Seltene Erden: Warum sie für die Transformation recycelt werden sollten

Prof. Dr. Carlo BurkhardtHochschule Pforzheim

Die Metalle der seltenen Erden (SE) sind für den Erfolg der grünen und digitalen Transformation in Europa, wie im Green Deal beschrieben, von entscheidender Bedeutung. Um die EU bis 2050 zu einer klimaneutralen, kreislauforientierten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft zu machen, muss Europa selbst in der Lage sein, saubere Energie-, Industrie- und Mobilitätslösungen auf wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Weise zu entwickeln und zu nutzen.

Effiziente Motoren enthalten meist SE-Magnete

Elektromotoren und Generatoren sind wesentliche Bestandteile dieser Anwendungen, insbesondere in den Bereichen Elektronik, Kommunikation und medizinische Geräte, erneuerbare Energien, Robotik, Elektrofahrzeuge, Luft- und Raumfahrt und militärische Anwendungen.

Die effizientesten Motoren und Generatoren enthalten Permanentmagnete auf der Basis von Seltenen Erden, d.h. Neodym, Praseodym, Dysprosium und Terbium. Sie wurden bereits 2011 von der Europäischen Union (wie auch von allen anderen großen Wirtschaftsblöcken) als kritische Rohstoffe eingestuft.

Seltene Erden: Wirtschaftlich bedeutsam, aber knapp

Seltenerdmetalle, die für Permanentmagnete verwendet werden, machen zwar nur 25 Prozent der gesamten SE-Produktionsmenge aus, aber 80 bis 90 Prozent des gesamten SE-Marktwertes. Der Markt für SE-Magnete selbst ist mit 6,5 Mrd. Euro relativ klein, aber seine nachgelagerte Hebelwirkung ist enorm: Allein das Mobilitätsgeschäft in der EU27 wird laut Prognosen bis 2030 auf ca. 500 Mrd. Euro anwachsen und 6 Mio. Arbeitsplätze schaffen.

Das Joint Research Centre (JRC) der EU hat die Klimaziele für 2030 und 2050 modelliert und in den jährlichen Rohstoffbedarf umgerechnet. Die Analyse zeigt, dass in den drei Schlüsselsektoren erneuerbare Energien, Elektromobilität sowie Verteidigung und Raumfahrt im Jahr 2030 bis zu doppelt so viel Neodym/Praseodym und fünfmal so viel Dysprosium benötigen werden, wie derzeit für die gesamte EU-Wirtschaft zur Verfügung steht. Im Jahr 2050 könnten fast viermal so viel Neodym/Praseodym und 13-mal so viel Dysprosium benötigen werden.

Die EU ist abhängig

Während die EU bei der Herstellung von Elektromotoren weltweit eine führende Position einnimmt, ist sie bei der Herstellung von SE-Magnetwerkstoffen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg vollständig von Importen abhängig.

Von den ca. 150.000 Tonnen SE-Magneten, die 2023 weltweit produziert wurden, wurden 93 Prozent in China hergestellt, was eine sehr hohe Produktionskonzentration darstellt (die sich im Übrigen in allen Bereichen der SE-Wertschöpfungskette vom Abbau bis zum Recycling widerspiegelt). Heute gibt es in Europa nur noch eine Produktionskapazität von 1.000 Tonnen SE-Magneten, die mit mehr als 16.000 Tonnen importierten chinesischen Magneten pro Jahr konkurriert.

Der weitaus größte Teil der SE-Magnete wird heute jedoch als Komponenten von Motoren und Generatoren importiert. Die Hauptgründe für diese Entwicklungen sind, dass China ein Monopol in der SE-Lieferkette über alle Stufen vom Abbau bis zur Veredelung hat und dass die chinesischen Materialpreise nicht die tatsächlichen Produktionskosten widerspiegeln, da sie durch direkte und indirekte staatliche Subventionen künstlich niedrig gehalten werden.

Gefahren der Abhängigkeit

In seinem Leitbericht hat das Europäische Kompetenznetzwerk für Seltene Erden auf die Gefahren einer vollständigen Abhängigkeit der europäischen Industrie von importierten Materialien hingewiesen. Unabhängig von Handelskriegen oder Überlegungen zu Einfuhrzöllen hat die COVID-19-Pandemie weitere Schwachstellen in den derzeitigen globalen Lieferkettenmodellen aufgezeigt, insbesondere dort, wo wichtige europäische Industriezweige von einer kleinen Anzahl von Material- und Komponentenlieferanten aus Drittländern abhängig sind.

Infolgedessen mangelt es an einer Diversifizierung der Lieferketten, marktorientiertem Wettbewerb und Widerstandsfähigkeit gegenüber Lieferschocks, Lieferkettentransparenz und klar definierten Nachhaltigkeitsstandards. Die Notwendigkeit einer diversifizierten Materialversorgung und verbesserter Fertigungskapazitäten wird in der jüngsten Studie der Europäischen Kommission über kritische Rohstoffe klar beschrieben und findet ihren Niederschlag im europäischen Gesetz über kritische Rohstoffe (Critical Raw Materials Act – CRMA).

Wie Abhängigkeiten verringert werden könnten

Um die europäischen Wertschöpfungsketten zu stärken und die zum Teil hohen Importabhängigkeiten zu diversifizieren, sah der ursprüngliche CRMA-Entwurf der EU-Kommission folgende Benchmarks vor:

  • Bis 2030 sollten mindestens zehn Prozent des strategischen Rohstoffbedarfs in der EU gewonnen, mindestens 40 Prozent in der EU verarbeitet und mindestens 15 Prozent aus der europäischen Kreislaufwirtschaft stammen.
  • Auf Initiative der Mitgliedstaaten wurden die Ambitionen für die Rohstoffverarbeitung und die Kreislaufwirtschaft noch einmal verschärft, die Einigung von EU-Kommission, Rat und EU-Parlament vom 13. November 2023 sieht nun eine Erhöhung des Anteils  aus der europäischen Kreislaufwirtschaft auf 25 Prozent vor.

Ziele für SE-Magnete ambitioniert

Diese Ziele sind im Hinblick auf Permanentmagnete im Vergleich zur Ausgangssituation im Jahr 2023 mit einem Herstellungsanteil von ca. 1 Prozent und einer Recyclingquote in gleicher Größenordnung als äußerst ambitioniert anzusehen. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert daher massive Anstrengungen auf mehreren Ebenen. Denn die Wertschöpfungskette zur Herstellung von Seltene-Erden-Permanentmagneten ist komplex, ressourcen- und energieintensiv.

Hoher Flächenverbrauch und Radioaktivität

Seltene Erden werden im Tagebau gewonnen, was vor allem mit einem hohen Flächenverbrauch verbunden ist. Darüber hinaus enthalten die meisten SE-Lagerstätten radioaktive Materialien wie Thorium und Uran, was ein entsprechendes Risiko der Freisetzung radioaktiver Stoffe in den Luft- und Wasserpfad mit sich bringt.

Aufwändige Trennung

Aufgrund der chemischen Ähnlichkeit der 17 SE-Elemente, die in der Regel gemeinsam (aber in unterschiedlichen Konzentrationen) vorkommen, ist ihre Trennung aufwändig: Seltene Erden werden in einem mehrstufigen und komplexen Trennverfahren aus Erzen gewonnen.

Bei der Auswaschung mit Säuren bleiben giftige Schlämme und toxische Abfälle zurück, die einer entsprechenden Behandlung bedürfen, um die heute in China noch verbreiteten „Giftseen“ zu vermeiden. Teilweise werden die Erze, wie z.B. Monazit, auch einer Hochtemperaturchlorierung unterzogen, wobei ein Chloridgemisch entsteht, das ebenfalls entsprechend aufbereitet werden muss.

Hoher Energieverbrauch

Anschließend werden die reinen Metalle meist durch Schmelzflusselektrolyse der Chloride bzw. Fluoride gewonnen. Die heutigen Verfahren haben einen hohen Energieverbrauch und erzeugen hohe Schadgasmengen.

Die Legierung von SE mit Eisen und Bor zur Herstellung von Nd-Fe-B-Permanentmagneten ist wegen der hohen Schmelztemperaturen ebenfalls energieintensiv, ebenso wie die anschließende Herstellung von Magnetpulver und die Formgebung durch Sintern, Erodieren und Schleifen.

Nur wenige Seltene Erden werden industriell verwendet

Von den 17 Seltenerdmetallen werden nur die Elemente Neodym (Nd), Praseodym (Pr), Dysprosium (Dy), Terbium (Te) und in geringerem Umfang Cer (Ce) industriell zur Herstellung von Permanentmagneten verwendet. Diese machen, wie bereits erwähnt, etwa 25 Prozent der Produktionsmenge, aber 80-90 Prozent des Marktwertes aus. Andere Elemente werden in der Glas- und Keramikindustrie als Poliermittel, Entfärber, UV-Absorber, in optischen Linsen und Gläsern sowie in Nickelhydridbatterien verwendet, gelten aber eher als Nebenprodukte.

Aufgrund der ungleichen Rahmenbedingungen in Bezug auf Umweltauflagen, Energiepreise, Lohnkosten sowie der chinesischen Subventionspolitik sind die hier beschriebenen Prozesse der SE-Lieferkette ohne staatliche Eingriffe in Europa derzeit nicht wettbewerbsfähig.

Prof. Dr. Carlo Burkhardt

Hier sind massive Investitionen erforderlich, die sich für den Aufbau einer unabhängigen und gleichzeitig wettbewerbsfähigen Wertschöpfungskette im zwei- bis dreistelligen Milliardenbereich bewegen dürften.

Wiederverwertung von Magneten: Recycling ist nicht gleich Recycling

Auch für den Einstieg in eine Kreislaufwirtschaft für Permanentmagnete sind wichtige Grundvoraussetzungen derzeit (noch) nicht gegeben: Zunächst ist der Begriff „Recycling“ im CRMA nicht ausreichend definiert.

Die stoffliche Verwertung von Permanentmagneten kann auf sehr unterschiedliche Weise erfolgen, von der Pyrolyse gemischter Abfälle, bei der die SE aus der Schlacke zurückgewonnen werden, über die Hydrometallurgie zur Gewinnung von SE-Oxiden, bis hin zum Legierungsrecycling auf Basis der Wasserstoffversprödung.

Die Verfahren unterscheiden sich nicht nur technologisch, sondern auch hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen. So werden heute für die Pyrolyse gemischte Abfälle z.B. auf die Philippinen exportiert und dort verbrannt, die Schlacken in ähnlichen Verfahren wie bei der SE-Neugewinnung gelaugt und die Oxide anschließend in China wieder zu Seltenerdmetallen aufbereitet.

Ein solches Recycling ist sicherlich keine „europäische Kreislaufwirtschaft“, auch wenn einzelne Hersteller in diesem Zusammenhang mit 100 Prozent recycelten Magneten werben. Eine Verknüpfung der CRMA-Benchmarks mit entsprechenden Umweltdaten ist daher wünschenswert.

Praktische Hürden für eine Kreislaufwirtschaft der Magnete

Neben Definitionsfragen gibt es aber auch praktische Hürden, die eine Kreislaufwirtschaft für Permanentmagnete erschweren.

Geringes Gewicht

Permanentmagnete sind zwar für viele Hochleistungsanwendungen unverzichtbare Funktionsbauteile, ihr Gewichtsanteil ist jedoch aufgrund ihrer Effizienz in den meisten Anwendungen sehr gering. Beispielsweise enthält ein Smartphone nur 4-6 g Permanentmagnete, was einem (Neu-)Wert von weniger als 30 Eurocent entspricht. In zukünftigen Massenanwendungen wie Elektrofahrzeugen und Windkraftanlagen werden zwar deutlich größere Mengen an Magneten verbaut, bezogen auf das jeweilige Gesamtgewicht ist das Verhältnis jedoch vergleichbar.

Hoher Aufwand

Die meisten magnetischen Bauteile sind nicht für die Kreislaufwirtschaft konzipiert. Es fehlt eine maschinenlesbare Kennzeichnung, die Komponenten sind oft verklebt und die Magnete können nur mit großem Aufwand entfernt werden. In vielen Fällen übersteigen daher die Extraktionskosten den Materialwert, eine Demontage zur Rückgewinnung des Materials ist dann wirtschaftlich nicht sinnvoll, obwohl das eigentliche Magnetrecycling (ohne Berücksichtigung der Extraktion) bereits heute wirtschaftlich wäre.

Was es für eine Kreislaufwirtschaft braucht

Eine Kreislaufwirtschaft für Permanentmagnete ist daher nur realisierbar, wenn in Massenanwendungen ein Gesamtkonzept die stoffliche Verwertung aller eingesetzten Rohstoffe berücksichtigt und automatisierte Demontagekonzepte umgesetzt werden können.

Dennoch entstehende Mehrkosten gegenüber importierten Neumagneten sollten für eine Übergangszeit durch entsprechende Vorgaben (z.B. staatliche Investitionshilfen und Subventionen bzw. Umlage auf die Verbraucherpreise) kompensiert werden können. So könnte das derzeit bestehende erhebliche Defizit an industrieller Kapazität und Innovationsbereitschaft zur Umsetzung einer europäischen Kreislaufwirtschaft durch finanzielle Anreize beseitigt werden.

Insbesondere zur Vermeidung extraktionsinduzierter Mehrkosten ist ein konsequentes Ökodesign (Design for Circularity) von neuen Bauteilen anzustreben, welches eine spätere automatisierte Demontage begünstigt und den Einsatz von unerwünschten Kleb- und Beschichtungsstoffen unterbindet. In diesem Zusammenhang ist auch eine Kennzeichnung der Bauteile erforderlich, die alle verwertungsrelevanten Informationen in maschinenlesbarer Form enthält.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der CRMA der Europäischen Union ein erster wichtiger Schritt ist, um die Abhängigkeit der europäischen Industrie von kritischen Materialien zu verringern. Die für das Jahr 2030 angestrebten Benchmarks können jedoch nur durch eine Kombination von technologischen Innovationen, strategischen Investitionen und unterstützenden gesetzlichen Rahmenbedingungen erreicht werden.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Megatrend-Report: „In der Zukunft kritische Abhängigkeiten vermeiden“ mit Dr. Katrin Kamin, Forschungszentrum Trade Policy

Circular Economy: Ein Schlüssel für eine Nachhaltige Soziale Marktwirtschaft? von Ruben Krebs und Dr. Marcus Wortmann, Bertelsmann Stiftung

Recycling: Einsatz von Sekundärrohstoffen in der Praxis von Dr. Ulrike Lange, VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH



Kommentare

  1. / von SUSMAGPRO endet als großes Erfolgsprojekt - Wirtschaftskraft

    […] pusht Carlo Burkhardt das Thema Recycling auf europäischer Ebene. Das hat er auch jüngst in einem Gastbeitrag für die Bertelsmann-Stiftung […]

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