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Grüne Konjunkturpolitik als Mittel der Transformation?

Prof. Dr. Erik GawelHelmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ und Universität Leipzig
Jun.-Prof. Dr. Paul LehmannHelmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ und Universität Leipzig
Klaas KorteHelmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ

Die grüne Transformation muss sich in einem Umfeld gefühlt ständiger Akutkrisen durchsetzen. Von Finanzkrise über Euroraum-Krise, „Flüchtlingskrise“, Corona-Krise bis hin zur aktuellen Kriegs- und Energiekrise. Krisen binden nicht nur finanzielle Mittel, sondern bedeuten vielfach auch Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und werfen Verteilungsfragen auf.

Langfristige Transformationsanliegen geraten da schnell ins politische Hintertreffen. Es liegt daher nahe, nach Wegen zu suchen, trotz alledem Transformationspfade abzusichern und zu verfolgen.

Zwei Fliegen mit einer Klappe: Krisenbewältigung und Transformation?

Einer dieser Wege könnte die „grüne Konjunkturpolitik“ sein. Sie verkörpert die auf den ersten Blick charmante Idee, sowohl krisenhafte Abschwünge zu bearbeiten als auch gleichzeitig durch „grüne“ Akzente etwas für die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu tun.

So wurden die Corona-bedingten Hilfs- und Konjunkturprogramme in Deutschland und in der EU in der öffentlichen Diskussion auch daran gemessen, ob und wie stark ihr Beitrag zur ökologischen Transformation ist. Gleiches könnte für die aktuellen „Entlastungspakete“ gelten.

Ein wirtschaftswissenschaftliches Autorenteam der Universität Leipzig und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) hat für das Umweltbundesamt eine soeben erschienene Studie vorgelegt, wie solche „grünen Konjunkturprogramme“ sinnvoll eingesetzt und ausgestaltet werden können.

Grüne Konjunkturprogramme sollen in wirtschaftlichen Krisenzeiten die Volkswirtschaft stabilisieren und gleichzeitig einen Beitrag zur ökologischen Transformation leisten.

Prof. Dr. Erik Gawel, JunProf. Dr. Paul Lehmann, Dipl.-Ök. Klaas Korte

Die Bilanz der für die im Zuge der Coronakrise beschlossenen Wirtschaftshilfen fällt dabei gemischt aus. Noch ungünstiger schneiden zahlreiche Maßnahmen der – in der Studie nicht mehr untersuchten – Entlastungspakete ab, die zuletzt als Antwort auf die Energiepreiskrise beschlossen wurden.

Schnittmengen beider Politiken sind überschaubar

Grüne Konjunkturpolitik muss grundsätzlich einen schwierigen Spagat meistern. Sie muss helfen, die Volkswirtschaft kurzfristig zu stabilisieren – und gleichzeitig längerfristig wirksame Impulse für die ökologische Transformation setzen.

Stabilisierungspolitik und Transformationspolitik sind – trotz gewisser Überschneidungsbereiche, etwa bei Investitionen – vom Ansatz her grundverschieden. Es wird daher immer auch Konjunkturpolitik geben, die nichts wesenhaft „Grünes“ an sich hat (z. B. die inflationseindämmende Geldpolitik).

Grundsätzlich kommen ohnehin für grüne Konjunkturprogramme nur Maßnahmen in Frage, mit denen erst einmal die Wirtschaftskrise selbst zielgerichtet bekämpft werden kann. Grüne Konjunkturpolitik ist also zunächst und in erster Linie Konjunkturpolitik. Für umweltpolitische Instrumente gilt das jedoch gerade nicht in jedem Fall.

So wurde während der Coronakrise ein „Zukunftspaket“ beschlossen, um die Verkehrswende, den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur und die Gebäudesanierung stärker zu fördern. Derartige Investitionsmaßnahmen entfalten ihre Wirkung wegen aufwendiger Planungs- und Umsetzungsverfahren in der Regel erst sehr zeitverzögert. Der erhoffte wirtschaftliche Impuls durch mehr Investitionen tritt dann oft erst verspätet ein, nachdem die Wirtschaftskrise bereits abgeklungen ist.

Auch wenn sie umweltpolitisch sinnvoll sind, eignen sich grüne Investitionsmaßnahmen daher eher selten 1:1 zugleich auch für grüne Konjunkturprogramme.

Viel wichtiger ist folgender Gedanke: Wenn Konjunkturmaßnahmen ergriffen werden, so sollen sie transformativ nach Möglichkeit jedenfalls nicht schaden.

Prof. Dr. Erik Gawel, JunProf. Dr. Paul Lehmann, Dipl.-Ök. Klaas Korte

„Do no harm“ als Gestaltungsprinzip grüner Konjunkturpolitik

Grüne Konjunktur- und Krisenprogramme sollten also langfristig vor allem keine neuen ökologischen Schäden verursachen oder neue Lock-ins produzieren, welche die Transformation weiter erschweren. Das entscheidende Gebot lautet also „Do no harm“.

So muss vermieden werden, dass Konjunkturprogramme zu neuen Investitionen in langlebige umweltschädliche Technologien führen. Auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten dürfen daher insbesondere Umweltauflagen und -steuern nicht abgeschwächt werden.

Es war daher grundsätzlich positiv zu bewerten, dass während der Coronakrise beispielsweise die CO2-Bepreisung nicht ausgesetzt wurde – obwohl dies von politischen Akteuren auf nationaler und europäischer Ebene gefordert wurde.

Anders wurde zuletzt bei der Energiekrise verfahren:

  • Die für 2023 im Brennstoffemissionshandelsgesetz geplante Anhebung der CO2-Abgabe für kohlenstoffhaltige Brenn- und Kraftstoffe um 5 Euro pro Tonne wurde um ein Jahr verschoben.
  • Zudem wurde der vorgesehene Festpreis in den Jahren 2024 und 2025 um 10 Euro pro Tonne gesenkt. Wegen der massiven Preissteigerungen bei fossilen Energieträgern und bei Strom mag die Entscheidung nachvollziehbar sein, private Haushalte zu entlasten.

Allerdings wäre aus Transformationssicht zielführender gewesen, die Haushalte durch direkte staatliche Einkommenstransfers zu entlasten statt durch eine Senkung der Energiepreise bzw. durch eine Reduktion der Bepreisung von Treibhausgasemissionen.

Beispiele transformativ problematischer Krisenpolitik

In jedem Falle sollten umweltschädliche Technologien nicht direkt staatlich gefördert werden, um die Konjunktur anzukurbeln. Zwar ist während der Coronakrise richtigerweise auf eine „Abwrackprämie“ zur Förderung des Kaufs neuer Autos mit Verbrennungsmotor verzichtet worden – wie sie noch während der Finanzkrise 2008/09 zum Einsatz kam.

Durch die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer und die gleichzeitige Erhöhung der Kaufprämie für Fahrzeuge auch mit Hybridantrieb (und die für das Folgejahr angekündigte Kfz-Steuer-Reform mit verstärkter CO2-Komponente) ist es jedoch trotzdem 2021 zu erheblichen unerwünschten Anreizen gekommen, (teure) Autos mit (leistungsstarkem) Verbrennungsmotor neu anzuschaffen.

Den Ansprüchen an ein „grünes“ Konjunkturprogramm konnten die während der Coronakrise beschlossenen Wirtschaftshilfen daher nur in Teilen genügen. Und auch im Zuge der Energiekrise wurde auf Subventionen für fossile Energieträger zurückgegriffen. Insbesondere der „Tankrabatt“ ragte dabei heraus. Dieser setzte klar umweltschädliche Konsumanreize. Gleichzeitig war er wenig geeignet, um tatsächlich bedürftige Haushalte zielgerichtet zu entlasten.

In Einzelfällen können auch Transformationsinstrumente stabilisierend wirken. So wirkt das EU-Emissionshandelssystem aufgrund seiner antizyklischen Wirkung wie ein aus der Theorie bekannter „automatischer Stabilisator“: In Zeiten hoher Auslastung der Produktionsfaktoren und damit verbundenen hohen Emissionen wirken steigende Zertifikatpreise kontraktiv, bei sich abschwächender Konjunktur hingegen sinken die Zertifikatpreise und entfalten dadurch expansive Effekte.

Wichtige Einsichten für die Zukunft

Insgesamt bleibt die „grüne Konjunkturpolitik“ aber ein schwer einzulösendes Konzept. Vor allem Investitionen der langen Linie passen kaum in ein System kurzfristig wirkender Impulse, die dann auch – bei Änderung der konjunkturellen Lage – wieder gestoppt werden müssten.

Maßnahmen und Instrumente, die in transformationspolitischer Hinsicht als geeignet und wichtig zu bewerten sind, sollten ohnehin vordringlich und auch unabhängig vom Vorliegen der Notwendigkeit akuter konjunkturpolitischer Eingriffe vorangebracht werden.

Ein Zuwarten auf die nächste Krise erhöhte nicht nur den politischen Handlungsdruck (und macht etwa Klimaschutz immer teurer), sondern steigerte gleichzeitig auch die Wahrscheinlichkeit des zukünftigen Eintritts eines Krisenszenarios.

Die wichtigste Einsicht scheint uns daher die „Do-no-harm““-Regel zu sein: Betreibe Krisen- und Konjunkturpolitik so, dass die grüne Transformation nicht ausgebremst oder gar behindert wird.

Prof. Dr. Erik Gawel, JunProf. Dr. Paul Lehmann, Dipl.-Ök. Klaas Korte

Wo dies ohne Abstriche bei der konjunkturpolitischen Effektivität und Treffgenauigkeit möglich ist, sollten im Sinne einer grünen Konjunkturpolitik zudem solche Maßnahmen gewählt werden, die zugleich die grüne Transformation bestmöglich befördern. Leider bieten einige der Maßnahmen aus den aktuellen Entlastungspaketen hier Anschauungsmaterial, wie es gerade nicht gemacht werden sollte (Stichworte „Tankrabatt“ und Energiepreispauschalen für alle).

Literatur:

Policy Paper „Grüne Konjunkturpolitik – Herausforderungen und Chancen“.

Abschlussbericht der UBA-Studie Grüne Konjunkturprogramme.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Die Politische Ökonomie der Kohle und der Einfluss des Krieges in der Ukraine auf die deutsche Energiepolitik von Dr. Dagmar Kiyar und Dr. Lukas Hermwille, Wuppertal Institut

Handelspolitik für mehr Klimaschutz von Prof. Dr. Galina Kolev, IW

Innovation for Transformation: Was es zur Gestaltung missionsorientierter Innovationspolitiken braucht, Bertelsmann Stiftung



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