinen können dabei ohne direkte Überwachung von Mitarbeitenden betrieben werden. Eine Maschine kann eigenständig auf eine Störung reagieren und damit eine Weitergabe fehlerhafter Komponenten aus dem Fertigungsprozess verhindern (vgl. VDI 2870 Blatt 2:2013-02, S. 26).

Unterstützung durch Ansätze der Digitalisierung

Soll beispielsweise die Produktion automatisiert werden, lässt sich dieses Ziel mit Ansätzen der Digitalisierung möglicherweise einfacher und wirksamer umsetzen. Um Störungen oder Fehlhandlungen zu vermeiden, können softwarebasierte Lösungen eingesetzt werden. Beispielsweise können Abweichungen mit Kamerasystemen erfasst und entsprechend auf sie reagiert werden.

Darüber hinaus kann eine digitale Vernetzung von Unternehmensbereichen bereits proaktiv dabei helfen, auftretende Fehlhandlungen im Informationsfluss und damit verbundene Probleme zu vermeiden. Diese können z. B. fehlerhafte Übertragungen von Daten in andere Systeme sein (vgl. VDMA 2018, S. 17f).

Mitarbeitende nicht außer Acht lassen

Gerade vor dem Hintergrund der weiter voranschreitenden Digitalisierung sollte ein wesentlicher Aspekt des Lean-Gedankens nicht außer Acht gelassen werden: die Mitarbeitenden. Vielmehr sollte das Ziel eines Unternehmens sein, alle Mitarbeitenden bei der Umsetzung von Lean-Ansätzen, Ressourceneffizienzstrategien und Digitalisierungsmaßnahmen mitzunehmen.

Wichtig dabei ist, dass die Mitarbeitenden die Zusammenhänge der digitalisierten und optimierten Prozesse verstehen und diese als Unterstützung begreifen. Dadurch kann eine kontinuierliche Verbesserungskultur im Unternehmen gestärkt und vor allem gelebt werden.

Eine ausführlichere Betrachtung der Zusammenhänge von Ganzheitlichen Produktionssystemen und Ressourceneffizienz, weitere Methoden sowie Praxisbeispiele bietet die kostenlose Kurzanalyse „Ressourceneffizienz durch Produktionsplanung und Lean Production“ des VDI Zentrums Ressourceneffizienz. Diese steht hier zum Download bereit. Die aufgeführten und weitere Maßnahmen sind hier zusammengestellt. Die Kurzanalyse und die Online-Zusammenstellung wurden im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstellt.

Literatur

VDI 2870 Blatt 1:2012-07: Verein Deutscher Ingenieure e.V., Ganzheitliche Produktionssysteme – Grundlagen, Einführung und Bewertung, Beuth Verlag GmbH, Berlin.
VDI 2870 Blatt 2:2013-02: Verein Deutscher Ingenieure e.V., Ganzheitliche Produktionssysteme – Methodenkatalog, Beuth Verlag GmbH, Berlin.
VDI 4800 Blatt 1:2016-02: Verein Deutscher Ingenieure e.V., Ressourceneffizienz – Methodische Grundlagen, Prinzipien und Strategien, Beuth Verlag GmbH, Berlin

Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (2018): Leitfaden Industrie 4.0 trifft Lean – Wertschöpfung ganzheitlich steigern. VDMA Verlag GmbH, Frankfurt am Main.


Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Chancen und Grenzen der Ressourceneffizienz von Prof. Dr. Stefan Pauliuk, Universität Freiburg

Steigerung der Ressourceneffizienz durch wertorientierte Instandhaltung von Dr. Bernhard Leidinger, leidinger.technology



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