Chancen und Grenzen der Ressourceneffizienz
Der Lebensstil der Mittelklasse in den reichen Industrienationen ist mit derzeitigen Konsummustern und industriellen Technologien nicht global skalierbar. Zu hoch ist sein Material-, Wasser- und Flächenbedarf für die Bereitstellung von Ressourcen für Einfamilienhäuser, PKW-basierte Verkehrsinfrastruktur, Fleischprodukte, oder Bioenergie.
Der hohe Ressourcenverbrauch dieses konsumbasierten und auf die Erfüllung individueller Bedürfnisse orientierten Lebensstils ist nicht direkt sichtbar, da ein wesentlicher Teil der Ressourcen in den Vorketten der konsumierten Produkte und Dienstleistungen verbraucht wird.1,2
Beispielhaft seien hier die Flächeninanspruchnahme für den Anbau von Tierfutter oder Ölpalmen in tropischen Regionen sowie die Extraktion von Metallerzen für die Technologien der Energiewende genannt. Die Landinanspruchnahme des Endverbrauchs aller Menschen in Deutschland zum Beispiel, der sogenannte Land-Fußabdruck, beträgt etwa das dreifache der Fläche unseres Landes, die Frischwassernutzung in den Vorketten der Produkte Wasser-Fußabdruck) sogar das Siebenfache der inländischen Wassernutzung!a
Drei wesentliche Säulen für mehr Nachhaltigkeit
Nachhaltige Lebensstile im Einklang mit sozialen Zielen und planetaren Belastungsgrenzen erfordern ein Umdenken bezüglich der globalen Verfügbarkeit von Land, Materialien und Energieträgern. Es geht darum, das durch den Konsum von Produkten und Dienstleistungen beförderte menschliche Wohlbefinden von den negativen Umweltauswirkungen der Bereitstellung dieser Produkte dauerhaft und substantiell zu entkoppeln.
In den Nachhaltigkeitswissenschaften gibt es dafür drei wesentliche Säulen:
- Die Effizienz, also die Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen mit weniger Energie- und Materialaufwand
- die Konsistenz, also die Gestaltung technischer Stoffkreisläufe in einer Weise, die negative Auswirkungen auf natürliche Stoffkreisläufe und die Umwelt allgemein reduziert
- die Suffizienz, also das Erreichen sozialer Ziele mit weniger oder anderem Konsum.b
Klimapotentiale der Ressourceneffizienz bislang kaum genutzt
Energie- und Ressourceneffizienz sind wesentliche Instrumente zur Entkopplung von Klimagasemissionen und Ressourcenverbrach und produzierten Gütern und Dienstleistungen. Energieeffizienz ist ein Eckpfeiler der nachhaltigen Umgestaltung der Industriegesellschaft und vor allem für Gebäude (bessere Dämmung, Wärmerückgewinnung), Fahrzeuge (Aerodynamik, Motorsteuerung), und industrielle Prozesse (Prozessführung, Abwärmenutzung) relevant.
Außerdem gibt es erhebliche Klimapotentiale durch Ressourcen- oder Materialeffizienz, die identifiziert, aber bisher kaum genutzt werden.c Ressourceneffizienz hat viele Facetten: langlebige, modular aufgebaute, und recyclingfähige Produkte, sparsame Verwendung von Materialien durch kluges Design, Reparatur und Wiederaufarbeitung kaputter Produkte, Vermeidung industrieller Abfälle, effektives Recycling, sowie die Weiterverwendung von Abfall- oder Nebenprodukten.
Ein gutes Beispiel für große ungenutzte Materialeffizienz-Potentiale ist die sparsamere Verwendung von Zement.3 Hier gibt es eine Menge Strategien, die nachgewiesenermaßen große Ressourcen-Einsparpotentiale haben, bisher aber kaum zum Einsatz kommen: die Verringerung des Zementgehalts von Beton (z.B. für Fußböden, Verkehrsinfrastruktur), das Vorspannen von Bodenplatten, die Verwendung von vorgefertigten Bauelementen, die Verringerung von Bauabfällen sowie die Reduzierung der Überdimensionierung von Bauteilen (v.a. deren Dicke).
Viele dieser Strategien finden bisher in der Bauplanung und -ausführung bisher kaum Berücksichtigung, und auch geltende Baunormen müssen bezüglich Materialeffizienz und Kreislaufwirtschaft geändert werden. Neben der Energieeffizienz und der klimafreundlichen Energieversorgung ist die Materialeffizienz der dritte wichtige Faktor für eine tiefgreifende Dekarbonisierung der Volkswirtschaft.
Ressourcen erfahren neue Wertschätzung
Die Nachhaltigkeitsdimension der Konsistenz findet heutzutage im Begriff der Ressourcenproduktivität oder der Kreislaufwirtschaft (circular economy) ihre Ausprägung. Hier geht es darum, die oben genannten Strategien der Ressourceneffizienz mit Geschäftsmodellen zu verknüpfen, die den ökonomischen Wert der genutzten Ressourcen maximieren und über mehrere Produktlebenszyklen aufrechterhalten. Außerdem ist der Übergang zu erneuerbaren Energien eine zentrale Konsistenzstrategie, da die Störung des globalen Kohlenstoffkreislaufs durch sie deutlich reduziert wird.
Energie- und Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft und erneuerbare Energien sind im gesellschaftlichen Nachhaltigkeitskurs fest etabliert und in vielen Aspekten bereits reguliert. In den letzten Jahrzehnten wurden auf diesen Gebieten gewaltige Fortschritte realisiert, unter anderem durch Energiestandards für Gebäude und Haushaltsgeräte, Anreize für den Aufbau einer Energieversorgung ohne fossile Brennstoffe, und konkrete Recyclingvorgaben.
Diese Strategien haben bei Verbrauchern, der Industrie und in der Politik zu einem Umdenken geführt.
Die Energiewende ist im Gange, Ressourcen erfahren neue Wertschätzung und die Vision des ‚grünen Wachstums‘ verbindet technologiegetriebene Effizienzsteigerung mit dem Versprechen kontinuierlichen Wirtschaftswachstums. Wenn wir insbesondere der Materialeffizienz die gleiche Bedeutung wie der Energieeffizienz beimessen, wird das Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen, deutlich leichter zu erreichen sein.4
Entwicklungen reichen nicht aus
Diese Entwicklungen und Potentiale sind für die Transformation zu einer nachhaltigen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft zentral, sie reichen aber nicht aus! Vor allem unser Ressourcenverbrauch und unsere Landinanspruchnahme sind noch viel zu hoch, und hier wirkt die Energiewende, aufgrund des hohen Materialbedarfs5 und der Förderung von Bioenergie, der Entkopplung sogar entgegen. Eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Treibhausgasemissionen ist sichtbar, aber sie geschieht viel zu langsam.
Drei Gründe sind dafür zu nennen:
- Grund 1: Der Umbau von Energieversorgung, Wirtschaft und Endverbrauchsbereichen hin zu weniger klimaschädlichen und ressourcenfressenden Technologien läuft viel zu langsam ab.
- Grund 2: Es gibt Rückprall- oder Reboundeffekte: Eine höhere Effizienz senkt oft die Betriebs- und Anschaffungskosten für Endprodukte. Das führt zu höherem Verbrauch, z.B. durch mehr Verkehr, größere Wohnungen und mehr Konsumgüter. [Link zu d]
- Grund 3: Bei vielen Technologien haben wir große Zielkonflikte zwischen Klimaschutz auf der einen und Material- und Landnutzung auf der anderen Seite, z.B. bei Biogas (Land, Nahrung!), Wind- und Solarstrom sowie Elektromobilität (Materialien).5
Suffizienz-Strategien diskutieren
Um die Transformation Richtung Nachhaltigkeit zu beschleunigen und das Risiko möglicher globaler ökologischer Katastrophen zu reduzieren, sollten auch veränderte Konsumgewohnheiten und klimafreundliche Lebensstile, also Suffizienz-Strategien, diskutiert werden. Aus Sicht der Forschung ist klar: Das Potential für Suffizienz in reichen Industrienationen ist erheblich!6
Vor allem in den Bereichen Wohnfläche und PKW-Transport gibt es viel Gewohnheits- und Luxuskonsum, dessen Reduktion einen ähnlich großen Effekt auf Klima und Ressourcenverbrauch hätte wie die weitere Verbesserung von Materialverarbeitung und Recycling.
Suffizienz ist schnell umzusetzen, vermeidet direkte Rückpralleffekte per Definition, hat vielfache und mehrfach synergistische Reduktionspotentiale für Umweltindikatoren und adressiert so soziale und gesellschaftliche Ziele direkt – ohne den Umweg über Wirtschaftswachstum.
Potentiale für Suffizienz liegen vor allem in der Reduktion des Gewohnheitskonsums und des Konsums von Luxusgütern.
Eine behutsame Umsetzung von Suffizienz-Strategien stellt aus Sicht der Stoffkreislauf-Forschung eine wichtige Säule zukünftiger Sozialpolitik für mehr Gleichheit in der Nachhaltigkeit dar. Neben den vielfältig positiven Umweltauswirkungen durch die Reduktion von Treibhausgasen, Materialverbrauch und Landnutzung steigern sie bei guter Umsetzung auch das Wohlbefinden und befördern die gesellschaftliche Stabilität.
Literatur
- Hardadi, G., Buchholz, A. & Pauliuk, S. Implications of the distribution of {German} household environmental footprints across income groups for integrating environmental and social policy design. J. Ind. Ecol. (2020).
- Tukker, A. et al. The Global Resource Footprint of Nations: Carbon, water, land and materials embodied in trade and final consumption calculated with EXIOBASE 2.1. (2014).
- Shanks, W. et al. How much cement can we do without? Lessons from cement material flows in the UK. Resour. Conserv. Recycl. 141, 441–454 (2019).
- Pauliuk, S. et al. Global scenarios of resource and emission savings from material efficiency in residential buildings and cars. Nat. Commun. 12, 5097 (2021).
- Hertwich, E. G. et al. Integrated life-cycle assessment of electricity-supply scenarios confirms global environmental benefit of low-carbon technologies. Proc. Natl. Acad. Sci. 112, 6277–6282 (2015).
- Pauliuk, S. & Heeren, N. Material efficiency and its contribution to climate change mitigation in Germany A deep decarbonization scenario analysis until 2060. J. Ind. Ecol. 25, 479–493 (2021).
a Deutschlands Ressourcen-Fußabdrücke: Notwendig, aber auch nachhaltig? (Zuletzt aufgerufen am 26.3.2022)
b Suffizienz, Konsistenz und Effizienz – Drei Wege zu mehr Nachhaltigkeit (Zuletzt aufgerufen am 26.3.2022)
c IRP (2020). Resource Efficiency and Climate Change: Material Efficiency Strategies for a Low-Carbon Future. Hertwich, E., Lifset, R., Pauliuk, S., Heeren, N. A report of the International Resource Panel. United Nations Environment Programme, Nairobi, Kenya.
d Wachstum und Ressourceneffizienz – Trivialitäten und trügerische Gewissheiten
Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:
Wachstum und Ressourceneffizienz – Trivialitäten und trügerische Gewissheiten von Prof. Dr. Hans Diefenbacher, Uni Heidelberg
Ressourceneffizienz: Der Wille ist da, die praktische Umsetzung schwierig von Dr. Martin Vogt, VDI
Eine sozial-marktwirtschaftliche Wachstumstransformation von Tobias Vogel, Uni Witten/Herdecke
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