Wie Wetterextreme die Wirtschaft gefährden und was dagegen getan werden kann

Dr. Kilian KuhlaPotsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)
Dr. Christian OttoPotsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

Wetterextreme stellen für die Gesellschaft und Wirtschaft eine anhaltende Bedrohung dar. Neben durchschnittlich etwa 29.000 Todesfällen pro Jahr weltweit [1] verursachen Extremwetterereignisse Schäden an Produktionsstätten, Wohngebäuden, kritischer Infrastruktur und Ernten in Höhe von 70 Milliarden Euro [2]. Allein 2005 summierten sich die direkten Schäden von Hurrikanen in den USA auf mehr als 150 Milliarden Euro [3].

In den letzten Jahren wurden verstärkt die langfristigen Auswirkungen von Extremwetterereignissen auf die sozio-ökonomische Entwicklung untersucht. Unter anderem wurde gezeigt, dass tropische Wirbelstürme und Flussüberschwemmungen das Wirtschaftswachstum für mehr als eine Dekade bremsen können. Insbesondere für sehr starke Ereignisse können die dadurch entstehenden langfristigen wirtschaftlichen Verluste die direkten Schäden bei weitem übertreffen [4].

In unserer aktuellen Studie [5], welche im Fachjournal Science Advances erschienen ist, zeigen wir, wie sich Hurrikane (tropische Wirbelstürme im Nordatlantik) auf das langfristige Wirtschaftswachstum in den USA auswirken.

Des Weiteren analysieren wir, inwieweit eine umfassende nationale Klimarisikoversicherung die Wachstumsverluste verringern kann. Dadurch können wir auch lernen, wie wir uns in Europa und Deutschland an die Intensivierung von Extremwettereignissen wie Flussüberschwemmungen oder Dürren anpassen können.

In unserer Analyse nehmen wir an, dass die wirtschaftliche Produktion wie in den letzten Jahrzehnten weiter anwächst – ob und wie dies innerhalb der Planetaren Grenzen [6] zukünftig möglich ist, wird dabei nicht erörtert.

Hurrikane behindern wirtschaftliche Entwicklung langfristig

In unseren Computersimulationen berechnen wir die Wachstumsverluste durch Hurrikane basierend auf zwei Mechanismen. Einerseits werden zusätzliche Investitionen benötigt, um beschädigte Infrastruktur, Fabriken und Wohnhäuser nach einem Hurrikan wieder aufzubauen. Diese Investitionen können zu einer kurzfristigen Steigerung des Wirtschaftswachstums führen (“Wiederaufbauboom”). Langfristig verringern sie aber das wirtschaftliche Wachstum, da diese Investitionen nicht mehr für den Aufbau zusätzlicher Produktionskapazitäten genutzt werden können.

Während den für den Wiederaufbau benötigten Investitionen grundsätzlich in den etablierten Wirtschaftsmodellen Rechnung getragen wird, bilden diese oft nicht ab, dass die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Erholung nicht nur durch die zur Verfügung stehenden Investitionen, sondern durch die für den Wiederaufbau von Produktionsstätten und Infrastruktur benötigte Zeit begrenzt ist.

Unsere Berechnungen zeigen, dass sich die wirtschaftliche Erholung durch die für den Wiederaufbau benötigte Zeit stark verlängert und die Erholungszeit mit der Stärke des direkten Schadens überproportional wächst. Dadurch stellt sich die Frage, was passiert, wenn während dieser wirtschaftlichen Erholungsphase ein weiterer Hurrikan Schäden verursacht? Dann müssen länger Investitionen in den Wiederaufbau fließen, was wieder auf Kosten des Wirtschaftswachstum geht.

Nach unseren Simulationen ist die US-Wirtschaft in der historischen Periode von 1980-2014 aufgrund von Hurrikanen um bis zu einem viertel Promillepunkt pro Jahr weniger gewachsen. Zugleich zeigen unsere Berechnungen, dass durch unvollständige Erholungen zwischen aufeinanderfolgenden Hurrikanen sich die US-Wachstumsverluste um 16 Prozent erhöhen können.

Wachstumsschäden nehmen unter Klimawandel zu

Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass unter fortschreitendem Klimawandel der Anteil besonders schwerer Hurrikane zunimmt, selbst wenn die globale Mitteltemperatur auf unter +2°C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter begrenzt wird [7].

Darauf aufbauend zeigen unsere Berechnungen, dass durch den Klimawandel die direkten Schäden durch sowie die Wahrscheinlichkeit für unvollständige wirtschaftliche Erholung zwischen Hurrikanen für die USA zunehmen werden, falls keine adäquaten Anpassungsmaßnahmen getroffen werden (siehe Grafik 1).

Grafik 1: Anzahl von Hurrikanen (y-Achse), der verursachte direkte ökonomische Schaden (Größe der Kreise) und die Heterogenität der Schäden (x-Achse) für die historische Periode (grau) sowie den Klimawandelprojektionen nach Grinsted et al. (2013) [8] (blau) und Knutson et al. (2013) [9] (rot) für 2°C globaler Erderwärmung.

In einer 2°C wärmeren Welt könnten sich die Wachstumsverluste der US-Wirtschaft gegenüber 1980-2014 mehr als verdoppeln. Gegenwärtige Klimaschutzmaßnahmen würden zu einer globalen Erwärmung von 2,7°C bis zum Ende des Jahrhunderts führen, was eine mehr als Versechsfachung der Wachstumsverluste in den USA bedeuten könnte.

Klimarisikoversicherung verringert Wachstumseinbußen

Es gibt verschiedene Maßnahmen, um derzeitige und zukünftige Wachstumsverluste durch Wetterextreme zu verringern. Auf der einen Seite könnte die Infrastruktur resilienter gegenüber Extremereignissen wie Stürme oder Fluten gebaut werden. Solche Anpassungsmaßnahmen sind zwingend notwendig, vor allem auch um Menschenleben zu schützen, aber sie haben auch ihr Limit: Nicht alle Kapitalschäden durch Wetterextreme können vermieden werden.

Dies bedeutet, dass auf der anderen Seite entstandene Schäden so schnell wie möglich repariert werden müssen, um Wachstumsverluste und die Wahrscheinlichkeit einer unvollständigen Erholung gering zu halten.

Unsere Computersimulationen zeigen, dass eine allgemein-verbindliche, steuerfinanzierte, nationale Klimarisikoversicherung die Wachstumsverluste durch Wetterextreme erheblich senken könnte, indem sie zusätzliche Investitionsmittel für den Wiederaufbau zur Verfügung stellt.

Kilian Kuhla & Christian Otto

Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Wirtschaft zwischen aufeinanderfolgenden Ereignissen vollständig erholen kann. In unserer Studie zeigen wir, dass in den USA eine solche Klimarisikoversicherung die erwartete Zunahme der durch Hurrikane verursachten Wachstumsverluste durch den Klimawandel kompensieren kann (siehe Grafik 2), wenn die globale Erwärmung wie in Paris vereinbart auf deutlich unter 2°C begrenzt werden kann.

Unsere Berechnungen zeigen weiter, dass eine Klimarisikoversicherung nicht nur die negativen Folgen für das Wirtschaftswachstum effektiv abfedert, sondern auch der gesellschaftlichen Wohlfahrt zu Gute kommt.

Grafik 2: Jährliche Wachstumsverluste durch Hurrikane für die USA für die historische Schadensverteilung sowie für Schadensprojektionen basierend auf Grinsted et al. (2013) [8] und Knutson et al. (2013) [9] für 2°C globaler Erderwärmung. Die Wachstumsverluste können durch eine Erhöhung der Versicherungsabdeckung gegenüber des historischen Werts (50%) kompensiert werden.

Nationale Klimarisikoversicherungen: in stark betroffenen Ländern wohl unzureichend

In reichen Industrienationen scheint solch eine nationale Klimarisikoversicherung deutlich besser realisierbar als in wirtschaftlich schwachen Ländern, in denen finanzielle Mittel beschränkter und dadurch Versicherungsbeiträge schwerer zu stemmen sind.

Zudem führen meist niedrige Baustandards zu höheren relativen Verlusten durch Extremwetterereignisse und viele Länder des Globalen Südens sind überproportional stark von den Folgen des Klimawandels betroffen.

Betrachten wir Haiti als ein Beispiel für ein stark von Hurrikanen betroffenes kleines Entwicklungsland und nehmen an, dass dessen Versicherungsabdeckung so gut wäre wie bereits heute in den USA, dann würden die haitianischen Wachstumsverluste durch Hurrikane, nach unseren Berechnungen, trotzdem ungefähr sechsmal höher sein.

Da nationale Versicherungslösungen für Länder des Globalen Südens also unzureichend erscheinen, müssen internationale Hilfszahlungen für stark betroffene Entwicklungsländer bei der Bewältigung der Schäden durch Wetterextreme und den Klimawandel deutlich intensiviert werden. Solche Anpassungsmaßnahmen – nationale Klimarisikoversicherung und internationale Hilfen – sind dabei aber nur ein Teilabschnitt entlang eines Transformationspfades zu einer Klimawandel-resilienten Gesellschaft.

Das Fortschreiten des Klimawandels (und die Überschreitung weiterer Planetarer Grenzen) muss mit genauso ambitionierten Schritten entgegengewirkt werden. Dies bedeutet, dass die drastische Reduzierung von Treibhausgasemissionen ebenso unmittelbares Ziel sein muss wie die Implementierung vielfältiger Anpassungsmaßnahmen, um die große Transformation hin zu einem nachhaltigen Leben und Wirtschaften in den kommenden Jahrzehnten zu stemmen.

Literatur

1. CRED Report 2015. [cited 24 Jan 2023].
2. Trends in weather related disasters – Consequences for insurers and society. Weather and Climate Extremes. 2016;11: 70–79.
3. Weinkle J, Landsea C, Collins D, Musulin R, Crompton RP, Klotzbach PJ, et al. Normalized hurricane damage in the continental United States 1900–2017. Nat Sustain. 2018;1: 808–813.
4. Krichene H, Geiger T, Frieler K, Willner SN, Sauer I, Otto C. Long-term impacts of tropical cyclones and fluvial floods on economic growth–Empirical evidence on transmission channels at different levels of development. World Dev. 2021;144: 105475.
5. Otto C, Kuhla K, Geiger T, Schewe J, Frieler K. Better insurance could effectively mitigate the increase in economic growth losses from U.S. hurricanes under global warming. Sci Adv. 2023;9: eadd6616.
6. Steffen W, Richardson K, Rockström J, Cornell SE, Fetzer I, Bennett EM, et al. Sustainability. Planetary boundaries: guiding human development on a changing planet. Science. 2015;347: 1259855.
7. Intergovernmental panel on climate change. Working group 1. Climate Change 2021: The Physical Science Basis : Summary for Policymakers : Working Group I Contribution to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. 2021.
8. Grinsted A, Moore JC, Jevrejeva S. Projected Atlantic hurricane surge threat from rising temperatures. Proc Natl Acad Sci U S A. 2013;110: 5369–5373.
9. Knutson TR, Sirutis JJ, Vecchi GA, Garner S, Zhao M, Kim H-S, et al. Dynamical downscaling projections of twenty-first-century Atlantic hurricane activity: CMIP3 and CMIP5 model-based scenarios. J Clim. 2013;26: 6591–6617.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Machthaber und Habenichtse: Wie Ungleichheit Umweltverhandlungen durchzieht von Dr. Wolfgang Sachs, Wuppertal Institut

Muss die Wirtschaft schrumpfen, um das Klima zu retten? von Prof. Dr. Fabian Lindner, HTW

Das Pariser Klimaschutzabkommen und seine Wirkung: Wie wichtig ist die Teilnahme einzelner Staaten? Prof. Dr. Mario Larch, Universität Bayreuth und Prof. Dr. Joschka Wanner,
Universität Potsdam



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