Der Mittelstand im Klimawandel

Um den Klimawandel zu begrenzen, hat sich die EU das ehrgeizige Ziel gesetzt, die europäische Wirtschaft und Gesellschaft bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu gestalten. Deutschland – so sieht es das aktuelle Klimaschutzgesetz vor – soll sogar bis 2045 klimaneutral werden.

Die mittelständischen Unternehmen stellt dies vor die Herausforderung einer Nachhaltigkeitstransformation: Sie müssen Maßnahmen ergreifen, um Nachhaltigkeit und Klimaschutz in ihre Prozesse, Strategien und Unternehmensziele einzubinden, um so die betrieblich ausgestoßenen CO2-Emissionen zu reduzieren.

Doch nicht nur die Notwendigkeit, nachhaltiger zu wirtschaften, stellt die Unternehmen vor Herausforderungen. Mit fortschreitendem Klimawandel treten auch in Deutschland verstärkt Extremwetterereignisse wie Stürme, Starkniederschläge, Hitzewellen oder Trockenperioden auf. Die Unternehmen müssen sich auf diese physischen Folgen des Klimawandels einstellen und geeignete Maßnahmen zur Anpassung und zum Schutz vor Klimarisiken ergreifen.

Die Folgen des Klimawandels sind im Mittelstand angekommen

In den vergangenen fünf Jahren haben sich Extremwetterereignisse bereits negativ auf die Geschäftstätigkeit von 41 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und 50 Prozent der Großunternehmen ausgewirkt – so die hochgerechneten Ergebnisse der im Jahr 2022 durchgeführten Unternehmensbefragung für die IfM-Studie „Anpassung an den Klimawandel: Spezifische Herausforderungen für KMU“.

Insbesondere Hitzeperioden und Starkniederschläge werden sowohl von den KMU als auch von den Großunternehmen als Gefahr wahrgenommen. Ein geringerer Anteil sieht eine besondere Bedrohung durch Dürren und Trockenperioden. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich diese Einschätzungen stark zwischen den Branchen unterscheiden: Unternehmen der Landwirtschaft sehen Dürren und Trockenheit naturgemäß als besonders bedrohlich für ihre Geschäftstätigkeit an.

Diese Extremwettereignisse nehmen Unternehmen in Deutschland als Gefahr wahr




Extremwettereignisse, die Unternehmen als Gefahr wahrnehmen
Quelle: IfM Bonn

Neben der eigenen Betroffenheit können die Unternehmen in Deutschland aber auch durch die klimatischen Auswirkungen in den Regionen ihrer Lieferanten oder Kunden betroffen sein. Dies ist ein Problem, das prinzipiell viele Führungskräfte laut unserer Befragung wahrnehmen. Nur eine Minderheit gab jedoch an, sich bereits intensiv mit den möglichen Auswirkungen von Klimarisiken auf ihre Lieferanten oder Kunden beschäftigt zu haben.

Die Gründe sind vielfältig: Bei manchen beanspruchen die akuten Herausforderungen die volle Aufmerksamkeit der Geschäftsführung. Andere sind sich möglicher Risiken in ihrer Wertschöpfungskette zwar bewusst, sehen aber angesichts ihrer eigenen geringen Größe keine Handhabe, diese Risiken aktiv zu steuern.

Aktuelle betriebliche Herausforderungen können Anpassung bremsen

Prinzipiell motivieren vor allem zwei Faktoren die Auseinandersetzung mit Klimarisiken und deren Folgen für das Unternehmen. Zum einen können Erfahrungen mit Extremwetterschäden im eigenen oder in bekannten Unternehmen die Initiierung von Klimaschutzmaßnahmen auslösen. Eine ebenso wichtige Rolle spielen in vielen Unternehmen aber auch die persönlichen Überzeugungen der Geschäftsführungsebene, Eigentümer(-familien) und Beschäftigten.

Entscheidend für eine konkrete Umsetzung von Maßnahmen in den Unternehmen sind – neben einer grundlegenden Motivation – die Fragen, ob die aktuellen betrieblichen Umstände und die vorliegenden Rahmenbedingungen die Durchführung von Anpassungsmaßnahmen zulassen.

Dr. Markus Rieger-Fels und Dr. Susanne Schlepphorst

Anpassungsmöglichkeiten von KMI unterscheiden sich von Großunternehmen

Ob und inwieweit konkrete Maßnahmen im Hinblick auf Klimarisiken ergriffen werden, hängt zudem von den vorhandenen Ressourcen ab. Schließlich können KMU aufgrund ihrer geringeren Produktionsmengen nicht ebenso wie Großunternehmen das Risiko einer Lieferkettenunterbrechung durch Diversifikation ihrer Lieferanten minimieren.

Zudem stellen bauliche Anpassungsmaßnahmen Fixkosten der Produktion dar, die KMU deutlich mehr belasten als große Unternehmen. Am häufigsten werden daher niedrigschwellige Lösungen initiiert: So setzen viele Unternehmen auf digitale Lösungen, um beispielsweise das betriebliche Wissen vor Extremwetterereignisse zu sichern.

Ebenso werden Maßnahmen präferiert, die die Eigenständigkeit der Energieversorgung erhöhen, wie beispielsweise die Installation von Solaranlagen. Diese haben neben dem Ziel, das Unternehmen nachhaltiger zu machen, den Vorteil, dass sie sich vor dem Hintergrund steigender Energiepreise zukünftig wirtschaftlich rentieren.

Unternehmen brauchen Freiräume und Maßnahmen mit Mehrfachdividende

Damit wird deutlich, dass eine Politik, die die Anpassungsbemühungen des Mittelstands unterstützen möchte, die Besonderheiten kleiner Unternehmen berücksichtigen sollte. Zum einen verfügen sie schlicht über geringere Ressourcen. Sie brauchen daher Informationen über und Zugang zu möglichst niedrigschwelligen Anpassungsmöglichkeiten – nicht immer sind bauliche Veränderungen die einzige oder beste Lösung.

Zum anderen muss berücksichtigt werden, dass nicht nur die Klimaanpassung, sondern auch der nachhaltige Umbau sowie die digitale Transformation Investitionen erfordern. Nicht nur, aber insbesondere die kleinen Unternehmen müssen sich gut überlegen, wie sie ihre knappen finanziellen Mittel am besten einsetzen.

Die Unternehmen werden daher Maßnahmen favorisieren, die nicht allein der Anpassung dienen, sondern gleichzeitig auf andere Unternehmensziele einzahlen: Sei es, dass sie dem Unternehmen helfen, nachhaltiger zu produzieren, oder sei es, dass sie Kosten senken. Solche Maßnahmen mit Doppel- oder sogar Mehrfachdividende sollten in einer Förderung priorisiert werden.

Eine weitere Folge der geringeren Ressourcenausstattung von KMU ist, dass bürokratische Verpflichtungen in KMU überproportional die Aufmerksamkeit der Geschäftsführungen binden und damit von anderen wichtigen Herausforderungen – einschließlich der Auseinandersetzung mit Klimarisiken – ablenken. Zeitnahe Bürokratieentlastung könnte damit ihnen – ebenso wie dem Mittelstand insgesamt – notwendige Freiräume verschaffen, um sich den aktuellen Herausforderungen besser widmen zu können.

Anpassungsbemühungen sinnvoll fördern

Zugleich gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Anpassungsmöglichkeiten kleinerer Unternehmen anders gestalten als jene von Großunternehmen: Beispielsweise haben sie aufgrund geringer Produktionsmengen und langfristig gewachsener Lieferbeziehungen nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, die Risiken des Klimawandels in der eigenen Lieferkette über Diversifikation zu verringern. Sie sind damit stärker als Großunternehmen auf die Anpassungsbemühungen ihrer Geschäftspartner angewiesen.

Solche positiven externen Effekte der Anpassungsbemühungen einzelner auf den Schutz vieler können zwar eine finanzielle Förderung von Anpassungsmaßnahmen begründen. Eine solche Unterstützung bleibt jedoch wirkungslos, wenn sie lediglich die Nachfrage nach Anpassungsmaßnahmen steigert, das Angebot aber aufgrund von ausgelasteten Kapazitäten bereits stark ausgeschöpft ist.

Zielführender sind hier politische Initiativen, die das Angebot an Anpassungsmaßnahmen erweitern, sei es durch Maßnahmen zur Reduzierung des Fachkräftemangels oder durch eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren.

Fazit

Der Klimawandel und dessen physische wie politische Folgen stellen den Mittelstand vor eine Vielzahl an Herausforderungen: Die Unternehmen müssen einerseits selbst nachhaltiger produzieren. Gleichzeitig müssen sie sich stärker gegen die Folgen des Klimawandels absichern.

Bei beiden Zielen möchte die Bundesregierung den Mittelstand unterstützen. Die große Herausforderung für die Politik besteht jedoch darin, dass eine Ziel zu fördern, ohne damit vom anderen Ziel abzulenken. Die zentrale Handlungsempfehlung für die Politik ist daher, sich statt auf einen zunehmend undurchsichtigen Dschungel an Einzel-Fördermaßnahmen auf die Gestaltung von Rahmenbedingungen zu konzentrieren.

Auch sollte sie Hemmnisse abbauen, die beiden Zielen im Weg stehen. Hier sind insbesondere bürokratische Belastungen und zeitaufwendige Genehmigungsverfahren zu nennen. Schließlich ist der Mittelstand selbst in der Lage, mit den gegenwärtigen Herausforderungen zurechtzukommen. Dafür benötigt er aber weniger Förderung – und mehr Freiraum.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Wie Unternehmen Klimaanpassung spielerisch erproben können von Sophie Fischer, Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Transformation von KMU: Steuerliche Instrumente verbessern von Armando García Schmidt und Dr. Marcus Wortmann, Bertelsmann Stiftung

KMU-Klima-Deal: Auf dem Weg zur Klimaneutralität von Prof. Dr. Jana Brauweiler et al., Hochschule Zittau/Görlitz



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