Holz in Bestform: Deutliche Potenziale für Ressourcenproduktivität und Nachhaltigkeit

Prof. Dr.-Ing. Peer HallerTechnische Universität Dresden

Holz und Pflanzen sind weltweit verfügbare Rohstoffe. Ihre Synthese aus Kohlendioxid und Wasser mit Hilfe von Licht macht die Natur zu einem der größten Stofflieferanten und zu einem entscheidenden Faktor im Kohlendioxidkreislauf der Erde. Dies verleiht ihnen im Kampf gegen die Klimaerwärmung und beim Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft höchste Beachtung.

In der Auseinandersetzung um nachhaltige Entwicklung versäumt es die Holzwirtschaft nicht, auf die Vorzüge ihres Rohstoffes hinzuweisen: nachwachsend, umweltfreundlich, mit wenig Kraft und Energie bearbeitbar, recycelbar oder leicht zu entsorgen. Ein Muster in Sachen Nachhaltigkeit!

Wie aber ist es mit seiner effizienten Verwendung bestellt?

Potenziale werden verschenkt

Folgt man dem Stofffluss bei der Verarbeitung eines Nadelbaumes zu Schnitt- und Leimholz wird schnell klar, dass es damit nicht zum Besten steht: 40 Prozent Verschnitt im Sägewerk und 25 Prozent im Leimbaubetrieb. Mit anderen Worten: eine einhundertjährige Fichte wächst etwa sechzig Jahre am Bau vorbei.

Die Potenziale, die nachwachsende Rohstoffe einer nachhaltigen Wirtschaft zu bieten haben, werden aber noch an anderer Stelle verschenkt: Das Selbstverständnis der vollen Querschnitte – rund oder rechteckig – verstellt den Blick auf deren schlechte Flächenmomente, die im Vergleich zu technischen Profilen des Stahl- und Leichtbaus etwa fünf Mal schlechter ausfallen.

Diese mangelhafte Ressourceneffizienz kann im Zuge nachhaltigen Bauens nicht weiter hingenommen werden, sodass ein Paradigmenwechsel stattfinden muss: vom Massivholz zum zellulären Polymer.

Umformung zu Formholzprofilen schafft Effizienz

Das zelluläre Polymer Holz lässt sich nämlich mit Hilfe von Wärme und Feuchte sowohl quer als auch längs zur Faser zusammendrücken und wieder auseinanderziehen. Dieses Materialverhalten führt zu einer erheblichen Steigerung der Festigkeit. Die Bruchdehnung erhöht sich dabei gleich um zwei Zehnerpotenzen.

Diese THM-Umformung schafft materialeffiziente Profile, für die das gesamte Spektrum heimischer Baumarten zur Verfügung steht. Profile können auf diese Weise mit einem Achtel des Materials eine bis zu vierfache Tragfähigkeit erzielen.

In Verbindung mit physikalischen und chemischen Modifizierungen entstehen innovative und dauerhafte Konstruktionen, die nach ihrer Nutzung noch lange im Stoffkreislauf verbleiben.

Nadel- und Laubholz sind gleichermaßen geeignet. Ausgehend von diesen Überlegungen, wurden am Institut für Stahl- und Holzbau massive Platten aus verdichteten Holzarten hergestellt, die danach wiederum unter Wärme und Feuchtigkeit zu Profilen umgeformt wurden, wobei die Faltung der Zellwände wieder rückgängig gemacht wird.

Formholzrohre können nachträglich mit Hochleistungsfasern verstärkt werden. Dieser Verbund öffnet dem Holz neue Anwendungsgebiete in Bauwesen und Architektur, aber auch im Leicht- und Anlagenbau.

Preiswert und funktionell

Angesichts der hohen Festigkeit der Fasern können Bauaufgaben realisiert werden, die heute energieintensiven Materialien vorbehalten sind. In Kombination mit dem preiswerten, aber dennoch festen Holz entstehen Bauteile, deren Preis und Funktion sich allen Bauaufgaben gewachsen zeigen.

Neben der Verstärkung stellen textile Bewehrungen einen wirksamen Schutz gegenüber der Witterung dar, so dass bei Außenanwendungen eine signifikante Verbesserung der Dauerhaftigkeit vorliegt und die Lebenszyklusanalyse noch günstiger ausfällt.

Mittlerweile liegt ein Prototyp einer Produktionsmaschine mit einer Kapazität von 90.000 Rohren pro Jahr vor. Die Maschine ist Teil einer schlüsselfertigen Fabrikplanung, von der Verdichtung und Umformung bis zur Verpackung, mit einer Kapitalrendite von dreieinhalb Jahren.

© L. Sprenger, 2019, TU Dresden

Weitere Vorteile

Definiert man Bedeutung als Größe und Vielheit der Folgen, so ergeben sich bei der Formholztechnologie weitreichende Konsequenzen über Architektur und Bauwesen hinaus:

Waldbau und Plantagen:

Das Sägewerk bevorzugt mit Blick auf die Ausbeute den Nadelbaum. Dies hat ihm bei der Wiederaufforstung den Vorzug gegenüber standorttypischen Laubbaumarten gegeben, deren mächtige Kronen zu minderwertigem Industrie- und Brennholz verarbeitet werden müssen. Formholz stellt geringe Anforderungen an die Waldmaße und unterstützt somit einen naturnahen Wald.

Baumarten wie Pappel, welche nach zehn Jahren in Agroforstplantagen geerntet werden, eigenen sich ebenfalls zur Herstellung großformatiger Formholzrohre und bieten eine zusätzliche Einnahmequelle für die Landwirtschaft.

Wirtschaft und Umwelt:

Faserbewehrte Formholzprofile stellen eine Neuerung dar, deren Auswirkung auf Wirtschaft und Umwelt unübersehbar ist. Die Entwicklung konzentriert sich zunächst auf das Rohr, da es eine sehr elementare und technisch vielseitig einsetzbare Form darstellt. Weitere Profile sind jedoch auf gleiche Weise herstellbar.

Die Umweltleistung eines textilbewehrten Formholzrohres ist wegen der wesentlich geringeren Masse besser als ein verleimtes Schichtholz gleicher Tragfähigkeit; das Formholzrohr ist jedoch wesentlich vielfältiger und dauerhafter einsetzbar. Ein entsprechendes Stahlprofil bzw. eine hohle Stahlbetonstütze verursachen ein 80-faches CO2 – Äquivalent, wie Untersuchungen der Lebenszyklusanalyse zeigen.

Fazit

Die Herstellung von Formholzprofilen beruht auf einem neuen Verfahren, welches Holz als zelluläres Polymer begreift, das unter Wärme und Druck verdichtet, umgeformt und fixiert werden kann. Technologisch gesehen ersetzen diese Profile die üblichen Vollquerschnitte und übertreffen sie bezüglich der Ressourcenproduktivität um ein Vielfaches. Die technische Nutzung forstlicher Reserven sowie die Reduktion von Verschnitt und Kleber erhöhen das Rohstoffangebot und verbessern die Umweltverträglichkeit.

Faserbewehrte Formholzprofile greifen die Vorstellungswelt von Ingenieuren und Architekten auf. Sie verfügen über eine hohe spezifische Tragfähigkeit und Steifigkeit. Die anisotrope Struktur und Dauerhaftigkeit des Holzes werden durch die Bewehrung verbessert.

Die Kombination von Holz und High Tech führt zu neuen Konstruktionen in Architektur, Bauwesen und Leichtbau.

Hohe Leistungsfähigkeit bei geringem Gewicht und niedrigem Preis können energieintensive Materialien und Bauweisen substituieren und bieten ein beträchtliches Marktpotenzial. Der weltweit nachwachsende Rohstoff wird auf diese Weise imstande sein, einen weit größeren Beitrag zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu leisten als bisher.

Literatur

Haller, P.; Concepts for textile reinforcements for timber structures; Materials and Structures, (2007), 40: 107-118

Haller, P.; Von der Massivholzplatte zum Formholzrohr; Holzzentralblatt, Nr. 2, 2008, S. 32

Cabrero, J. M. ; Heiduschke, A. ; Haller, P.: Analytical assessment of the load carrying capacity of axially loaded wooden reinforced tubes. In: Composite Structures 92 (2010), S. 2955-2965

Heiduschke, A.; Haller, P.; Zum Tragverhalten gewickelter Formholzrohre unter axialem Druck. Bauingenieur 84 (6) (2009): 262-269

Heiduschke, A. ; Haller, P.: Fiber-Reinforced Plastic-Confined Wood Profiles under Axial Compression. In: Structural Engineering International 20(3) (2010), S. 246-253



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