Vertrieb

Wie Nachhaltigkeit im Vertrieb zur neuen Erfolgsgröße wird

Prof. Dr. Lena KlimkeFachhochschule Dortmund
Prof. Dr. Fabian KubikFachhochschule Dortmund
Prof. Dr. Hanaa RyariFachhochschule Dortmund
Prof. Dr. Sabrina ScheidlerFachhochschule Dortmund

Der Vertrieb ist das Bindeglied zwischen Unternehmen und Markt. Hier entscheidet sich, welche Angebote beim Kunden ankommen und wie überzeugend sie vermittelt werden. Als direkter Kontaktpunkt zur Kundschaft prägt der Vertrieb maßgeblich, wie ein Unternehmen wahrgenommen wird, auch in Bezug auf Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeit hat in vielen Unternehmen in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Strategische Zielbilder, erste Maßnahmen und umfangreiche Berichterstattungen sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Doch die Verankerung im operativen Alltag bleibt häufig lückenhaft. Auch im Vertrieb, wo Kaufentscheidungen getroffen werden und direkter Kundenkontakt entsteht, bleibt offen, wie tief Nachhaltigkeit wirklich verankert ist.

Genau hier setzt unsere aktuelle Studie an. Auf Basis einer Befragung von mehreren Hundert Vertriebsmitarbeiter:innen aus verschiedenen Branchen und Hierarchieebenen haben wir analysiert, wo der Vertrieb beim Thema Nachhaltigkeit heute steht, welche Herausforderungen es im Status quo gibt und welche Potenziale sich erschließen lassen, wenn Unternehmen Nachhaltigkeit in der täglichen Praxis wirksam integrieren. Die Ergebnisse der Studie vermitteln ein differenziertes Bild.

Nachhaltigkeit ist strategisch wichtig, operativ aber oft zweitrangig

Zwar wird Nachhaltigkeit bei mehr als einem Drittel der Befragten auf Vorstandsebene strategisch verankert und vielfach als Differenzierungsmerkmal kommuniziert, doch im Tagesgeschäft des Vertriebs spielt sie oft nur eine untergeordnete Rolle.

Für zwei Drittel der Unternehmen hat Nachhaltigkeit im Vertrieb keine hohe Priorität. Fast die Hälfte der Befragten gibt an, dass es keine spezifischen Nachhaltigkeitsziele oder Kennzahlen für den Vertrieb gibt. Nur 24 Prozent der Unternehmen verfügen über einen Maßnahmenplan zur Förderung nachhaltiger Vertriebspraxis oder kommunizieren diesen aktiv.

Während Nachhaltigkeit also zunehmend als strategischer Erfolgsfaktor erkannt wird, bleibt die Umsetzung im Vertrieb oft vage und unkonkret.

Kundschaft will Nachhaltigkeit, aber nicht um jeden Preis

Nachhaltigkeit spielt auch an der Kundenschnittstelle eine wachsende Rolle. Viele Kund:innen interessieren sich für nachhaltige Angebote und fragen gezielt nach entsprechenden Kriterien. Fast 90 Prozent integrieren spezifische Nachhaltigkeitskriterien in ihre Angebotsanforderungen.

Im Verkaufsprozess jedoch werden diese Aspekte noch selten aktiv angesprochen. Zwar besteht Interesse, doch die Bereitschaft, für nachhaltige Produkte oder Leistungen mehr zu bezahlen, ist in vielen Fällen begrenzt. Das zeigt: Nachhaltigkeit ist für viele Kund:innen ein wichtiges Thema, aber nur dann überzeugend, wenn der konkrete Nutzen klar kommuniziert wird und das Angebot glaubwürdig wirkt.

Wenn Strategie auf Umsetzung trifft: Was Nachhaltigkeitsführer anders machen

Dass Nachhaltigkeit im Vertrieb mehr ist als ein gutes Image, zeigen die Unternehmen, die das Thema konsequent umsetzen. Diese sogenannten Nachhaltigkeitsführer verankern das Thema systematisch und strategisch. Sie berichten von höheren Gewinnen, stärkerem Umsatzwachstum, höherer Mitarbeiterzufriedenheit (jeweils im Vergleich zum Branchendurchschnitt) sowie von positiven Effekten auf die Kundenbindung.

Viele andere Unternehmen bleiben hingegen in einer reaktiven Haltung. Sie reagieren auf externen Druck, doch es fehlt an strategischer Ausrichtung und konkreter Umsetzung im Vertrieb. Der Unterschied ist spürbar: Wo Nachhaltigkeit in der Praxis gelebt wird, entstehen sowohl unternehmerischer als auch gesellschaftlicher Mehrwert.

Schlüsselakteure des Wandels

Ob Nachhaltigkeit im Vertriebsalltag tatsächlich gelebt wird, entscheidet sich letztendlich an einer Stelle: Bei den Menschen, die sie umsetzen. Vertriebsmanager:innen sind nicht nur Mittler zwischen Angebot und Nachfrage, sondern auch glaubwürdige Botschafter für nachhaltige Werte.

Ihre Haltung und ihr Wissen prägen entscheidend, wie Kund:innen Nachhaltigkeit wahrnehmen und ob sie Vertrauen in entsprechende Angebote entwickeln. Damit dies gelingt, braucht es klare Orientierung, praxisnahe Schulungen und eine Unternehmenskultur, die Nachhaltigkeit nicht nur einfordert, sondern glaubwürdig vorlebt.

Mitarbeitende im Fokus: Soziale Nachhaltigkeit intern denken

Ein weiterer Hebel für nachhaltige Vertriebsarbeit liegt in der sozialen Dimension. Der Vertriebsalltag ist häufig geprägt von hohem Leistungsdruck und unregelmäßigen Arbeitszeiten. In unserer Studie gibt fast jede vierte befragte Person an, das Unternehmen innerhalb der nächsten zwölf Monate wahrscheinlich verlassen zu wollen. Diese Zahl ist alarmierend vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, der gerade im Vertrieb schon jetzt ausgeprägt ist.

Unternehmen, die auf soziale Nachhaltigkeit setzen, etwa durch flexible Arbeitsmodelle, Angebote zur mentalen Gesundheit oder Diversity-Initiativen, stärken nicht nur die Mitarbeiterbindung. Sie profitieren auch von höherer Identifikation, geringerer Fluktuation und einer stärkeren Arbeitgebermarke. Gerade im Wettbewerb um qualifizierte Talente wird soziale Nachhaltigkeit zum entscheidenden Faktor.

ESG braucht Umsetzung, nicht nur Erwähnung

Nachhaltigkeit im Vertrieb wird in vielen Unternehmen zunehmend thematisiert, doch eine systematische Verankerung findet bislang nur selten statt. Einzelne Maßnahmen wie Elektrofahrzeuge oder Homeoffice-Optionen sind in der Praxis angekommen. Zentrale Bausteine eines ganzheitlichen ESG-Ansatzes bleiben dagegen oft ungenutzt. Dazu gehören belastbare Kennzahlen, CO₂-Ziele oder transparente Zielsysteme, die Nachhaltigkeit im Vertrieb konkret steuerbar machen würden.

Bei knapp drei Viertel der Befragten fehlen entsprechende Maßnahmenpläne oder es ist unklar, was bereits umgesetzt wurde. Es mangelt an Zuständigkeiten, messbaren Zielen und der Integration in bestehende Steuerungs- und Anreizsysteme. Nachhaltigkeit wird im Vertrieb häufig nur punktuell berücksichtigt, statt als integraler Teil der Vertriebslogik verstanden zu werden.

Gerade in einem Umfeld wachsender ESG-Anforderungen reicht es nicht mehr aus, das Thema am Rand mitzudenken. Es braucht Strukturen, die Orientierung geben, die Verantwortlichkeiten klären und Fortschritte sichtbar machen.

Was jetzt zählt: Konsequenz statt Kampagne

Um bestehende Lücken zu schließen, muss Nachhaltigkeit verbindlich in Prozesse, Steuerung und Zielsysteme des Vertriebs eingebettet werden. Strategische Absichtserklärungen allein reichen nicht aus.

Entscheidend ist, dass Nachhaltigkeit im Arbeitsalltag handlungsleitend wird, und zwar für Teams, Führungskräfte und Organisationseinheiten. Zielvorgaben, die ökologische und soziale Kennzahlen einbeziehen, sind dabei ein zentraler Hebel. Wenn Fortschritte messbar sind, können Verantwortung klar zugewiesen, Mitarbeiter:innen gezielt motiviert und Ergebnisse gesteuert werden. Unternehmen, die ESG-Kriterien fest mit ihren vertrieblichen Zielsystemen verknüpfen, schaffen die Grundlage für Transparenz, Glaubwürdigkeit und Steuerbarkeit.

Nachhaltigkeit sollte nicht als Zusatzaufgabe verstanden werden, sondern als Teil eines zukunftsfähigen Vertriebs. Wer diesen Weg konsequent verfolgt, stärkt nicht nur das eigene Profil im Markt, sondern auch die Leistungsfähigkeit des Vertriebsteams.

Unsere Studie zeigt: Unternehmen, die Nachhaltigkeit heute zur Priorität machen, schaffen ökologische und soziale Mehrwerte und sichern sich zugleich wirtschaftliche Vorteile. Entscheidend ist, dass aus Absicht konkrete Umsetzung wird. Nur so kann der Vertrieb sein Potenzial als Schlüsselbereich nachhaltiger Transformation wirklich entfalten.

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