Protein Distillery: „Wir sehen uns als Metzger des 21. Jahrhunderts“
In unserer Interview-Reihe sprechen wir mit kleinen und mittleren Unternehmen über das Thema nachhaltige Innovationen – und darüber, welche staatlichen Rahmenbedingungen aus ihrer Perspektive gegeben sein müssen, damit die anstehende Nachhaltigkeitstransformation erfolgreich bewältigt werden kann.
Dieses Mal geht es um das Food Tech-Unternehmen Protein Distillery. Das Start-up stellt Proteine aus Mikroorganismen her, um Ersatzprodukte für Fleisch, Käse und Eier zu verbessern. Gründer Christoph Pitter erklärte uns im Interview unter anderem, warum sein Verfahren mit dem Knacken von Kokosnüssen vergleichbar ist.
Können Sie uns Ihr Produkt etwas näher erläutern?
Wir haben einen Proteinzusatz entwickelt, um die Konsistenz und den Geschmack von tierischen Ersatzprodukten zu verbessern. Damit Betriebe in der Lebensmittelindustrie eine bessere Wurst oder einen besseren Käse nachbauen können – nachhaltig, aber ohne zig Zusatzstoffe.
Denn bislang wird ausschließlich auf pflanzliche Proteine zurückgegriffen, um tierische zu ersetzen. Das klappt allerdings nur bedingt. Pflanzliche Proteine sind einfach anders aufgebaut, daher müssen Betriebe tief in die Zusatzstoff-Kiste greifen. Das wollen wir ändern. Wir möchten, dass auf den Verpackungen der Ersatzprodukte bald kurze Zutatenlisten mit natürlichen Bestandteilen stehen. Deshalb setzen wir auf Proteine von Mikroorganismen, deren Eigenschaften denen von tierischen Proteinen gleichen.
Wie kann man sich den Prozess vorstellen? Wie kommen Sie an die Proteine?
Ich bezeichne uns gerne als die Metzger des 21. Jahrhunderts. Während Metzger jahrhundertelang Tiere in einzelne Bestandteile zerlegt haben, zerlegen wir nun Hefen. Wenn man so will, kann man sich diese Hefen wie eine Kokosnuss vorstellen: Sie haben eine harte Schale, die man knacken muss. Dann findet man im Inneren die Proteine. Die holen wir aus der Schale heraus.
Allerdings schmecken sie am Anfang noch nicht sonderlich gut, weil darin noch unerwünschte Fette enthalten sind. Die trennen wir mit verschiedenen mechanischen Methoden. Danach reinigen wir die Proteine. Am Ende verkaufen wir ein sehr helles Pulver mit sehr vielen wünschenswerten Eigenschaften.
Dieses Protein wird pflanzliche Proteine wie Erbse oder Soja allerdings nicht ersetzen, sondern ergänzen. Es trägt dazu bei, dass sich das Produkt im Mund wie ein tierisches Produkt anfühlt.
Finden sich Ihre Proteine denn bereits in Produkten im Supermarkt?
Aktuell sind unsere Proteine zum Beispiel in den veganen Maultaschen in dem Stuttgarter Restaurant „vhy!“ vertreten. Sie ersetzen dort die Proteine aus Eiern. Wir geben bald auch einen weiteren, großen Kunden bekannt – dazu darf ich allerdings noch nicht sagen.
Ab diesem Jahr, wenn unsere neue Anlage läuft, werden wir im größeren Maßstab im Markt zu finden sein. Wir hatten hier vor Kurzem den Spatenstich für die Produktionsstätte. Das haben wir gefeiert, unter anderem war Bundeslandwirtschaftsminister & Bildungsminister Cem Özdemir zu Gast. Noch dauert es aber, bis hier alle Maschinen aufgebaut sind.
Zwar müssen unsere Maschinen nicht extra für uns konstruiert werden – es handelt sich um „Standardgeräte“, wenn man so will. Allerdings ist unsere Technologie neu und einzigartig. Dementsprechend sind die Maschinen so, wie wir sie brauchen, dann auch nicht zu haben. Wir mussten uns in Labore einmieten, um dort Tests zu machen. Das ist sehr kostspielig. Am Anfang konnten wir ein Gramm unseres Proteins noch mit einem Gramm Gold vergleichen, denn die Herstellung unseres Produkts war sehr teuer. Von diesem Maßstab haben wir langsam auf den Kilogramm-Maßstab skaliert. Und bald sind wir aber bereit, im Tonnenmaßstab zu produzieren.
Wie kam es zu der Idee, Ihr Protein herzustellen?
Es fing mit einer persönlichen Erfahrung an. Ich klettere gerne. Danach habe ich ab und an einen veganen Proteinshake getrunken. Ich habe viele ausprobiert, fand aber alle ungenießbar. Ich dachte mir, dass das auch besser gehen muss. Dann zeigte sich, dass das Problem überall auftaucht, wo versucht wird, tierische Proteine durch pflanzliche zu ersetzen: bei Fleisch- und Käse-Alternativen, beim Ei-Ersatz. Wir wollen diese Produkte besser machen, damit mehr Flexitarier Geschmack daran finden können. Das Thema Käse ist leider schwierig und komplex. Hier werden gute Ersatzprodukte wohl noch eine Weile brauchen. Aber beim Thema Ei sind wir auf einem sehr guten Weg.
Wie haben Sie den Gründungsprozess erlebt?
Der hat leider eine ganze Weile gedauert. Wir mussten etwa ein halbes Jahr auf unsere Daten warten, um überhaupt Rechnungen schreiben zu können. Das war insofern problematisch, weil die Investoren natürlich Belege darüber haben wollen, wie das Produkt beim Kunden ankommt. Da es im Hardware-Bereich sehr schwierig ist, Investoren zu finden, waren wir hier ein einer misslichen Lage. Meiner Ansicht nach hätte der Staat an solchen Stellen eine gute Möglichkeit, innovative Unternehmen zu fördern: Er könnte bei Bürgschaften unterstützen. Denn gerade Banken agieren in unserem Metier recht risikoavers.
Dann ist es natürlich so, dass wir im Bereich Food sehr strenge Regularien haben. Wir hatten einen Vorteil, weil wir nur natürliche Methoden und Hefe nutzen, die ja jeder noch von zuhause kennt.
Gäbe es etwas, das Sie sich von der Politik wünschen würden?
Ein größerer Wunsch ist ein günstiger Strompreis. Wir arbeiten in Stuttgart. Wenn ich über den Rhein springe, liegt der Preis um zwei Drittel niedriger. Das macht bei Standortentscheidungen einfach sehr viel aus. Ebenso der Punkt, wie leicht man ausländische Fachkräfte im Unternehmen halten kann. Wir haben schon sehr viele sehr gute Leute gehen lassen müssen, weil es bürokratische Probleme gab. Beispielsweise mit den Arbeitsvisa. Leider haben uns die Behörden in dieser Hinsicht aber nicht weitergeholfen.
Wir fänden es eine enorme Erleichterung, wenn auch die zig bürokratischen Kleinigkeiten wegfallen würden, um die wir uns kümmern müssen. Ein Beispiel: Wir mussten in unserem Office ein Schild anbringen, dass Mitarbeiter:innen bitte den Handlauf benutzen sollen. Davon gibt es noch etliche weitere Beispiele. Irgendwann ist man an den Punkt, wo man Menschen anstellen muss, die sich nur darum kümmern, dass diese Bürokratie erfüllt wird. Das trägt nichts zum Unternehmenswert bei. Ich habe den Eindruck, dass hier eine Überbürokratisierung stattfindet. Das ginge einfacher.
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