Ländliche Nahversorgung: Lieferungen mit Drohnen und Lastenrädern

Steffen HenningerResearch Lab for Urban Transport (ReLUT)

Der demographische Wandel sorgt in Deutschland für ein steigendes Durchschnittsalter der Bevölkerung. Im ländlichen Raum wirkt sich dieser Effekt verstärkt aus, da der Rückgang der Bevölkerung hier besonders groß ist (Bertelsmann Stiftung 2015). Zudem ist in den letzten Jahren ein zunehmender Rückzug von Nahversorgungseinrichtungen aus ländlichen Gebieten zu beobachten, wodurch sich vor allem die Versorgungsqualität der weniger mobilen Gruppen verschlechtert – zum Beispiel Alte und Kranke sowie Menschen ohne eigenes Transportmittel.

Mobile Angebote wie mobile Einkaufsstätten und multifunktionale Ladenkonzepte gewinnen daher an Bedeutung für die Sicherstellung der Versorgung der ländlichen Bevölkerung (Eberhardt et al. 2014: 3-8). Zeitgleich nimmt die kommerzielle Drohnennutzung in Deutschland rapide zu. So ist der Anteil der genutzten Drohnen seit 2019 um 138 Prozent gestiegen. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen (Verband Unbemannte Luftfahrt 2021: 1-2).

Transport mit Drohnen gewinnt an Bedeutung

Die Anwendungsgebiete umfassen beispielsweise Instandhaltungszwecke, militärische Einsätze, Personenschutzeinsätze, Landwirtschaft und Wetterdrohnen (Dieckert und Eich 2018: 7-87). In jüngster Zeit gewinnt jedoch auch der Transport von Gütern immer mehr an Bedeutung. So können Drohnen zum Beispiel beim Transport von Medikamenten und Konsumgütern eine effiziente Alternative zu herkömmlichen Transportmitteln darstellen (Kellermann et al. 2019: 3).

Für die Auslieferung auf der letzten Meile ergeben sich mitunter relevante Kostenvorteile (Otto et al. 2018). Die Paketzustellung auf der letzten Meile per Drohne wird von allen führenden Anbietern wie Amazon, Google und DHL vorangetrieben (Hader und Baur 2020). Ein großflächiger Regelbetrieb von Transportdrohnen ist bisher allerdings nicht etabliert (Kellermann et al. 2019: 16).

An rechtlichen (Clarke 2016), ethischen (West und Bowman 2016) und sicherheitsrelevanten Fragestellungen (Torens et al. 2018) wird in diesem Zusammenhang jedoch intensiv geforscht. Ebenso rücken Fragen der gesellschaftlichen Akzeptanz (Sakiyama et al. 2017) sowie Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen zunehmend in den Vordergrund (Kellermann et al. 2019: 16).

Drohnen-Lieferung könnte ökonomische Vorteile auf dem Land haben

Vor allem im ländlichen Raum können sich gegenüber der klassischen Paketzustellung per Lieferwagen nicht nur ökonomische Vorteile, sondern auch positive Auswirkungen auf die Energieverbrauchsbilanz ergeben (Kirschstein 2020). Expert*innen betrachten zudem vor allem den ländlichen Raum aus sozialökonomischer Sicht als prädestinierten Einsatzort, um infrastrukturelle Nachteile auszugleichen (Kellermann und Biehle 2020: 9). International wurden bisher Potenziale des Drohneneinsatzes im ländlichen Raum hauptsächlich im medizinischen Kontext untersucht (Hii et al. 2019).

Dabei spielte die Kombination mit anderen Transportmitteln im Zuge des Angebots eines Belieferungsservice für Endkund*innen aus einer Hand bisher keine Rolle. Eine Bündelung mehrerer Einzelhändler*innen in einem mobilen Marktplatz kann somit zum einen die Wirtschaftlichkeit von Einzelhandelsaktivitäten im ländlichen Raum erhöhen. Zum anderen kann die nachfragegesteuerte Lieferung von Gütern per Drohne in Kombination mit einer Lastenradzustellung auf der letzten Meile zur Verbesserung der Versorgungssituation im ländlichen Raum beitragen.

Damit könnte eine schnelle, zuverlässige sowie wirtschaftliche und ökologisch nachhaltige Belieferung möglich werden.

Steffen Henninger

Projekt zur Bewertung von Drohnen- und Lastenradtransport

Im vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) geförderten Projekt „DroLEx“ ist das übergeordnete Ziel daher die nachfragegesteuerte, schnelle und zuverlässige Auslieferung von Gütern in ländlichen Gebieten durch eine Kombination aus Drohnen- und Lastenradtransport zu realisieren und aus ökonomischer sowie ökologischer Sicht zu bewerten.

Dabei werden Drohnen des Projektpartners Wingcopter eingesetzt, um von einem zentralen mobilen Lieferpunkt in einem Mittelzentrum Produkte auf einer bis zu 55 km langen Strecke in umliegende Dörfer zu transportieren. In der Zielregion werden die Güter von Projektmitarbeiter*innen angenommen und per Lastenrad an die Endkund*innen ausgeliefert. Alternativ können Kund*innen die Waren auch am Landeplatz abholen.

Quelle: Wingcopter

Ausgeliefert werden zunächst Produkte lokaler, ortsansässiger Einzelhändler*innen. Die maximale Zuladung pro Flug beträgt 5 Kilo. Das Vorhaben wird als konkreter Anwendungsfall unter realen Bedingungen im öffentlichen Umfeld umgesetzt. Dabei wird der Einsatz von Drohnen zum Transport von Konsumgütern erprobt und die multimodale Vernetzung von Drohnen mit anderen Verkehrsmitteln, wie dem Lastenrad, für die Zustellung auf der letzten Meile untersucht. Die wissenschaftliche Begleitung übernimmt dabei das Research Lab for Urban Transport (ReLUT) der Frankfurt University of Applied Sciences.

Lieferung unter umweltfreundlichen Bedingungen

Der kombinierte Transport ermöglicht eine schnelle und zuverlässige Lieferung unter umweltfreundlichen Bedingungen. Durch die Umsetzung des Vorhabens kann die logistische Anbindung des ländlichen Raums verbessert werden.

  • Die Nutzung einer Drohne zur Belieferung des ländlichen Raums in Kombination mit der Zustellung per Lastenrad auf der letzten Meile ermöglicht es Einzelhändler*innen, ihren Kund*innen einen Lieferservice auch in dünn besiedelten Gebieten anzubieten.
  • Durch die schnelle Zustellung per Drohne kann das Einzugsgebiet potenzieller Kund*innen deutlich erweitert werden. Ebenso kann die Bündelung verschiedener Anbieter in einem mobilen Shop weitere wirtschaftliche Vorteile gegenüber autonomen Shops oder Lieferdiensten jedes Händlers und jeder Händlerin in Eigenverantwortung bringen.
  • Das Prinzip der nachfragegesteuerten Zustellung sorgt zudem für eine hohe Effizienz der Transporte.
  • Die Standortflexibilität des Umschlagspunktes sorgt für die Möglichkeit, optimal auf Nachfrageentwicklungen zu reagieren.
  • Auch kann durch die Einbindung der Bevölkerung im Pilotquartier die öffentliche Akzeptanz von Drohnen gestärkt und ein gesellschaftlicher Dialog angestoßen werden.

Attraktivität des ländlichen Raums steigern

Das Projekt schafft eine Grundlage zur Skalierbarkeit und Übertragbarkeit des Geschäftsmodells auf andere Anwendungsbereiche. Durch die Evaluation des Anwendungsfalls ist eine Umsetzung in ein dauerhaft betriebenes Geschäftsmodell wirtschaftlich errechenbar, ebenso wie potentiell resultierende ökologische Vorteile. Die Anwendung ist dabei weder auf eine bestimmte Region noch auf eine bestimmte Branche limitiert, wodurch sich ein breites Feld neuer Möglichkeiten eröffnet.

Der gesellschaftliche Mehrwert besteht vorrangig in der Verbesserung des Lebensstandards im ländlichen Raum durch eine verbesserte Nahversorgung in Form eines Lieferservice, der für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich ist.

Steffen Henninger

Dadurch kann die Attraktivität des ländlichen Raums gegenüber der Stadt gesteigert werden. Vor allem mobilitätseingeschränkten Personen wird hier ein attraktives Versorgungsangebot gemacht, das ihnen die Lieferung von Gütern des täglichen Bedarfs an die Haustür ermöglicht. Auch zeitkritische Güter, wie zum Beispiel Corona-Schnelltests, können mithilfe von Drohnen zuverlässig in den ländlichen Raum geliefert werden. Zudem kann auch die private PKW-Nutzung reduziert werden. Dieser Effekt kann durch einen zukünftigen Ausbau des Angebots noch verstärkt werden, sobald mehrere Einzelhändler*innen ihre Produkte zentral über den Drohnenlieferservice anbieten. Somit kann auch eine Reduktion der Emissionen erreicht werden, denn vor allem im ländlichen Raum werden oft größere Distanzen bei der Erledigung kleinerer Einkäufe zurückgelegt. Hinzukommt, dass die Zustellung per Lastenrad auf der letzten Meile vollkommen emissionsfrei erfolgt.

Datenschutz, Lärm und der Schutz der Privatsphäre der Menschen sind maßgebliche Themen (West und Bowman 2016), die im Zuge der neuen EU-Drohnenverordnung zwar teilweise bereits geregelt wurden. Eine vollständige Klärung ist aber aufgrund der erwarteten sozialökonomischen Vorteile eines kombinierten Drohnen-Lastenrad-Lieferservices im ländlichen Raum umso dringender angesagt.

Literatur

Bertelsmann Stiftung (2015): Demographischer Wandel verstärkt Unterschiede zwischen Stadt und Land.

Clarke, R. (2016): Appropriate regulatory responses to the drone epidemic. Comput. Law Secur. Rep., 32 (1), S. 152–155.

Dieckert, U.; Eich, S.; Fuchs, F.; Himmelberg, C. (2018): Drohnen – Technik und Recht (E-Book). Bei gewerblicher und behördlicher Nutzung. Bundesanzeiger Verlag, Köln.

Eberhardt, W.; Pollermann, K.; Küpper, P. (2014): Sicherung der Nahversorgung in ländlichen Räumen: Impulse für die Praxis.

Hader, M.; Baur, S. (2020): Cargo drones: The future of parcel delivery.

Hii, M. S. Y.; Courtney, P.; Royall, P. G. (2019): An Evaluation of the Delivery of Medicines Using Drones, Drones, 3(3), 52. Doi: 10.3390/drones3030052 .

Kellermann, R.; Biehle, T.; Fischer, L. (2019): Drohnen als Transportmedium: Literaturanalyse zu Chancen und Risiken einer städtischen Luftraumerschließung, Projekt: The Sky is the Limit – Die zukünftige Nutzung des urbanen Luftraums. Doi: 10.13140/RG.2.2.21941.01765 .

Kellermann, R.; Biehle, T. (2020): Zukunft der urbanen Luftraumnutzung: Perspektiven und Prognosen zum Einsatz von Lieferdrohnen und Flugtaxis aus Sicht von 10 Expert*innen. Online verfügbar unter https://skylimits.info/wp-content/uploads/2020/12/Bericht_Experteninterviews_SkyLimits.pdf, abgerufen am 24.10.2022.

Kirschstein, T. (2020): Comparison of energy demands of drone-based and ground-based parcel delivery services, Transportation Research Part D: Transport and Environment, 78(2020). Doi: 10.1016/j.trd.2019.102209 .

Otto, A.; Agatz, N.; Campbell, J.; Golden, B.; Pesch, E. (2018): Optimization approaches for civil applications of unmannedaerial vehicles (UAVs) or aerial drones: A survey, Networks, 72(4), S. 411–458.

Sakiyama, M.; Miethe, T.D.; Lieberman, J.D.; Heen, M.S.; Tuttle, O. (2017): Big hover or big brother? Public attitudes about drone usage in domestic policing activities. Secur. J., 30 (4), S. 1027–1044.

Torens, C.; Dauer, J.C.; Adolf, F. (2018): Towards autonomy and safety for unmanned aircraft systems. In: Advances in Aeronautical Informatics. Springer, Cham, S. 105–120.

Verband Unbemannte Luftfahrt (2021): Analyse des deutschen Drohnenmarktes. Berlin, 29.03.2021.

West, J.P.; Bowman, J.S. (2016): The domestic use of drones: an ethical analysis of surveillance issues. Publ. Adm. Rev., 76 (4), 649–659.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Aktivierung des ländlichen Raums für eine nachhaltige Entwicklung von Prof. Dr. Maik W. Neumann, Technische Hochschule Mittelhessen

Regionale Wirtschaft stärken: Die Konzepte sind da, aber wenig bekannt von Dr. Michael Kopatz, Wuppertal Institut

Investitionszuschüsse an Unternehmen in strukturschwachen Regionen: Schlüssel zum Abbau regionaler Unterschiede? von Dr. Matthias Brachert, Dr. Eva Dettmann und Dr. Mirko Titze, IWH sowie Prof. Dr. Lutz Schneider, Hochschule Coburg



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