Wohnungsbau: Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit gemeinsam denken

Sabine BlumFraunhofer Informationszentrum Raum und Bau

Dem Gebäudesektor kommt in der Transformation und für das Erreichen der Klimaziele eine Schlüsselrolle zu. Bauen und Wohnen müssen klima- und ressourcenschonender werden, weniger Fläche verbrauchen, weniger Emissionen verursachen. Zugleich werden gerade in Ballungsräumen vielerorts mehr Wohnungen benötigt. Und dieser Wohnraum muss auch für Haushalte mit geringem Einkommen verfügbar und bezahlbar bleiben.

In der Forschung werden vermehrt integrierte Problemlösungen diskutiert: Klimaschutz, Bezahlbarkeit und soziale Nachhaltigkeit sollten nicht in Konkurrenz zueinander gestellt werden. Sie sollten systematisch zusammengedacht und gemeinsam vorangebracht werden. Wie kann dies in der Praxis gelingen? Welche Veränderungen und Maßnahmen braucht es dazu?

Umdenken im Wohnungsbau nötig

Ergebnisse einer vom Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (IRB) im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) durchgeführten Querschnittsstudie zeigen: Kostengünstig-nachhaltigen Wohnraum zu schaffen ist keine leichte Aufgabe. Sie erfordert ein Umdenken auf unterschiedlichen Ebenen und kooperatives Handeln. Widerstreitende Ansprüche und Zielkonflikte hinsichtlich Bezahlbarkeit und Renditeerwartungen, Klima- und Ressourcenschutz und soziokulturelle Qualitäten müssen explizit gemacht und abgemildert werden.

Zudem gilt es, verfügbares Wissen und Know-how aus Forschung und Modellprojekten breiter und entschlossener in die Umsetzung zu bringen. Ein Baustein hierzu sind Wissens- und Weiterbildungsangebote, die das Verständnis für systemische Zusammenhänge, fachliches Wissen und Querschnittskompetenzen für eine nachhaltige Transformation (so genannte Green Skills) fördern.

Woran es aktuell fehlt

Bezahlbarer Wohnraum ist vor allem in Ballungsräumen immer weniger verfügbar. Ein jahrelang anhaltender Bauboom hat daran wenig geändert. Bodenpreise, Baukosten und Mieten sind weiter stark gestiegen. Vielerorts fehlt es an Wohnraum oder dieser ist schlicht zu teuer. 2022 lebten 11,8 % der Bevölkerung in Deutschland in Haushalten, die mehr als 40 Prozent ihres monatlich verfügbaren Einkommens für Wohnen ausgeben mussten

Familien und Haushalte mit geringem Einkommen sind davon besonders betroffen. In Städten und Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt ist die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum eine der drängendsten gesamtgesellschaftlichen Aufgaben.

Mit Blick auf die gesetzlichen Klimaziele nicht weniger dringlich sind Maßnahmen und Investitionen für einen klima- und ressourcenschonenderen Gebäudesektor. Rund 40 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland werden im Gebäudebereich verursacht. Schlecht gedämmte und mit fossilen Energieträgern beheizte Wohngebäude erzeugen nicht allein hohe Emissionen, sondern auch hohe Energiekosten, die wiederum das Haushaltseinkommen belasten.

Lebenszyklusanalysen

Eine Fokussierung allein auf die Baukosten blendet solche im weiteren Lebenszyklus von Gebäuden anfallenden Kosten systematisch aus. Angesichts dessen wächst die Einsicht in die die Notwendigkeit von Lebenszyklusanalysen – in Bezug auf Kosten ebenso wie mit Blick auf Treibhausgas-Emissionen und Ressourcenverbrauch.

Lebenszyklusanalysen sind ein wichtiges Instrument zur Unterstützung von klima- und ressourcenschonendem Wohnungsbau. In der Planungs- und Baupraxis sind sie aber erst vereinzelt angekommen. Dies unter anderem, weil die erforderlichen Datengrundlagen und Kompetenzen noch nicht ausreichend verfügbar sind.

Vielfältige Gründe für Herausforderungen

Die Bundesregierung hat sich ambitionierte Ziele für das Bauen und Wohnen der Zukunft gesetzt. Aktuell herrscht jedoch Krisen- statt Aufbruchstimmung am Bau. Das Ziel, ab 2022 jährlich 400.000 neue Wohnungen zu errichten, wurde ebenso verfehlt wie die CO2-Einsparziele für den Gebäudesektor.

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Ein wesentlicher Faktor sind deutlich verschlechterte Rahmenbedingungen durch globale Krisen und Unsicherheiten, Fachkräftemangel, steigende Baukosten und Materialpreise, (temporäre) Materialknappheit und steigende Zinsen für Wohnungsbau-Kredite. Daneben spielen jedoch weitere Aspekte eine Rolle, bei denen entschlosseneres Handeln möglich und gefordert ist. Diese werden im Folgenden skizziert.

Maßnahmen für kostengünstig-nachhaltigen Wohnraum

Das Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (IRB) hat in seiner Querschnittsstudie für das BBSR den Stand der Forschung und des Wissens zu Maßnahmen für kostengünstigen, zukunftsfähigen Wohnungsbau analysiert, gebündelt und bewertet. Dabei zeigte sich: Das Wissen über Ansatzpunkte für baukostenrelevante Interventionen, ist umfangreich, breit gefächert und zunehmend interdisziplinär.

Viele dieser Ansätze und Maßnahmen sind lange bekannt und diskutiert. Vergleichsweise neu sind dagegen systematische Überlegungen dazu, wie Wohnraum sowohl kostengünstig, als auch klima- und ressourcenschonend geschaffen werden kann. Stichworte hierzu sind Umnutzungen und Umbau im Bestand sowie Suffizienz-Konzepte. Zu diesen Themen besteht weiterer Forschungsbedarf.

Wirksame Hebel

Als besonders wirksame Hebel zur Begrenzung von Bau- und Lebenszykluskosten gelten:

  • Vereinfachung, Flexibilisierung und Harmonisierung von Regelwerken und Bauordnungsrecht
  • Verbreitung von Standardisierung, sowie seriellen und modularen Bauweisen
  • vereinfachte, digital integrierte Planungs-, Ausführungs-und Genehmigungsprozesse
  • kooperative Planungskultur / Integration von Planung und Bauausführung
  • Lowtech-Strategien und Reduktion auf Notwendiges („einfacher bauen“)
  • Förderung von Fachkräfte- und Kompetenzaufbau.

Auch mit dem Querschnittsthema Digitalisierung verknüpfen sich hohe Erwartungen: gesteigerte Produktivität, effizientere Planung und verkürzte Bauzeiten. Um die damit anvisierten Einspareffekte zu realisieren, sind jedoch zunächst Investitionen in Hardware, Software, einheitliche Standards sowie geschultes Personal erforderlich.

Zielkonflikte angehen und sozial-innovative Lösungen entwickeln

Beim Thema Bauen und Wohnen liegen die Sichtweisen und Interessen der beteiligten Akteure zum Teil sehr weit auseinander. Es ist eine große Herausforderung, heterogene Handlungslogiken, Erwartungen und Nutzenerwägungen miteinander in Einklang zu bringen.

Die Forschung widmet sich daher vermehrt der Suche nach Lösungsansätzen im Umgang mit Zielkonflikten, widerstreitenden Interessen und Anforderungen. Um ambitionierte Ziele im Wohnungsbau gemeinsam voranzubringen, so der Tenor, ist ein grundlegendes Umdenken, ein „Kulturwandel“ auf unterschiedlichen Ebenen notwendig.

Konkrete Maßnahmen hierzu sind Kooperationen zwischen gemeinnützig orientierten Wohnungsbau-Akteuren und Kommunen und entsprechende Förderprogramme. Weitere Stellschrauben sind eine stärker gemeinwohlorientierte Bodenpolitik oder ein Fokus auf Innenentwicklung, Umnutzungen und Umbau zur Eindämmung des Flächenverbrauchs.

Investitionen in Klimaschutz, Energieeffizienz und Wärmewende erzeugen Kosten wie auch Nutzen. Beide Aspekte sind bei der Formulierung von Vorgaben und der Schaffung von Anreizen zu berücksichtigen. Ein Bekenntnis zu Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit erfordert angepasste Renditeerwartungen. Mit Blick auf die energetische Sanierung des Gebäudebestandes braucht es zudem sozialverträgliche Lösungen, die auf eine gerechte Kostenverteilung abstellen.

In Summe zeigt sich: Neben technischem Bau- und Planungswissen sind verstärkt soziale Innovationen gefragt.

Sabine Blum

Beispiele für sozial innovative Ansätze sind neue Förder- und Finanzierungsinstrumente, veränderte Planungs- und Organisationsformen sowie transdisziplinäre Kooperations- und Beteiligungsprozesse.

Wissenstransfer und Kooperation stärken

Zur Implementierung dieser Lösungsansätze braucht es die Bereitschaft und Fähigkeit zu neuen Formen der Zusammenarbeit. Etwa mit Blick auf die Aufgabe, den Gebäudebestand nachhaltig umzubauen und weiterzuentwickeln.

Hierzu werden an vielen Stellen neues Wissen und veränderte Kompetenzen benötigt – in Verwaltung und Genehmigungsbehörden, Planung und Bauausführung, aber auch auf Seiten von Bauherrenschaft und Investoren. Dazu zählen die Betrachtung von Bau- und Lebenszykluskosten, datenbasierte Analysen, Monitoring und Ökobilanzierung, sowie digitalisierte Planungs-, Genehmigungs-, und Bauprozesse.

Wissenstransfer, Kompetenzentwicklung und Kooperation sind wichtige Bausteine nachhaltiger Transformation

Sabine Blum

Unsere Forschung zu Kompetenzen für eine nachhaltige Transformation zeigt: Neben fachlichem Wissen und technologischen Kompetenzen braucht es insbesondere Maßnahmen zur Stärkung und Weiterentwicklung von systemischem Denken, interdisziplinärer Kommunikation und kooperativem Handeln.

Sie tragen dazu bei, einen Struktur- und Kulturwandel am Bau voranzubringen – und für Nachwuchsfachkräfte attraktiv zu sein.

Fazit

Ob die gegenwärtige Krise am Bau als Chance für ein Umdenken und Umsteuern in Richtung nachhaltige Transformation genutzt werden kann, ist derzeit noch offen. An Analysen und Wissen zu Kostentreibern im Bereich Bauen und Wohnen fehlt es nicht. Auch die wichtigsten übergreifenden Ansatzpunkte und Maßnahmen, hier gegenzusteuern, sind bekannt.

Was aber die wirksame Umsetzung von theoretisch Bekanntem und eine stärkere Verzahnung von Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit angeht, besteht Handlungsbedarf. Der Abbau bestehender systematischer Blockaden und ein konstruktiver, kooperativer Umgang mit Zielkonflikten sind eine Voraussetzung, um dieses Umsetzungsdefizit zu überwinden.

Um Wohnraumversorgung und Gebäudestand nachhaltig für die Zukunft aufzustellen sind Forschung, Kompetenzentwicklung und (soziale) Innovationen zu genau diesen Themen gefragt.

Literatur

Blum, Sabine; Lückert, Angelika; Barth, Hans-Martin (2023): Studie zu Maßnahmen für kostengünstig-nachhaltigen Wohnraum. Systematische Analyse von Forschungen zu Maßnahmen zur Senkung der Baukosten von Wohngebäuden. BBSR-Online-Publikation 14/2023. Bonn.

Bölting, Torsten et al. (2024): Bezahlbares und zukunftsfähiges Bauen und Wohnen: Rahmenbedingungen und Determinanten für die Vereinbarkeit bezahlbarer Mieten und nachhaltiger Qualitäten durch eine Begrenzung der Bau- und Lebenszykluskosten. BBSR-Online-Publikation, 17/2024. Bonn.

BMWSB (Hg.) (2022): Bündnis bezahlbarer Wohnraum. Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive. Berlin.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Energetische Gebäudesanierung muss wieder in Schwung gebracht werden von Prof. Dr. Martin Gornig, DIW

Tragender Lehmbau: klima- und ressourcenschonend Wohnraum schaffen von Philipp Wiehle, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung

Endlich Raum fürs Wohnen: Die sozial-ökologische Transformation der Wohnungspolitik von Anton Brokow-Loga, Bauhaus-Universität Weimar



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