Nachhaltigkeit

Wie steht es um Nachhaltigkeit in der Wirtschaft? Einblicke aus Niedersachsen

Eric HartmannLeuphana Universität Lüneburg

Wie steht es um den Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der deutschen Wirtschaft? In einer Befragung haben wir die Perspektiven von Vertreter:innen des Managements sowie der Betriebs- und Personalräte in Unternehmen aus Niedersachsen eingeholt.

Die Ergebnisse zeichnen insgesamt ein ambivalentes Bild: Nachhaltigkeit ist zwar breit etabliert und gut verankert, in einigen Bereichen gibt es aber noch deutliche Bedarfe.

Ambivalentes Bild bei der Umsetzung von ESG-Themen

Was bedeutet das konkret? Während die Unternehmen ihren Umgang mit den Themen Umweltverschmutzung, Kreislaufwirtschaft und Dekarbonisierung bereits häufig als eher oder sehr fortgeschritten ansehen, scheint diese nicht für die Themen Klimaanpassung und Biodiversität zu gelten: Sie belegen die letzten Plätze. Dabei sind beides wesentliche ökologische Nachhaltigkeitsthemen.

Biodiversitätsverlust als wesentliche planetare Grenze ist bereits heute überschritten. Durch Treibhausgasemissionen, Umweltverschmutzung und Landnutzungsänderungen haben Unternehmen hier einen direkten Einfluss. Zudem sind Unternehmen von Folgen des Klimawandels ebenso betroffen wie die restliche Gesellschaft, beispielsweise durch Extremwetterereignisse am Standort oder folgende Lieferkettenprobleme.

Bei sozialen Themen ist eine deutliche Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung von Management und Betriebs- und Personalräten erkennbar, insbesondere bei den Themen Arbeitsplatzsicherheit, Teilhabe sowie Aus- und Weiterbildung.

Im Governance-Bereich zeigt sich insgesamt ein weiterer Bedarf für die strategische Ausrichtung von Nachhaltigkeitsbemühungen und -management. Dies sollte klare Nachhaltigkeitsziele, abgeleitete Maßnahmen, interne Kontrolle und Nachsteuerung beinhalten.

Anforderungen von Markt und Staat als Fundament

Die Jahre und Jahrzehnte der Nachhaltigkeitspolitik und der Implementierung von Nachhaltigkeitsmanagement tragen durchaus ihre Früchte. Für die gravierenden Herausforderungen der Gegenwart ist aber noch stärkeres Engagement notwendig.

Eine Abfrage zur Nutzung verschiedener Hebel in Unternehmen zeigte deutlich, dass Anforderungen von Staat und Märkten die Grundlage des Nachhaltigkeitsengagements darstellen. Auch gibt es eine breite Übereinstimmung, dass Unternehmen sich nicht aktiv gegen Nachhaltigkeit wehren. Weitergehende Möglichkeiten des Nachhaltigkeitsengagements werden jedoch deutlich weniger genutzt.

So sucht nur etwa die Hälfte der Unternehmen aktiv nach sogenannten business cases for sustainability, also profitablen Geschäftsmodellen mit zusätzlichem ökologischem oder sozialem Nutzen. Dabei könnten gerade hier Umwelt, Gesellschaft und die Unternehmen selbst durch innovative Ansätze von double- und triple-win-Effekten profitieren. Auch für nachhaltige Rahmenbedingungen im Sinne einer Normierungsverantwortung setzen sich nur ca. die Hälfte der befragten Unternehmen ein.

Am geringsten ausgeprägt ist die Bereitschaft der Unternehmen zum Opportunitätsverzicht. Hier geht es um den Verzicht auf Aktivitäten mit negativer sozialer oder ökologischer Wirkung, obwohl diese profitabel wären.

Bürokratieabbau ist nicht gleich Deregulierung

Diese Ergebnisse sind von besonderer Bedeutung, werfen sie doch ein neues Licht auf die aktuelle Debatte um Bürokratieabbau. Sicherlich dürfen Unternehmen, Privatpersonen und selbst Kommunen, Ämter und Behörden nicht durch Bürokratie erstickt werden. Zugleich erfüllen staatliche Rahmenbedingungen und Regulation jedoch einen Zweck und stellen oft die Grundlage des Nachhaltigkeitsengagements dar.

In der Befragung wurde ebenfalls gefragt, ob verschiedene aktuelle gesellschaftliche Trends und Entwicklungen eher als Treiber oder als Hemmnis für die nachhaltige Transformation in Unternehmen wahrgenommen werden. Es überrascht nicht, dass auch hier Bürokratie von beiden Zielgruppen am häufigsten als Hemmnis genannt wird. Auch weitere Rahmenbedingungen wie Inflation, Fachkräftemangel, Infrastrukturanbindung und Erosion der Demokratie werden oft als Hemmnisse identifiziert.

Spannend ist hierbei jedoch, dass Bürokratie sehr viel häufiger als Hemmnis genannt wird als Regulation. Die Befragten differenzieren also durchaus zwischen notwendiger Regulation und überbordender Bürokratie.

Es gibt eben durchaus Möglichkeiten, Gesetzgebung und resultierende Prozesse so zu gestalten, dass sie Nachhaltigkeit und Klimaschutz voranbringen, aber möglichst bürokratiearm sind. Statt der vielbeschworenen Kettensäge scheint eher das Skalpell angemessen, um gezielt Ballast zu reduzieren, statt Grundlagen der Nachhaltigkeitssteuerung zu beseitigen.


Im Rahmen eines Forschungsprojekts, gefördert vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz, begleitet die Leuphana Universität Lüneburg die niedersächsische Nachhaltigkeitsstrategie. In diesem Rahmen wurde 2024 ein betriebliches Barometer zum Stand von Nachhaltigkeit und Klimaschutz in Niedersachsen durchgeführt. Alle Ergebnisse sind in diesem Bericht zusammengefasst.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Wie unternehmerische Verantwortung auf Mitarbeitende wirkt von Dr. Irmela Koch-Bayram, Universität Mannheim

Greenwashing: Ein Konzept zur Messung auf Unternehmensebene von Prof. Dr. Sebastian Utz, Universität Augsburg und Prof. Dr. Gregor Dorfleitner, Universität Regensburg

CO2-Bilanzierung: Anforderungen in der Unternehmenspraxis von Dipl.-Wirt.Ing. Olaf Eisele, ifaa



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