Wie die Umgebung umweltfreundliches Verhalten mitbestimmt

Dr. Swen J. KühneZürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Dank wissenschaftlicher Forschung und viel Aufklärungsarbeit durch Informationskampagnen und Medienberichte ist das Verständnis für den globalen Klimawandel in den letzten Jahrzehnten weltweit gestiegen. Eine große Mehrheit der Forschenden und der Bevölkerung stimmt überein, dass der Klimawandel existiert und dass er vom Menschen verursacht ist.

Zudem wird der Klimawandel von der Mehrheit als das größte Risiko und die größte Herausforderung der nächsten Jahre betrachtet. Trotz dieser Ausgangslage kann nur ein langsamer Rückgang der Treibhausgasemissionen festgestellt werden. Und das, obwohl jede Person einen Einfluss auf diese hat.

Unser Einfluss

Laut einer Studie der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt haben Privatpersonen auf 50 Prozent der Emissionen einen indirekten Einfluss. Beispielsweise durch die Wahl ihrer Partei oder die Wahl ihrer Mietwohnung bzw. deren Heizung und Dämmung.

Doch auf die anderen 50 Prozent der Treibhausgasemissionen haben Verbraucher:innen einen direkten Einfluss. Beispielsweise durch ihre Kauf-Entscheidungen für bestimmte Lebensmittel oder elektronische Geräte. Besonders in den Bereichen Ernährung, Mobilität und Konsum könnten wir als Kollektiv die Emissionen substanziell beeinflussen. Woran scheitern wir also?

Wo wir nachhaltig konsumieren

In drei repräsentativen Umfragen mit je rund 1.200 Teilnehmenden in den Jahren 2022-2023 befragten wir in einem Zusammenschluss verschiedener Forschenden (ZHAW, ETH, UniLausanne) die Schweizer Bevölkerung nach Treibern und Barrieren für Konsumverhalten in den drei Bereichen Ernährung, Elektronik und Kleidung.

Dabei zeigte sich, dass sich die Bereitschaft für umweltbewusste Verhaltensweisen wesentlich unterscheidet. Beispielsweise ist die Bereitschaft, Kleider oder Geräte zu recyceln, relativ hoch. Wenn es jedoch darum geht, zu Second-Hand statt zu Neuprodukten zu greifen, nimmt die Bereitschaft deutlich ab.

Umweltverhalten unterscheidet sich dabei nicht nur zwischen den verschiedenen Verhaltensweisen, sondern auch zwischen verschiedenen Gebieten. So geben Personen an, sich eher umweltfreundliche Produkte zu kaufen, wenn es um Essen geht, als wenn es um Elektronik oder Kleidung geht.

Treiber für umweltfreundliches Verhalten

Hier gibt es gewisse demografische Faktoren wie Geschlecht oder politische Orientierung, welche mit Umweltverhalten korrelieren. So scheinen sich Frauen und Personen, die eher links wählen, umweltbewusster zu verhalten. Verschiedene Studien haben zudem gezeigt, dass die Einstellung gegenüber der Umwelt oder die Überzeugung, dass die eigenen Handlungen einen Effekt haben, wesentliche Treiber für umweltfreundliches Handeln sind.

Barrieren für umweltfreundliches Verhalten

Neben solchen Treibern gibt es aber auch verschiedene Barrieren, welche die Menschen an umweltfreundlichen Verhalten hindern. So zeigte sich in unseren Umfragen, dass die hohen Kosten für nachhaltige Produkte vom Kauf dieser abhält. Dies scheint insbesondere in der Ernährung der Fall zu sein, wo in Supermärkten beispielsweise Bio-Produkte wesentlich teurer sind als konventionell produzierte.

Aber auch im Bereich der Kleidung locken Anbieter mit billigen, nicht nachhaltig produzierten Artikeln. Im Bereich von elektronischen Produkten wie Smartphones oder Tablets zeigte sich, dass viele der Befragten nicht zwischen nachhaltigen und weniger nachhaltigen Produkten unterscheiden können.

Die Entscheidungsumwelten mitdenken

Damit die Konsumierenden informierte Entscheidungen treffen können, ist es wesentlich, die Informationen am Ort der Entscheidung in klarer und verständlicher Form zur Verfügung zu stellen. Hier könnten beispielsweise einheitliche Labels helfen.

Doch aktuell zeigte sich in unseren Umfragen ein starkes Misstrauen der Bevölkerung gegenüber Nachhaltigkeitslabels. In der Schweiz und Europa allgemein setzen die Regierungen auf freiwillige Labels, was zu einer Vielzahl dieser führt. Das erschwert die Entscheidung für die Konsumierenden und untergräbt ihr Vertrauen in Labels. Hier könnten einheitliche Labels, welche von einer unabhängigen NGO oder der Regierung ausgestellt werden, dabei helfen, Vertrauen herzustellen und nachhaltigen Konsum anzuregen.

Ein Beispiel: Im Gegensatz zu diesen freiwilligen Labels setzt Chile im Bereich der gesunden Ernährung auf verbindliche Warnungslabels, die auf alle Produkte gedruckt werden müssen, welche gewisse Grenzwerte überschreiten. Wenn ein Produkt beispielsweise Vorgaben an den Zuckergehalt überschreitet, zeigt ein schwarzes Label auf der Vorderseite des Produktes dies klar an. Das Label zeigte einen deutlichen Effekt auf den Kauf von ungesunden Produkten. Ein ähnliches Label im Bereich Nachhaltigkeit könnte Entwicklung und Konsum von nachhaltigeren Produkten anregen.

Zudem ist der Preis für nachhaltige Produkte für viele ein Hindernis. In den letzten Jahren wurde Kritik an Großhändlern laut, dass die Preisaufschläge auf Bio-Produkte überhöht seien. Gleichzeitig werden die hohen Aufpreise kaum an die Bauernbetriebe weitergegeben, was insgesamt die Entwicklung hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft schädigt. Die Entwicklung ist aber ein strategisches Ziel in vielen Ländern. Großhändler könnten sie durch die Weitergabe der Mehrpreise fördern bzw. mit ansprechenden Preisen zur Förderung von nachhaltigerem Konsumverhalten beitragen.

Viele haben einen Einfluss auf die Gestaltung unserer Umwelten

Es wäre aber ein falscher Schluss, dass Privatpersonen in der alleinigen Verantwortung stehen, Treibhausgasemissionen zu senken – auch, wenn sie durch ihr Verhalten einen direkten und indirekten Einfluss auf diese haben. Vielmehr ist es eine gesamtgesellschaftliche Frage.

Verschiede Akteure können einen Beitrag dazu leisten, unsere Umwelten so zu gestalten, dass sie zu nachhaltigeren Entscheidungen anregen. Unterschiedliche Berufe haben einen Einfluss auf die Entscheidungsumwelten und das Entscheidungsverhalten: Politikerinnen, Gastronomen, Stadtplanende und vielen weitere. Sie alle können dazu beitragen, den Entscheidungskontext so zu gestalten, dass wir vermehrt nachhaltigere Entscheidungen fällen.

Literatur

AXA. (2023). AXA Future Risks Report 2023.

Blumer, Y., Czellar, S., Duque, D., Haasova, S., Kühne, S. J., Rahmani, L., Schubert, R., Streule, P., Waller, G. (2024). Swiss Sustainable Consumption Observatory (SSCO) 2021-2023: Key Insights From the First Three Waves”. ZHAW Zurich University of Applied Sciences.

Kühne, S. J., Reijnen, E., Laasner Vogt, L., & Baumgartner, M. (2023). Can carbon labels encourage green food choices?. Frontiers in Psychology, 13, 902869.

Matasci, C., Gauch, M., Böni, H., & Wäger, P. (2021). The Influence of Consumer Behavior on Climate Change: The Case of Switzerland. Sustainability 2021, 13, 2966.

Preisüberwacher. (2023). Vorabklärung des Preisüberwachers betreffend die Preise der (Bio-)Lebensmittel im Detailhandel. Bericht vom 27. Januar 2023.

Taillie, L. S., Bercholz, M., Popkin, B., Reyes, M., Colchero, M. A., & Corvalán, C. (2021). Changes in food purchases after the Chilean policies on food labelling, marketing, and sales in schools: a before and after study. The Lancet Planetary Health, 5(8), e526-e533.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Grünes Marketing? Warum Verbraucher E-Autos kaufen von Dr. Katrin Zulauf, Universität Kassel

Kreislauffähiger Konsum: Hürden verstehen und abbauen von Dr. Kathleen Jacobs, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

Wie unternehmerische Verantwortung auf Mitarbeitende wirkt von Dr. Irmela Koch-Bayram, Universität Mannheim



Kommentar verfassen