Waldbrand

Waldbrände, Klimarisiken und soziale Ungleichheit: Was Europa von Kalifornien lernen kann

Dr. Moritz WussowAlbert-Ludwigs-Universität Freiburg
Sebastian ReiningAlbert-Ludwigs-Universität Freiburg

Die Brände in Los Angeles sind schon wieder aus den Schlagzeilen verschwunden, dabei sind sie gerade einmal vier Wochen her. Allerdings sollten sie auch für uns in Europa ein Weckruf sein. Sie zeigen die Dringlichkeit auf, über Maßnahmen zur Anpassung an Klimarisiken zu debattieren. In Deutschland spielt dieses Thema in der politischen Debatte derzeit eine untergeordnete Rolle. Doch das wird sich unweigerlich ändern – spätestens dann, wenn die Auswirkungen auch hierzulande wieder spürbarer werden.

Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass selbst bei einem moderaten Klimawandel alle Regionen in Deutschland künftig mit höheren Temperaturen, häufigeren Hitze- und Trockentagen sowie intensiveren Starkregenereignissen konfrontiert sein werden. Diese Entwicklungen werden bis zur Mitte des Jahrhunderts tiefgreifende Folgen für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft haben. Umso wichtiger ist es, aus den Erfahrungen anderer Regionen zu lernen, die bereits jetzt stark von Extremereignissen betroffen sind.

Der Klimawandel verstärkt das Risiko extremer Waldbrände

Feuer ist ein natürlicher Bestandteil vieler Ökosysteme. Einige Pflanzenarten sind sogar auf regelmäßige Brände angewiesen, um sich fortzupflanzen. Doch das Ausmaß der Zerstörung durch Waldbrände hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Von den 20 zerstörerischsten Bränden in der Geschichte Kaliforniens ereigneten sich 14 in den letzten acht Jahren. Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig.

Zum einen erhöhen die Siedlungsstrukturen und die oft feueranfälligen Bausubstanzen an den Rändern von Städten und Gemeinden das Risiko erheblich. Zum anderen sind 90 Prozent der Brände direkt auf menschliches Handeln zurückzuführen – sei es durch Fahrlässigkeit, Unfälle oder Brandstiftung. Hinzu kommt der Klimawandel, der durch längere Trockenperioden und steigenden Temperaturen die Häufigkeit und Intensität von Waldbränden erheblich verstärkt.

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass der Klimawandel in den letzten Jahren bereits eine deutliche Zunahme der verbrannten Fläche verursacht hat. Schätzungen zufolge brannten etwa 20 Prozent mehr Fläche ab, als es ohne die menschengemachte Veränderung des Klimas der Fall gewesen wäre. Diese Erkenntnisse verdeutlichen, wie dringend Maßnahmen zur Prävention und Anpassung sind.

Strukturschwache Regionen besonders betroffen

Unsere aktuelle Forschung untersucht den Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Benachteiligung und dem Schutz der Bevölkerung vor Naturkatastrophen. Im Mittelpunkt unserer Analyse stehen Investitionen in die Waldbrandvorsorge in Kalifornien und die zentrale Bedeutung feuerfester Dächer.

Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass benachteiligte Gemeinden überproportional von Waldbränden betroffen sind.

Entsprechend der Definition der US-Regierung werden diese Gemeinden nicht nur über ein niedriges Einkommen definiert, sondern auch über weitere Faktoren wie beispielsweise die Zugehörigkeit zu Minderheiten, einem geringen Bildungsniveau oder einer überproportionalen Belastung durch Umweltverschmutzung.

Unsere Ergebnisse zeigen zudem, dass Häuser in benachteiligten Gemeinden häufiger durch Waldbrände zerstört wurden. Risikosimulationen verdeutlichen, dass diese strukturschwachen Gegenden auch in Zukunft einem überdurchschnittlich hohem Risiko ausgesetzt sein werden. Neben ihrer geografischen Exposition ist ein zentraler Grund dafür die geringere Rate von Dacherneuerungen – eine der wichtigsten Maßnahmen zum Schutz vor Waldbränden.

Feuerresistente Dächer als schützender Faktor

Feuerresistente Dächer sind ein zentraler Bestandteil der Waldbrandvorsorge. Zusätzliche Maßnahmen wie Vegetationsmanagement und weitere bauliche Anpassungen tragen ebenfalls zur Risikominimierung
bei. In Kalifornien schreiben Bauvorschriften daher den Einsatz feuerfester Materialien und Bauweisen vor. Besonders Dachsanierungen erhöhen die Widerstandsfähigkeit eines Hauses gegenüber Bränden erheblich.

Besonders bei starkem Funkenflug zeigt sich die Schutzwirkung feuerresistenter Dächer, denn selbst weit von der Feuerfront entfernte Häuser sind gefährdet und profitieren erheblich von einer Dachsanierung. Ein nach den neuesten Bauvorschriften errichtetes Dach senkt das Risiko einer Zerstörung des Hauses im Durchschnitt um 27 Prozent. Allerdings müssen Planer und Hausbesitzer darauf achten, den Brandschutz ganzheitlich zu betrachten, anstatt sich nur auf einzelne Maßnahmen wie Dachsanierungen zu verlassen. Bereits eine einzige Schwachstelle kann ausreichen, um ein Haus anfällig für Brände zu machen.

Dennoch investieren Menschen in sozioökonomisch benachteiligten Gemeinden im Durchschnitt etwa ein Drittel weniger in feuerresistente Dächer. Dieser Investitionsrückstand verstärkt einen Teufelskreis: Weniger Investitionen führen zu einem höheren Risiko, das langfristig größere Schäden verursacht. Unsere Forschung zeigt außerdem, dass Hausbesitzer häufig erst nach einem nahegelegenen Brand in Schutzmaßnahmen investieren – dann, wenn die Gefahr konkret und greifbar ist.

Finanzielle Unterstützung für einkommensschwächere Gruppen würde sich auszahlen. Und zwar nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für deren Nachbarschaft: Wenn ein Hausbesitzer in ein neues, feuerfestes Dach investiert, sinkt das Zerstörungsrisiko für angrenzende Häuser um circa sechs Prozent.

Was kann Europa daraus lernen?

Obwohl unsere Forschung auf Kalifornien fokussiert ist, lassen sich wichtige Lehren für Europa ableiten. Die dortigen Herausforderungen – eine klimabedingte Zunahme von Waldbränden, die städtische Expansion in Risikogebiete und die wachsende Ressourcenknappheit – verdeutlichen die Notwendigkeit proaktiver Planung.

Im Vergleich zu anderen US-Bundesstaaten und vielen Risikogebieten weltweit ist Kalifornien ein Vorreiter in der Waldbrandprävention. Der Staat investiert massiv in Bildungsprogramme, moderne Brandbekämpfungsressourcen, eine verbesserte Koordination von Behörden sowie in Bauvorschriften, die sicherstellen, dass renovierte und neu gebaute Häuser besser geschützt sind.

In Deutschland steigt das Waldbrandrisiko ebenfalls, auch wenn in den kommenden Jahren keine Brände in einem vergleichbaren Ausmaß wie in Kalifornien zu erwarten sind. Unsere Siedlungsstruktur, Bausubstanz und klimatische Bedingungen unterscheiden sich deutlich. Südeuropäische Länder sind allerdings bereits heute einem sehr hohen Waldbrandrisiko ausgesetzt und sollten prüfen, welche Maßnahmen sie von Kalifornien übernehmen können.

Eine weitere zentrale Lehre ist die Notwendigkeit, benachteiligte Gruppen gezielt zu unterstützen. Präventionsmaßnahmen schützen nicht nur diese Gruppen selbst, sondern auch angrenzende, wohlhabendere Regionen. Waldbrände breiten sich rasch aus, wenn keine Schutzmaßnahmen vorhanden sind. Dabei sind die Kosten für Prävention oft deutlich geringer als die Schäden, die durch Brände entstehen.

Lehren für den Umgang mit Naturkatastrophen

Darüber hinaus lassen sich die Erkenntnisse abstrahieren, um den Umgang mit Naturkatastrophen im Allgemeinen zu betrachten. Wo und wie bauen wir künftig, insbesondere in Risikogebieten wie überflutungsgefährdeten Regionen? Welche Verantwortung tragen Versicherungen und wie viel Risiko können sie langfristig noch abdecken? Die Debatte über Katastrophenvorsorge kommt in Deutschland aktuell zu kurz. Doch sie wird immer dringlicher. Wir sollten nicht warten, bis die nächste Katastrophe eintritt, sondern jetzt handeln.

Ebenfalls entscheidend ist, wie wir über Katastrophen kommunizieren. Gerade bei verheerenden Feuern kursieren schnell Falschmeldungen, die Unsicherheit schüren und politische Kampagnen beeinflussen. Nach einer Katastrophe sollte der Fokus auf Wiederaufbau und nüchterner Analyse liegen, anstatt die öffentliche Diskussion durch Falschaussagen oder politische Schuldzuweisungen zu verzerren. In den USA sehen wir, wie Themen wie der Ukraine-Krieg oder andere politische Konflikte mit der Katastrophenbewältigung vermischt werden. Deutschland sollte aus diesen Beispielen lernen und gezielt an einer sachlichen und lösungsorientierten Nachbereitung arbeiten.

Den zugehörigen Forschungsartikel finden Sie hier und weitere Informationen hier.

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Grundwasser: Maßnahmen für eine nachhaltige Nutzung von Dr. Fanny Frick-Trzebitzky, ISOE und Linda Söller, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Klimaanpassung: Sind Kommunen auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet? von Dr. Antje Otto, Institut für Umweltwissenschaften und Geographie der Universität Potsdam und Dr. Thomas Friedrich, ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung

Wie Unternehmen Klimaanpassung spielerisch erproben können von Sophie Fischer, Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt



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