Schönthaler GmbH: „Grün ist nicht gleich Grün“
In unserer Interview-Reihe sprechen wir mit kleinen und mittleren Unternehmen über das Thema nachhaltige Innovationen – und darüber, welche staatlichen Rahmenbedingungen aus ihrer Perspektive gegeben sein müssen, damit die anstehende Nachhaltigkeitstransformation erfolgreich bewältigt werden kann.
Dieses Mal geht es um das Unternehmen Schönthaler aus Südtirol, das Hanfsteine herstellt. Geschäftsführerin Brigitte Schönthaler erläutert unter anderem, warum bei grünen Produkten ihrer Ansicht nach besser differenziert werden muss.
Können Sie uns Ihr Produkt etwas genauer erläutern?
Meine Familie betreibt einen Baustoffhandel. Noch verkaufen wir auch konventionelle Baustoffe. Aber unsere Zukunft liegt im Hanfstein : Wir stellen biologische Steine aus den Abfällen der Pflanze her. Wir pressen die Steine aus den Teilen, die nicht für Öle oder andere Produkte verwendet werden.
Natürlich sprechen wir hier über legalen Hanf. Die Pflanzen sind pflegeleicht, wachsen schnell und brauchen keine Pestizide. Sie dienen sogar als Gründünger und sorgen dort, wo sie gedeihen, für einen guten Boden. Unser Rohstoff ist also umweltfreundlich.
Unsere Hanfsteine garantieren nicht nur eine gute Wärmedämmung, sie können auch im Kreislauf geführt werden. Wenn sie abgerissen werden, können wir aus den Überresten neue Steine produzieren. Und: Hanf bindet im Wachstum große Mengen an CO2, die auch im Hanfstein – und damit auch in den Hauswänden – dauerhaft gespeichert bleiben.
Wie kam es zu der Idee?
Sie stammt von meinem jüngeren Bruder. Er hatte vor Jahren einen sehr schweren Unfall beim Skifahren und war danach vom vierten Halswirbel abwärts gelähmt. Aus dieser Hilfslosigkeit heraus hat er sein Leben geändert und sich mit Themen befasst, über die er vorher nicht nachgedacht hat. Auch mit alternativer Medizin. Durch Bekannte ist ihm dann medizinischer Hanf begegnet. Als er sich mit den Eigenschaften der Pflanze beschäftigt hat, kam ihm die Idee.
Mittlerweile kann mein Bruder übrigens wieder laufen und sich bewegen. Die Ärzte können sich allerdings bislang nicht erklären, wie es dazu kommen konnte.
Welches Potential sehen Sie noch für Ihr Unternehmen?
Wir sehen ein großes Potential. Die Hanfpflanze filtert CO2, während sie wächst – und speichert die Emissionen weiter, wenn sie zu unseren Steinen verpresst wurde. Wir gehen davon aus, dass Bauträger sich diese Eigenschaften zu Nutze machen werden. Statt CO2-Zertifikate zu kaufen, um ihre Emissionen zu neutralisieren, können sie direkt biologische Steine bei uns erwerben.
Wir merken bereits, dass unsere Kundschaft größer und auch zahlungskräftiger wird. Als wir vor einem Jahrzehnt mit den Hanfsteinen angefangen haben, haben sich vor allem Menschen dafür interessiert, die ein hohes Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein hatten. Die sich beispielsweise Gedanken darüber gemacht haben, ob sie durch die Stoffe, die in ihrem Haus verbaut sind, krank werden. Bei vielen dieser Interessenten war das Budget allerdings schmal. Das hat sich mittlerweile geändert. Ein großer Wandel ist bei den Architekten zu beobachten: Es ist mittlerweile zu einem Statussymbol geworden, ökologisch und CO2-neutral zu bauen.
Welche Hindernisse sehen Sie aktuell für Ihr Produkt?
Leider müssen wir unseren Hanf aus Frankreich importieren. Es gibt wenig Anreize für den Anbau von legalem Hanf. Das Thema scheint immer noch in die Schmuddelkiste zu gehören. Das ist sehr schade, denn die Pflanzen haben viele wertvolle Eigenschaften, auch für den Ackerboden. Trotzdem gibt es für die Landwirte in unserer Umgebung keine lohnenden Förderungen. Da würden wir uns natürlich wünschen, dass sich das ändert.
Derzeit warten wir auch noch auf eine Zertifizierung, damit die Hanfsteine auf Großbaustellen verbaut werden können. Bislang gibt es da keine Normen, die auf unser neues Produkt angewendet werden können.
Was könnte die Politik tun, um eine nachhaltige Produktion besonders in Start-ups und KMU zu unterstützen?
Zertifizierungsverfahren für neue Produkte sind äußerst kostspielig. Für uns als KMU ist das eine Belastung, für große Konzerne nicht. Hier wäre es sinnvoll, wenn die Politik uns unter die Arme greift.
Aber nicht nur im Fall der Kosten würden wir uns mehr Differenzierung wünschen. Im Zuge des Zertifizierungsverfahren stellen wir eins fest: Grün ist nicht gleich Grün.
Mittlerweile schreiben sich Unternehmen auf die Fahne, dass ihr Zement grün sein, weil das dabei entstehende CO2 in den Boden gespeichert wird. So geschieht es beispielsweise schon in Norwegen. Unser Rohstoff, die Hanfpflanze, hat zuvor auf dem Feld CO2 gespeichert. Und auch unsere Steine filtern Kohlenstoff, nachdem sie verbaut wurden.
Doch dieser Unterschied wird leider nicht gemacht, wenn es darum geht, sein Produkt als „grün“ zertifizieren zu lassen.
Brigitte Schönthaler
Es wäre sinnvoll, wenn Politik und Verwaltung darauf einen differenzierteren Blick hätten.
Was brauchen wir generell, um unsere Wirtschaft in eine nachhaltigere Bahn zu lenken?
Ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Ich bin sehr froh, dass wir in den letzten Jahren immer mehr Menschen sehen, die sich über den Wandel unseres Klimas Gedanken machen. Auch im Baugeschäft.
Allerdings gibt es noch genug Leute, die man bislang nicht davon überzeugen konnte, dass etwas mit unserer Umwelt geschieht. Vielleicht wird man sie auch nie überzeugen können, aber man sollte es versuchen. Dabei können vor allem Vorbilder helfen: Positive Beispiele, die zeigen, wie nachhaltiges Bauen funktionieren kann. In Widnau in der Schweiz ist beispielsweise die erste CO2-neutrale Wohnanlage entstanden, in der auch unsere Hanfsteine verbaut wurden.
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