Öko-Regelungen: „Wir müssen an den großen Stellschrauben drehen“
Mit Öko-Regelungen will die Politik die Landwirtschaft nachhaltiger machen. Was sich genau hinter den Förderinstrumenten verbirgt, welche positiven Entwicklungen es gibt und welche Hürden, verrät Dr. Norbert Röder. Der Agrar-Ökonom forscht am Thünen-Institut für ländliche Räume, Landwirtschaft, Wald und Fischerei.
Herr Röder, was genau versteht man unter Öko-Regelungen?
Der Name suggeriert vielleicht, dass Öko-Regelungen etwas mit Öko-Landbau zu tun haben. Das ist aber ein Trugschluss. Es handelt sich um neue Instrumente für flächenbezogene Agrar-Umwelt-Maßnahmen ab 2023.
Wir sprechen über sieben Öko-Regelungen. Dazu gehören zum Beispiel
- die Bereitstellung von Brach- und Blühflächen
- eine stärkere Diversifizierung des Anbaus im Ackerbau
- die Förderung von Agroforst-Systemen, wo auf engerem Raum sowohl Gehölze als auch Ackerkulturen angebaut werden
- die Förderung von einem einjährigen Verzicht auf Pflanzenschutzmittel
Es geht um Förderungen von etwa einer Milliarde Euro pro Jahr. Ein besonderer Punkt ist, dass die Maßnahmen zu 100 Prozent von der EU finanziert sind und sie bewegen sich in der sogenannten 1. Säule der EU-Agrarförderung.
Welche Ziele verfolgen diese Öko-Regelungen?
Deutschland hat sich dazu entschieden, sich weitestgehend auf Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität zu fokussieren. Das hat einen riesigen Vorteil: Es ist sehr klar, wozu die Öko-Regelungen gut sind. Das vereinfacht die Kommunikation.
Sind die Öko-Regelungen in Deutschland verbesserungswürdig?
Ein strategisch großes Problem ist, dass der Bund oftmals den Rahmen für Maßnahmen setzt – aber die Umsetzung ist Ländersache. Der Bund hat also auf die Umsetzung oft nur begrenzten direkten Einfluss. Er ist aber gegenüber der EU-Kommission dafür verantwortlich, dass die EU-Ziele erreicht werden. Eine Frage ist dann oftmals, wie der Bund sicherstellen kann, dass die Ländern die Mittel so einsetzen, dass sie auch die Herausforderungen, die auf nationaler Ebene bestehen adäquat adressieren.
In Deutschland liegt die Agrarumweltförderung nämlich seit etwa 30 Jahren in der weitgehenden Verantwortung der Länder. Diese haben unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und jedes hat seine etablierten Maßnahmen, die aus Sicht der Länder möglichst wenig verändert werden sollen.
Nun sollen diese zukünftig alle auf einer veränderten bundeseinheitlichen Basis aufsetzen. Das führt zu erheblichen Interessenkonflikten auch zwischen den Ländern und im Extremfall dazu, dass die Maßnahmen des Bundes und der Länder, um dieselbe Fläche konkurrieren anstatt sich synergistisch zu ergänzen.
Auf der operativen Ebene gibt es aus den unterschiedlichsten Perspektiven Verbesserungsmöglichkeiten:
- So ist Förderung eines diversifizierten Ackerbaus insbesondere für flächenstarke Betriebe oft mit sehr hohen Mitnahmen bei relativ kleinen Umwelteffekten verbunden. Hier hätte eine zusätzliche Auflage, die die maximale zulässige Größe der Schläge begrenzt, einen deutlichen ökologischen Mehrwert gebracht.
- Aus administrativer Sicht stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, eine Maßnahme, wie den einjährigen Verzicht auf Pflanzenschutzmittel als Öko-Regelung zu fördern. Die Inanspruchnahme dieser Maßnahmen wird wahrscheinlich – in Reaktion auf Markt- und Witterungsbedingungen – zwischen den Jahren stark schwanken. Damit wird das zur Verfügung stehende Budget nur in einigen Jahren ausgeschöpft. Im Rahmen der Öko-Regelungen nicht-genutzte Mittel fließen am Jahresende in den allgemeinen EU-Haushalt zurück und können nicht in die nächsten Jahre übertragen werden.
Was hat sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt?
Die EU hat aus vorherigen Situationen gelernt, die nicht gut funktioniert haben. Ein Problem war zum Beispiel, dass sie im Rahmen des Greenings der aktuellen Förderperiode sehr konkrete Maßnahmen einheitliche für alle Mitgliedsstaaten vorgegeben hat. Das läuft bei den Öko-Regelungen nun anders: Die Mitgliedsstaaten können selbst entscheiden, wofür sie das vorhandene Budget ausgeben.
In der deutschen Ausgestaltung ist positiv zu erwähnen, dass es bei den Öko-Regelungen keine „Ziel-Überfrachtung“ gibt. In der Vergangenheit kam es häufiger zu dem Problem, dass auf nur einer landwirtschaftlichen Fläche gleich mehrere Ziele erfüllt werden sollten – zwischen denen es dann teils sogar noch Zielkonflikte gab. So ist eine unbegrünte Ackerbrache zwar oft gut für den Erhalt der Biodiversität, kann aber zu einem Humusabbau sowie einer erhöhten Bodenerosion und Stickstofffreisetzung führen.
Aus der Sicht des Natur- und Umweltschutzes ist die in den letzten Jahren erfolgte Erhöhung der Mindestanforderungen an die Bewirtschaftung im Ordnungs- bzw. Förderrecht prinzipiell positiv zu bewerten. Insgesamt sehen wir, dass der Druck auf die natürlichen Ressourcen durch die Landwirtschaft in Deutschland im Gegensatz zum Beginn des Jahrtausends wohl nicht mehr zunimmt. Allerdings ist Deutschland vor allem im Bereich des Biodiversitätsschutzes noch weit entfernt von den gesetzten Zielen.
Der Druck sinkt also, aber die Wanne läuft nach wie vor über.
Wo sind Hürden in der konkreten Umsetzung der Öko-Regelungen durch die Landwirte?
Die Erfahrung mit ähnlich gelagerten Maßnahmen der 2. Säule, den sogenannten Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, zeigt, dass eine Hürde wahrscheinlich in einem teils unzureichenden Informationsfluss zwischen Ländern und Landwirten liegt. Einige Länder informieren zielgerichtet und beraten intensiv, andere beschränken sich weitgehend auf die Veröffentlichung der Förderrichtlinien.
Eine weitere Hürde für viel Landwirte sind die Dokumentationspflichten. Der Verstoß gegen diese Pflichten ist ein häufiger Grund für Förderkürzungen. Generell sollten Bund und Länder auf strategischer Ebene eine Vereinfachung in der Wahl und Ausgestaltung der Instrumente und Maßnahmen anstreben. Man muss sich konkret überlegen: Welches inhaltliche Ziel lässt sich mit welcher Fördermaßnahme mit welchem Instrument am Besten erreichen?
Die aktuelle Ausgestaltung ist teils sehr verwirrend und keiner kennt sich mehr aus. So werden auf Äckern unterschiedliche Ausprägungen von Brachen oder Blühflächen sowohl über die Mindestanforderungen für den Erhalt der EU-Direktzahlungen, die Ökoregelungen sowie in einigen Bundesländern zusätzlich über Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen gefördert. Es gelten jeweils etwas andere Anforderungen, was erlaubt, gefordert oder untersagt ist.
Im Bereich Biodiversitätsschutz sollte man zudem strategisch über das Zusammenspiel von Ordnungsrecht und Förderrecht nachdenken.
Wo genau liegt hier bislang der Konflikt?
Vereinfacht dargestellt haben wir folgende Situation: Deutschland ist international verbindliche, sanktionsbewehrte Verpflichtungen zur Erhaltung der Biodiversität eingegangen. Allerdings werden trotz des bestehenden Angebotes an Fördermaßnahmen die zugesagten Zielwerte nicht erreicht, die Entwicklung ist weiterhin negativ.
Hält dieser Trend an, bedeutet das: Irgendwann muss der Gesetzgeber vom Förderrecht auf das Ordnungsrecht umschwenken, um nationale Strafzahlungen zu vermeiden. Aktuell läuft eine solche Entwicklung beim Grundwasserschutz. Das Problem in Hinblick auf den Biodiversitätsschutz hierbei ist: Die Auflagen richten sich nach dem Verhalten des Landwirts in der Vergangenheit. Und zwar tendenziell nach dem Motto: Je „besser“ man sich in der Vergangenheit verhalten hat, desto höher werden die Auflagen. Weil man die Arten und Lebensräume am Ehesten dort erhalten und fördern kann, wo sie noch vorkommen. Leicht überspitzt stellt sich die Situation wie folgt dar:
- Der Landwirt, der Biodiversität auf seinen Flächen erhalten hat, bekommt nun eine ordnungsrechtliche Auflage: Er muss nun diese Arten weiter erhalten und dafür Einschränkungen bei der Bewirtschaftung in Kauf nehmen. Im ungünstigsten Fall bekommt er nun für diese Bewirtschaftungseinschränkungen weniger oder kein Geld.
- Der Landwirt, der sich nicht um den Erhalt von Biodiversität gekümmert hat und auf dessen Fläche keine nennenswerten Potentiale mehr bestehen, erhält keine ordnungsrechtlichen Auflagen – und hat vollkommene Freiheitsgrade. Er kann beispielsweise zusätzlich freiwillig an Agrarumweltmaßnahmen teilnehmen, muss aber nicht. Wenn er es macht, erhält er die staatliche Förderungen in voller Höhe.
Das setzt die falschen Anreize – und erhöht die Attraktivität von Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz nicht. Weil diese Maßnahmen, wenn sie denn erfolgreich sind, die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich seltene oder gefährdete Arten eher halten oder gar ansiedeln und dann durch ordnungsrechtliche Auflagen geschützt werden.
Auch eine weniger ausdifferenzierte Ausgestaltung wäre in vielen Fällen hilfreich. Die Ausgestaltung der Agrarumweltinstrumente erfolgte vor dem Hintergrund, dass Flächen und Finanzmittel extrem limitiert waren. Aus diesem Grund fokussierte man darauf aus den knappen Ressourcen das meiste herauszuholen. Mit der neuen Förderphase und den zusätzlichen nationalen Instrumenten sind die Finanzmittel nicht mehr so limitierend.
Im großen Maßstab, der erforderlich ist, um die Biodiversitätsprobleme wirksam zu adressieren, sind die Maßnahmen durch ihre sehr spezifischen Auflagen sowohl für die Landwirte als auch die Verwaltungen vor Ort mit den gegebenen personellen und zeitlichen Ressourcen kaum umsetzbar. Man müsste sich stärker mit der Frage auseinandersetzen, wie die Gesamtwirkung maximiert werden und in welchen Fällen man welche Abstriche bei der Wirkung je Hektar hinnehmen kann, um größere Flächen zu erreichen. Zumal Kleinteiligkeit kaum verwaltbar ist.
Wir müssen an den großen Stellschrauben drehen.
In welchen Punkten besteht noch Handlungsbedarf?
Wir haben neben dem Verlust von Biodiversität natürlich noch einige andere Probleme. Hier sein nur die Problematik von Klimaschutz, Wasserschutz und Bodenschutz genannt.
Ein wichtiger Punkt sind die Treibhausgasemissionen im landwirtschaftlichen Bereich. Hier haben wir folgendes Problem: Es gibt eigentlich nur zwei große Stellschrauben, die wir beeinflussen können – wenn wir nicht auf Produktion verzichten wollen. Eine reine Verlagerung der Produktion und der damit verbundenen Emissionen ins Ausland ist eine Scheinlösung, da die Treibhausgaskonzentration ein globales Problem ist.
Die 1. Stellschraube ist: Wie gehen wir mit den organischen Böden um, also mit Moorböden? 7 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche sind Moorböden – doch deren Entwässerung ist für 40 Prozent der Emissionen des landwirtschaftlichen Sektors verantwortlich. Man kann diese Emissionen runterfahren, wenn man den Wasserstand auf den Flächen deutlich anhebt. Allerdings: Wir haben im Augenblick für Pflanzen, die solche Wasserstände tolerieren, nur in Nischenmärkten Verwertungsmöglichkeiten.
Die 2. Stellschraube sind die Methan-Emissionen. Diese lassen sich aber fast nur über den Konsum beeinflussen. Unter anderem müsste die Fleischnachfrage massiv sinken. Für die Landwirte würde dies Einkommenseinbußen bedeuten und hier muss man bedenken: In der Landwirtschaft ist das Kapital oft langfristig gebunden. Ein Stall in der Milchviehhaltung zum Beispiel wird meist über mindestens 20 Jahre abgeschrieben. Kurzfristige Änderungen der Produktionsausrichtung sind nicht so leicht zu realisieren.
Wenn man die Klima-Ziele ernst nimmt, können wir uns eine Produktion wie die skizzierte – intensive Nutzung von Moorböden und hoher Tierbesatz – aber nicht leisten. Daher brauchen wir Ausstiegs- oder Transformationsszenarien für Landwirte. Und wir brauchen jetzt eine klare Weichenstellung, wie die Landwirtschaft zukünftig aussehen soll – ansonsten werden von den Landwirten Investitionen in den Sand gesetzt oder man muss die getätigten -und evtl. sogar geförderten- Investitionen später mit öffentlichen Geldern teuer ablösen.
Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:
Städtische Lebensmittelproduktion: Mehr als ein wenig Gärtnern von Dr. Grit Bürgow, TU Berlin
„Wichtig ist, Solar- und Windenergie miteinander zu kombinieren“ von Dr. Harry Wirth, Fraunhofer Institute for Solar Energy Systems
Holz in Bestform: Deutliche Potenziale für Ressourcenproduktivität und Nachhaltigkeit von Prof. Dr. Peer Haller, Tu Dresden
Kommentar verfassen