Welche Narrative Klimapopulismus fördern
Ob in der Debatte zum Heizungsgesetz oder zum Verbrenner-Aus, ein Bild wird wiederholt gezeichnet: „Klimapolitik trifft Leute mit kleinem Geldbeutel besonders stark.“ Im Heizungsgesetz trat Kritik an den Belastungen für den kleinen Mann stark hervor. Diese Narrative sind politisch mächtig: Sie schaffen zentrale Denk- und Deutungsmuster, mit denen Menschen Klimapoltik einordnen.
Neue DIW-Forschung zeigt: Wer solche Verteilungsnarrative hört, entwickelt häufiger populistische Einstellungen in Bezug auf Klimapolitik. Desweiteren sinkt sogar das Vertrauen in Demokratie, wenn die Belastung von Klimapolitik auf Leute mit geringem und mittleren Einkommen hervorgehoben wird. Dies gilt vor allem in rechten Wählergruppen. Eine tatsächliche soziale gestaltete Klimapolitik, die transparent kommuniziert wird, ist daher dringend gefordert.
Merkmale populistischer Erzählungen
Populismus definiert sich durch drei Merkmale: der Glaube an ein homogenes Volk mit geeintem Volkswillen (Anti-Pluralismus), welches unmittelbar oder durch einen Vertreter:innen im Namen des Volkswillens regieren sollte (Pro-Volkssouveränität) und antagonistisch einer pauschal korrupten Elite gegenübersteht (Anti-Elitismus). Populistische Akteure verweben diese drei Elemente zu einer übergreifenden „Metaerzählung“, die vom Konflikt zwischen Elite und dem einfachen, homogenen Volk handelt.
Diese Erzählmuster sind inzwischen auch im Bereich der Klimapolitik angekommen: Klimapolitik werde per se „zu Lasten des Volkes“ und insbesondere Geringverdiener:innen betrieben; sie sei pauschal ein elitäres Ideologieprojekt, welches „dem gesunden Menschenverstand“ widerspreche.
Klimapopulismus und seine Narrative
Dies führt zu einer wachsenden politischen Haltung in Bezug auf Klimapolitik, die als “Klimapopulismus” gefasst werden kann. Das Thema erfährt wachsende Aufmerksamkeit: Das Umweltbundesamt schreibt besorgt über den zunehmenden „umweltregressivem Populismus“, die FES-Mitte Studie erforscht die Prävalenz klimaregressiver Haltungen, während die Bundeszentrale für Politische Bildung dem Thema eine eigene Publikation widmet.
Unser DIW-Forschungsprojekt hat analysiert, wie Klimapopulismus durch verschiedene Verteilungsnarrative über Klimapolitik beeinflusst wird. In einer Umfrage wurden Teilnehmende einem von drei Narrativen ausgesetzt:
- das erste Narrativ kritisierte die geringe Belastung von Firmen im Vergleich zu Individuen
- das zweite die disproportionale Belastung Deutschlands im internationalen Vergleich
- das dritte die Belastung auf Menschen mit mittlerem und niedrigem Einkommen.
Alle Verteilungs-Narrative führten zu signifikant erhöhtem Klimapopulismus. Das Narrativ über die Kosten von Klimapolitik für niedrige und mittlere Einkommen hatte dabei eine besonders starke Wirkung – vor allem in rechten Wählermilieus.
Klimapolitik als angebliches „Projekt der Eliten“
Besonders stark war der Effekt bei Personen mit niedrigem Einkommen. Das zeigt: Narrative entfalten dann besondere Wirkung, wenn sie mit den eigenen Lebensumständen resonieren. Wer selber finanziell schwächer dasteht, neigt bei der Betonung mangelnder sozialer Gestaltung von Klimapolitik eher zur pauschalen Schlussfolgerung, Klimapolitik sei ein Projekt der Eliten. Um die Unterstützung für Klimapolitik über alle Gesellschaftsschichten hinweg zu sichern, ist die soziale Gestaltung von Klimapolitik daher zentral.
Allgemeine populistische Einstellungen – charakterisiert durch Anti-Elitismus, Anti-Pluralismus und Pro-Volkssouveränität – wurden nicht signifikant von den Narrativen beeinflusst. Allgemeine Demokratiezufriedenheit wurde jedoch durch das Narrativ über niedrige und mittlere Einkommen geschwächt. Die Schlussfolgerung: Wenn Klimapolitik als sozial unfair wahrgenommen wird, kann sich dies sogar negativ auf die allgemeine Unterstützung der Demokratie auswirken. In Zeiten mangelndem Demokratievertrauens ist dies besonders besorgniserregend.
Klimapopulismus: Eine Gefahr für die Politik
Mit zunehmendem Klimapopulismus wächst auch der politische Anreiz, klimapopulistische Erzählungen selbst zu nutzen, um an Zustimmung zu gewinnen. Doch dies ist ein gefährliches Spiel. Klimapolitik wird dadurch langfristig delegitimiert und ausgebremst.
Dazu steht auch die Glaubwürdigkeit von Politiker:innen auf dem Spiel. So können politische Kehrtwenden an der Kohärenz von Politiker:innen Zweifel hervorrufen – wie beispielsweise die aktuelle Forderung Markus Söders zur Abschaffung des Heizungsgesetztes oder des Verbrenner-Verbots, nachdem er 2019 Bayern noch zum Klima-Vorreiter machen wollte.
Ein solches Handeln liefert Populisten ein gute Vorlage für die Erzählung, Politiker:innen seien weniger am tatsächlichen Interesse des Volkes und mehr an der Schärfung des eigenen Profils interessiert.
Wie Politik stattdessen handeln sollte
Viel eher sollte die Politik sich selbstbewusst und souverän für die Klimapolitik einsetzen. Dies muss auch auf Augenhöhe und bürgernah passieren. Auch die soziale Gestaltung von Klimapolitik muss umgesetzt und betont werden – wie zum Beispiel in Form des Klimageldes, das pauschal an die Bürgerinnen und Bürger ausgezahlt werden soll, um zusätzliche Kosten durch CO2-Bepreisung auszugleichen.
Gute Kommunikation und Haltung sind jedoch nicht ausreichend. Die Sorgen über die Verteilungswirkungen von Klimapolitik, insbesondere die Belastung von niedrigeren Einkommensschichten, müssen ernst genommen werden. Die Kritik, Klimapolitik belaste Geringverdiener:innen stark, ist keine populistische Position, sondern in vielen Fällen durchaus begründet.
Insbesondere, wenn Maßnahmen wie ein CO2-Preis eingeführt werden und entsprechende Ausgleichsinstrumente wie ein sozial gestaffeltes Klimageld fehlen, kann Klimapolitik durchaus zu einer höheren Belastung für niedrigere Einkommen führen.
Eine Skepsis gegenüber dem Versprechen, dass Klimapolitik nicht zu Lasten geringer Einkommen gestaltet wird, ist durchaus berechtigt. Deshalb kann nur eine Klimapolitik, die auch in der Praxis –nicht nur rhetorisch– sozial gestaltet ist, gerecht sein und Populisten entschlossen den Wind aus den Segeln nehmen.
Soziale Gestaltung der Klimapolitik auch gut für die Demokratie
Die aktuellen Debatten sind also mit Vorsicht zu beobachten: Wenn Narrative über die Verteilungswirkung mehr in den Fokus rücken, kann dies Unterstützung für Klimapolitik reduzieren. Klimapolitik muss daher auf Augenhöhe kommuniziert werden und die Lebensumstände aller Betroffenen mitdenken.
Dazu kann eine mangelnde soziale Gestaltung sogar zu reduzierter Demokratiezufriedenheit führen. Eine soziale Gestaltung von Klimapolitik ist daher nicht nur gut für die gesellschaftliche Fairness und das Klima, sondern auch für die Demokratie.
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