Untergraben finanzielle Anreize langfristig die Motivation zum Umweltschutz?
In Zeiten des Klimawandels und des dramatischen Verlusts der biologischen Vielfalt ist der Erhalt von Ökosystemen von entscheidender Bedeutung für die Zukunft unseres Planeten. Neben dem Erhalt bestehender Ökosysteme ist es aber auch unerlässlich, die nachhaltige Nutzung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen zu stärken.
Ein zentrales Instrument in diesem Bereich sind sogenannte Zahlungen für Ökosystemleistungen (auch Payments for Ecosystem Services, kurz PES, genannt).
Finanzielle Honorierung als Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit
PES beruhen auf der Annahme, dass eine zusätzliche finanzielle Honorierung Landnutzer und Landnutzerinnen zu mehr Nachhaltigkeit motivieren kann. Dies lässt sich am Beispiel des tropischen Regenwaldes, zum Beispiel des Amazonasgebietes, veranschaulichen.
Sobald das realisierbare Einkommen aus dem Erhalt der bestehenden Wäldern durch PES mindestens so hoch ist wie das erzielbare Einkommen aus umweltschädlichen Aktivitäten – wie zum Beispiel der Rodung zur kommerziellen Nutzung des Holzes oder für die Landwirtschaft – gibt es für Landnutzerinnen und Landnutzer wenig Anreize, verbleibende Waldgebiete zu zerstören.
Im Gegensatz zu Regulierung durch beispielsweise Abholzungsverbote, die in der Praxis oft nur schwer durchsetzbar sind, werden Landeigentümer durch PES wirtschaftlich nicht schlechter gestellt. PES können daher – zumindest in der Theorie – ein ‚Win-Win‘ für Naturschutz und Einkommensgenerierung sicherstellen. Daher werden PES insbesondere als Naturschutzinstrument im globalen Süden diskutiert.
Direkte Transferzahlungen an Landnutzer
PES setzen die Honorierung durch direkte, finanzielle Transfers an Landnutzerinnen und Landnutzer um. In der Praxis erhalten sie eine finanzielle Zahlung von zum Beispiel staatlichen Stellen oder auch Unternehmen, sofern sie bestimmte Auflagen erfüllen. So können beispielsweise lokale Wasserversorger Anreizprogramme für Landwirtinnen und Landwirte in Wassereinzugsgebieten anbieten, um eine hohe Wasserqualität durch eine nachhaltige Landwirtschaft sicherzustellen.
Diese Zahlungen sind in der Regel an die Umsetzung spezifischer Aktivitäten geknüpft. In dem genannten Beispiel könnten Zahlungen an eine Begrenzung des Düngemitteleinsatzes gebunden sein. Zahlungen können jedoch auch abhängig von vorab definierten ökologische Zielen sein, beispielsweise vom Nachweis bestimmter bedrohter Tier- oder Pflanzenarten. Die Teilnahme an PES-Programmen ist meist freiwillig und zeitlich begrenzt.
Weltweit gibt es bereits mehr als 550 staatliche und privatwirtschaftliche PES-Programme, mit einem geschätzten jährlichen Transaktionsvolumen von 36 – 42 Milliarden US Dollar. Neben nationalen PES-Programmen zum Beispiel in Ecuador, Mexico, Costa Rica und China, spielen PES auch eine zentrale Rolle bei der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik im Rahmen der sogenannten Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen. Landwirtinnen und Landwirte können für die Umsetzung umwelt- und klimafreundlicher Maßnahmen finanzielle Zahlungen erhalten. Ähnliche Anreizinstrumente werden ebenso für den Waldschutz in Europa diskutiert.
Mögliche negative Folgen
Sowohl aus der Praxis als auch aus der Wissenschaft werden Zahlungen für Ökosystemleistungen aber durchaus kritisch betrachtet. Ein Hauptkritikpunkt sind mögliche langfristige Negativfolgen. Da Geldleistungen einen äußeren Anreiz bieten, könnten sie umweltbewusste Überzeugungen und nicht-monetäre Motivationen zum Umweltschutz verdrängen
Solche Verdrängungseffekte wurden in der verhaltensökonomischen und psychologischen Forschung bereits für diverse Verhaltensbereiche diskutiert und beobachtet. Ein solcher Verdrängungseffekt kann dazu führen, dass wirtschaftliche Anreize weniger wirksam und im schlimmsten Fall sogar kontraproduktiv sind, insbesondere sobald Zahlungen eingestellt werden.
Wie sich Zahlungen für Ökosystemleistungen langfristig auf die Bereitschaft und Motivation zum Waldschutz auswirkt, haben Wissenschaftlerinnen der Universitäten Osnabrück, Marburg und Utrecht in einer gemeinsamen Studie untersucht. Dafür wurden über 750 Landbesitzerinnen und Landbesitzern in Westuganda interviewt.
Studie: PES untergräbt Motivation nicht
Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass kurzfristige finanzielle Anreize die Motivation zum Waldschutz nicht untergraben – auch wenn die Zahlungen bereits weggefallen sind.
Somit finden wir in diesem Fall keine Anhaltspunkte für die häufig geäußerte Befürchtung, dass finanzielle Zahlungen langfristig mehr Schaden als Nutzen anrichten können.
Dr. Tobias Vorlaufer
Die für die Studie befragten Landbesitzerinnen und Landbesitzer hatten für zwei Jahre Zahlungen für den Erhalt von Wäldern und Aufforstungsaktivitäten erhalten. Innerhalb dieses Zeitraums konnte die Abholzung um die Hälfte reduziert werden wie eine Studie aus dem Jahr 2017 belegt. Danach wurden die Zahlungen eingestellt.
Sechs Jahre später haben wir das Umweltverhalten der Landbesitzerinnen und Landbesitzer anhand von Umfragen und ökonomischen Experimenten untersucht. So konnten wir nachweisen, dass die befürchteten negativen Folgen ausblieben: Landbesitzerinnen und Landbesitzer in Dörfern in denen PES angeboten wurden, sind im selben Maße bereit sich umweltfreundlich zu verhalten wie Befragte in der Kontrollgruppe, insbesondere bei der Aufforstung mit lokalen Baumarten. Ebenso konnten wir nicht feststellen, dass die subjektive Selbstwirksamkeit in Bezug auf Umweltschutz durch PES negativ beeinflusst wurde.
Diese positiven Ergebnisse geben Anlass zur Hoffnung. Wir konnten zeigen, dass ökonomische Anreizinstrumente die Bereitschaft von Landbesitzerinnen und Landbesitzern, sich am Naturschutz zu beteiligen, nicht negativ beeinflussen und somit einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Biodiversität und des Klimas leisten können.
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