Circular Economy: Ein Schlüssel für eine Nachhaltige Soziale Marktwirtschaft?

Ruben KrebsBertelsmann Stiftung
Dr. Marcus WortmannBertelsmann Stiftung

Um die Transformation hin zu einer Nachhaltigen Sozialen Marktwirtschaft zu vollziehen, genügt es nicht, nur auf die Senkung von Treibhausgasemissionen abzuzielen. Vielmehr müssen wir unseren Umgang mit Ressourcen grundsätzlich ändern, um eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise zu erreichen.

In den letzten 50 Jahren hat sich der globale Rohstoffverbrauch nahezu vervierfacht. Allein die deutsche Volkswirtschaft verbrauchte 2019 1,3 Mrd. Tonnen Rohstoffe, wovon nur wenige in den Wirtschaftskreislauf zurückgehen: Etwas mehr als 12 Prozent der eingesetzten Rohstoffe werden durch Recycling oder andere Formen der Wiederaufbereitung neu nutzbar gemacht.

Angesichts der sich zuspitzenden globalen Klima- und Umweltkrise, aber auch der kritischen Importabhängigkeiten bei vielen Rohstoffen ist es höchste Zeit, unsere Wirtschaft in Richtung einer Circular Economy (CE) weiterzuentwickeln.

Im April dieses Jahres startete das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) den Entstehungsprozess für eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS), die den Rahmen für die Transformation von einer linearen zu einer zirkulären Wirtschaft bilden soll.

In zwei neuen Fokuspapieren widmet sich die Bertelsmann Stiftung vor allem den Zielkonflikten, die mit einer solchen zirkulären Transformation verbunden sein können. Welche Auswirkungen auf unseren Wohlstand und seine Verteilung sind zu erwarten und wie können wir die Wirtschaftspolitik so gestalten, dass sie die Potenziale bestmöglich hebt?

Was ist die Circular Economy?

Im aktuellen System der linearen Wirtschaft wird eine Ressource zunächst gewonnen (abgebaut), dann zu einem Produkt verarbeitet, verkauft und anschließend verbraucht. Nach dem ersten Verkauf verliert sie häufig schnell ihren Wert und wird am Ende der Nutzungsdauer als Abfall entsorgt.

Die CE setzt genau hier an: Dieser lineare Prozess wird zu einem zirkulären Wirtschaftsprozess umgewandelt, indem Rohstoffe, die einmal entnommen und verarbeitet worden sind, ihren ökonomischen Wert so lange wie möglich erhalten und im Kreislauf geführt werden. Somit stellt die CE ein Ziel- und Leitbild für ein grundlegend verändertes Wirtschafts- und Produktionsmodell dar, bei dem ein möglichst langer Werterhalt von Ressourcen und Produkten im Mittelpunkt steht.

Das Design der hergestellten Produkte richtet sich dabei nach Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Demontagefähigkeit für die Wiederverwertung der eingesetzten Rohstoffe und ermöglicht so die Schließung von Stoffkreisläufen. Durch Vermeidung und Effizienz bei Produktion und Konsum wird der Bedarf an Primärrohstoffen zusätzlich gesenkt, sodass insgesamt nicht nur Umweltschäden vermieden, sondern auch die mit dem Rohstoffverbrauch verbundenen sozialen Probleme behoben werden können.

Erreicht werden soll all dies über die sogenannten R-Strategien (Reduce, Repair, Refurbish, Remanufacture, Reuse, Recycle u.a.), deren Implementierung eine grundsätzliche Umstellung vieler tradierter Prozesse unseres Wirtschaftssystems bedeutet und sehr voraussetzungsreich ist.

So müssen für die Langlebigkeit und Kreislaufführung sowohl die technischen Verfahren flächendeckend etabliert als auch Sammel- und Rückgewinnungsinfrastrukturen installiert sein. Produkte, Daten und Prozesse müssen standardisiert, Liefer- und Wertschöpfungsketten angepasst werden. Letztlich erfordert dies auch ein neues Verständnis von Geschäftsmodellen und Konsummustern, bei denen nicht mehr das schnelle Verbrauchen und Neuproduzieren im Vordergrund steht, sondern das Vermeiden und Teilen. Für den Erfolg einer so umfassenden Transformation ist daher der gesellschaftliche Rückhalt essenziell.

Wo steht Deutschland?

Der von der Bundesregierung im April 2023 gestartete Prozess zur Erstellung der NKWS zielt auf eine ganzheitliche CE in Deutschland ab. Jedoch existieren noch keine konkreten Zielvorstellungen für den Primärrohstoffkonsum und wie sich bei seiner Reduzierung Wohlstandsverluste vermeiden lassen.

Die Rohstoffproduktivität (ein Indikator für die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Rohstoffeinsatz) in Deutschland ist zwischen 2000 und 2021 um 51 Prozent gestiegen. Diese setzt sich aus dem Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt zum Inländischen Materialkonsum (DMC) zusammen. Abbildung 1 verdeutlicht die seit 2000 erfolgte zunehmende Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Rohstoffeinsatz (hier DMC) in Deutschland:

Was zunächst wie eine beachtliche Entwicklung erscheint, ist jedoch weniger durch die absolute Senkung des Rohstoffeinsatzes als vielmehr durch das überproportionale Wirtschaftswachstum in diesem Zeitraum zu erklären und zeigt daher keine explizite Entspannung bei der Inanspruchnahme von Primärrohstoffen in Deutschland.

Und wie sieht es in Europa aus?

Während andere Staaten wie Österreich bereits konkret formulierte Kreislaufwirtschaftsstrategien mit expliziten zeitlichen wie mengenmäßigen Zielsetzungen beschlossen haben, ist auch die im Kreislauf geführte Materialmenge in einigen europäischen Staaten höher als in Deutschland: Zwar befindet sich dieser Anteil in Deutschland mit fast 13 Prozent 2021 leicht über dem EU-Durchschnitt, jedoch liegt Deutschland damit immer noch hinter den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Italien und Estland.

In den Niederlanden wurde 2021 der europaweit höchste Anteil von fast 34 Prozent erreicht. Auf europäischer Ebene existieren mit dem Circular Economy Action Plan (CEAP) von 2015 und seit 2019 auch mit dem Green Deal Gesamtstrategien für die Implementierung einer CE.

Zustimmung für die Circular Economy

Für den Erfolg von CE-Strategien ist neben dem regulatorischen Rahmen und den notwendigen technologischen Innovationen auch der gesellschaftliche Rückhalt zentral. Nur so sind die Menschen bereit, ihre Konsumgewohnheiten und Entscheidungspräferenzen zu verändern und eine Kreislaufführung von Rohstoffen und Produkten zu ermöglichen.

Umfragen zufolge stößt das Zielbild einer CE auf große Zustimmung. Fast 88 Prozent der Befragten einer Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung äußerten sich zustimmend auf die Frage nach einer Wirtschaft, bei der Produkte möglichst bis zur maximalen Nutzungsdauer verwendet anstatt nach kurzer Zeit entsorgt werden. Darüber hinaus erkennen privatwirtschaftliche Entscheider:innen und Selbstständige einen Trend hin zu zirkulären Wertschöpfungsstrategien.

Gleichzeitig lässt sich aus der Umfrage jedoch auch ableiten, dass es noch Unterschiede in der Wahrnehmung zirkulärer Wertschöpfungsstrategien gibt. Die neuen Anforderungen an Design und Prozesse scheinen sowohl bei Entscheider:innen als auch bei Arbeitnehmern noch nicht überall präsent zu sein.

Zudem herrscht Unsicherheit darüber, aus welcher Richtung der Anstoß zur Implementierung einer CE kommen muss. Sowohl die Nachfrageseite, als auch höhere Primärrohstoffpreise sowie Produkt- und Prozessinnovationen werden gleichermaßen als wichtige Impulskanäle eingeschätzt. Dadurch zeigt sich, dass die CE auch im Bewusstsein der Befragungsteilnehmenden als vielschichtiges Wirtschafts- und Produktionsmodell wahrgenommen wird.

Der Beitrag einer Circular Economy zur Nachhaltigen Sozialen Marktwirtschaft

CE kann als ein Schlüssel zur Erreichung einer Nachhaltigen Sozialen Marktwirtschaft verstanden werden, denn durch die Reduzierung des Ressourceneinsatzes und die Kreislaufführung natürlicher Ressourcen ließe sich materieller Wohlstand theoretisch dauerhaft und ausreichend vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. Dadurch könnte das Ziel der ökologischen Nachhaltigkeit gewährleistet werden, ohne die langfristig natürlich auch kein anderes wirtschaftspolitisches Ziel erreicht werden kann.

Allerdings ist nicht klar, ob dies zunächst nur auf Kosten einer sinkenden Wertschöpfung, steigenden Arbeitslosenzahlen und Preisen erreicht würde. Die Auswirkungen auf andere Zielparameter einer Nachhaltigen Sozialen Marktwirtschaft sind nicht so eindeutig vorhersehbar. Unsere neuen Fokuspapiere analysieren genauer, welche Effekte im Einzelnen und über welche Frist zu erwarten sind.

Circular Economy trägt positiv zur ökologischen Nachhaltigkeit bei

Die CE kann in verschiedenen Handlungsfeldern der ökologischen Nachhaltigkeit einen positiven Betrag zur Zielerreichung leisten. So können durch CE-Maßnahmen sowohl der gesamte Rohstoffbedarf als auch die Nachfrage nach Primärrohstoffen gesenkt werden. Dadurch würden nicht nur erhebliche Mengen an Treibhausgasemissionen eingespart, sondern auch zahlreiche Co-Benefits hinsichtlich der Luft-, Boden und Wasserqualität entstehen.

Weiterhin können abiotische Rohstoffe wie Erze oder Baumineralien durch biotische Rohstoffe (Biomasse) substituiert werden, wodurch Abbauaktivitäten zurückgehen, die häufig mit folgenschweren externen Effekten für die Abbauregion verbunden sind.

Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Anbau biotischer Rohstoffe nachhaltig erfolgen muss, um negative externe Effekte auf den lokalen Wasserhaushalt oder die Biodiversität zu vermeiden. Auch sollten bei zunehmender Kreislaufführung und Rohstoffrecycling Rebound-Effekte bei der Produktion und dem Konsum der Güter ausgeschlossen werden, um die ökologische Nachhaltigkeit der CE zu gewährleisten.

Unsicherheiten bei den Beschäftigungseffekten der Circular Economy

Mit Einführung einer CE geht ein umfassender Strukturwandel einher, der auch den Arbeitsmarkt betrifft. Bezüglich der Beschäftigungseffekte herrschen noch große Unsicherheiten. Um den Arbeitsmarkt auf die veränderten Anforderungen einer CE vorzubereiten, bedarf es einer zentralen Rolle der Politik bei der (Um-)Qualifizierung von Arbeitskräften, der Sicherstellung der Qualität von Arbeitsplätzen sowie bei der Schaffung eines angemessenen arbeitsrechtlichen Rahmens.

Um arbeitsintensivere zirkuläre Wertschöpfungsprozesse etwa im Bereich des Recyclings und der Herstellung von Sekundärrohstoffen relativ günstiger und attraktiver zu machen, könnte die Förderung und Nutzung von Primärmaterialien stärker besteuert und im Gegenzug die Steuern auf Arbeit gesenkt werden.

Circular Economy ist kompatibel mit außenwirtschaftlichem Gleichgewicht

Die CE kann auch einen wichtigen Teil zur Erreichung eines außenwirtschaftlichen Gleichgewichts beitragen. Einerseits können durch die Implementierung von CE-Maßnahmen die vor allem in Deutschland kritischen Importabhängigkeiten bei Rohstoffen gesenkt werden, andererseits ergibt sich auch durch Investitionen und die Entwicklung neuer Verfahren und Technologien für eine klimaneutrale und ressourcenschonende Wirtschaft zunächst ein höherer Bedarf an z.T. kritischen Rohstoffen.

Deshalb ist kurzfristig eine Diversifizierung des Außenhandels insbesondere bei kritischen Rohstoffen wie Seltenen Erden notwendig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Ist dies sichergestellt, können sich durch die Umstellung auf eine CE und die damit verbundenen innovativen Technologien, Verfahren und Geschäftsmodelle durchaus auch neue Potenziale für globale Absatzmärkte für das Exportland Deutschland ergeben.

Implikationen der Circular Economy für Wertschöpfung und Preise

Generell sind im Zuge der Transformation hin zu einer CE sowohl wachstumssteigernde als auch -dämpfende Effekte zu erwarten, von denen einige in der nachfolgenden Tabelle exemplarisch dargestellt sind:

Generell lässt sich sagen, dass die Effekte der CE auf das reale BIP in den meisten Fällen leicht positiv sind, es in der Regel jedoch nur zu geringen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen kommt. Da es sich bei der Transformation um einen grundlegenden Strukturwandel handelt, ist davon auszugehen, dass es infolgedessen sektoral, regional und auch in Bezug auf einzelne Beschäftigte und Unternehmen sowohl Gewinner:innen als auch Verlierer:innen geben wird.  

In der Transformationsphase sind daher einerseits Investitionen und Aktivitäten in Forschung und Entwicklung, andererseits jedoch auch passende Qualifizierungsmaßnahmen für Erwerbstätige erforderlich, um einen erfolgreichen Wandel herbeizuführen. Diese Maßnahmen erhöhen die Produktion und Beschäftigung; jedoch kann es langfristig zu wachstumsdämpfenden Effekten kommen, da beispielsweise eine geringere Nachfrage nach Produkten aufgrund ihrer höheren Lebensdauer entstehen kann. Somit lassen sich BIP- und beschäftigungserhöhende Effekte nur kurz- bis mittelfristig in der Transformationsphase der CE erwarten.

Auch beim Preisniveau zeigt sich die ambivalente Wirkung der CE: Während der Transformationsphase kommt es zu Preisniveauerhöhungen, insbesondere aufgrund des ansteigenden Investitionsbedarfs und wegen höherer Kosten der Verfahren. Nach ihrer Implementierung wirkt die CE in der langen Frist preisniveaudämpfend, da nun ein nachlassender Investitionsbedarf und eine höhere Ressourceneffizienz einsetzen.

Wirtschaftspolitische Implikationen für den Erfolg der Circular Economy

Die CE besitzt ein sehr großes ökologisches wie ökonomisches Potenzial. Dieses zu nutzen, hängt in erheblichem Maße von der wirtschafts- und sozialpolitischen Flankierung des mit der Transformation einhergehenden Strukturwandels ab. Hier sollte der Staat die Transformation fördern, beispielsweise durch höhere Preise für den Primärrohstoffverbrauch, Subventionen und Investitionsförderung für ressourcenschonende Aktivitäten oder durch ordnungspolitische Maßnahmen wie Mindestquoten etwa für Recyclingmaterial. Auch die bildungs- und arbeitsmarktpolitische Begleitung mit einer zielgerichteten Unterstützung der vom Strukturwandel betroffenen Sektoren, Regionen und Bevölkerungsgruppen ist essenziell.

Angesichts des immer weiter steigenden Ressourcenverbrauchs, des voranschreitenden Klimawandels und der damit verbundenen Verteilungskonflikte sollte dem Beenden der Ressourcenverschwendung höchste Priorität eingeräumt werden.

Es müssen klare Ziele gesetzt und effektive Maßnahmen formuliert, umgesetzt und laufend evaluiert werden, um die CE als Schlüssel zu einer Nachhaltigen Sozialen Marktwirtschaft wirkungsvoll zu implementieren und als Wirtschaftssystem zu etablieren. Deutschland ist hier kein Spitzenreiter.

Es ist daher mehr politischer Mut und eine rasche Rahmen- und Anreizsetzung geboten, um auch in Zukunft Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und diese Ziele mit ökologischer Nachhaltigkeit zu vereinbaren.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Die Rolle von Narrativen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft von Machteld Simoens, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Dr. Anran Luo, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

Recycling: Einsatz von Sekundärrohstoffen in der Praxis von Dr.-Ing. Ulrike Lange, VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH

Was Biokunststoffe zu einer zukunftsfähigen Kreislaufwirtschaft beitragen können von Dr. Lisa Mundzeck, Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe



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