Rebound-Effekte in Unternehmen: Wie können sie vermindert oder vermieden werden?

Patrick Schöpflin Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung

Dr. Christian LautermannInstitut für Ökologische Wirtschaftsforschung

Energie und Materialien effizient zu nutzen, kommt Unternehmen und der Umwelt zugute. Führen Unternehmen Effizienzmaßnahmen durch, können als Nebenwirkung jedoch neue Material- oder Energieverbräuche entstehen.

Etwa, wenn durch höhere Ressourceneffizienz Kosten sinken und Unternehmen die eingesparten Mittel für Investitionen einsetzen oder die Produktion ausweiten. Dieses Phänomen wird Rebound-Effekt genannt.

Wie Rebound-Effekte entstehen

Rebound-Effekte entstehen, wenn es im Zuge von Effizienzsteigerungen oder in deren Nachgang zu Verhaltensänderungen und Unternehmensentscheidungen kommt, aufgrund derer ein Teil der erwarteten Einsparungen wieder aufgezehrt wird. Man kann sie als eine spezifische Form eines Wirkungsdefizits von Effizienzstrategien bezeichnen.1

Rebound-Effekte sind ein Grund dafür, dass trotz erhöhter Ressourcenproduktivität die absoluten Material- und Energieverbräuche sowie Treibhausgasemissionen in Deutschland und weltweit nicht im erforderlichen Maße sinken.2 Doch was können Unternehmen tun, um potentielle Rebound-Effekte zu identifizieren und geeignete Managementansätze zu ihrer Vermeidung oder Minderung zu entwickeln?

Strategie: Absolute Reduktionsziele für Energie- und Materialverbräuche setzen

Die Grundlage bildet die unternehmensstrategische Priorisierung. Ist diese nicht konsequent auf die Reduktion der absoluten Umweltverbräuche ausgerichtet, ist das Entstehen von Rebound-Effekten kaum zu vermeiden.

Die Prioritäten zwischen betrieblichem Nutzen der Effizienzmaßnahme, wie beispielsweise die Verbesserung der Produkt- oder Prozessqualität, und absoluten ökologischen Reduktionszielen der Effizienzmaßnahme sollten in Zielsystemen und bei Investitionsentscheidungen verankert werden.

Unternehmen sollten sich die möglichen Zielkonflikte zwischen ökologischen Einsparungen und anderen betrieblichen Nutzen, die die Effizienzmaßnahmen mit sich bringt, bewusst machen. Sie können zwar trotzdem noch zu Gunsten anderer betrieblicher Ziele auf das Erreichen der Umweltvorteile verzichten. Doch zumindest sollten sie sich dabei die ökologischen Kosten bewusst machen: in Form von nicht erreichten, aber theoretisch möglichen, ökologischen Einsparungen.

Werden Rebound-Effekte in Kauf genommen, sollten Maßnahmen entwickelt und geprüft werden, wie diese nicht erreichten Einsparungen durch nachträgliche Anpassungen oder weitere Effizienzmaßnahmen noch realisiert werden können.

Planung und Durchführung: Einsparpotential voll ausschöpfen

Ausgehend von der strategischen Ausrichtung gibt es auch in der operativen Planung und Umsetzung einer Effizienzmaßnahme Ansatzpunkte zur Vermeidung von Rebound-Effekten.

Wichtig ist es, den Blick zu weiten über die betreffende Effizienzmaßnahme hinaus: Ergeben sich durch die Maßnahme ökologische Synergiepotentiale oder ist mit negativen Nebeneffekten zu rechnen?

Da Rebound-Effekte nicht nur innerhalb eines Prozesses auftreten können, müssen dafür alle potentiell von der Maßnahme betroffenen Prozesse identifiziert und die entsprechenden Unternehmensbereiche eingebunden werden. Dabei sollten klare Zuständigkeiten für Maßnahmenplanung und -durchführung sowie Monitoring und Evaluation festgelegt werden.

Ein wichtiger Grundstein ist die Schaffung einer geeigneten Datenbasis zur Erfolgsbewertung. Ohne diese ist eine Evaluation der Effizienzmaßnahme im Hinblick auf Wirkungsdefizite und Rebound-Effekte unmöglich. Für die Ausgangsanalyse müssen reale Verbrauchswerte ermittelt und Baselines zum Vergleich definiert sowie künftige Bedarfe und Nutzungsmuster abgeschätzt werden.

Darauf aufbauend gilt es, das Effizienzpotential zu ermitteln, und zwar mit Hilfe von Prognosen und Abschätzungen unter Berücksichtigung der Ausgangslage und der neuen Paramater. Nicht zuletzt sollten ökologische Reduktionsziele auch in absoluten Zahlen formuliert werden, damit man die Zielerreichung über die Zeit genau verfolgen und bei Bedarf Anpassungen vornehmen kann.

Mögliche Wirkungsdefizite und Rebound-Effekte aufspüren

Ist eine Datenbasis vorhanden, gilt es sich der Frage zu widmen, ob und wo mögliche Wirkungsdefizite auftreten können. Werden Wirkungsdefizite antizipiert, können schon in der Planung und Umsetzung entsprechende Gegenmaßnahmen entwickelt werden.

Zur Aufspürung sollten verschiedene Bereiche und Quellen von Wirkungsdefiziten betrachtet werden:

  • Gibt es Unsicherheiten bei der Ermittlung von Verbrauchswerten und Einsparpotenzialen? Sind Schwächen in den Annahmen und genutzten Methoden bekannt?
  • Können mögliche Umsetzungs- und Bedienungsfehler die erwarteten Effizienzgewinne schmälern? Gibt es dadurch einen erhöhten Bedarf an Informationsbereitstellung, Schulungen oder Kontrollroutinen?
  • Führt die Maßnahme zu erhöhten Verbräuchen Innerhalb der Wertschöpfungskette bzw. zwischen Lebenszyklusphasen? Oder verschieben sich durch die Maßnahme Belastungen zwischen verschiedenen Bereichen des Umweltverbrauchs?
  • Ist mit einer intensivierten Nutzung des nun effizienteren Prozesses oder der nun effizienteren Technologie zu rechnen?
  • Kann bzw. soll durch die Maßnahme das Produktionsvolumen erhöht werden?
  • Kann die Maßnahme dazu führen, dass die Umweltverträglichkeit des Verfahrens oder Prozesses durch die Akteure „besser“ bewertet wird und dadurch weniger auf das individuelle umweltschonende Verhalten bei der Nutzung geachtet wird?

Finanzielle Folgeeffekte managen

Neben diesen möglichen direkten Effekten kann auch die Verwendung finanzieller Effizienzgewinne zu Rebound-Effekten führen.

Nämlich dann, wenn die Verwendung der eingesparten Mittel zu einer intensiveren Nutzung, einer Ausweitung der Produktion oder sonstigen mit Ressourcenverbräuchen verbundenen Investitionen führt. Dies ist nicht per se zu vermeiden.

© Miikka Luotio – unsplash.com

Um die Ziele einer absoluten Verbrauchsreduktion zu erreichen, müssen die mit Effizienzgewinnen verbundenen Finanzströme aber gemonitort und im ökologischen Sinne gesteuert werden.

Ein Rebound-Check sollte in Controlling-Prozesse integriert werden, um Klarheit darüber zu bekommen, in welcher Höhe Einsparungen durch die Maßnahme erwartet werden bzw. eintreten und wie die eingesparten Mittel verausgabt werden sollen.

Durch eine Policy zur ökologischen Verwendung der eingesparten Mittel können nicht nur Rebound-Effekte verhindert, sondern auch umweltorientierte Verstärkungseffekte erreicht werden. Eine solche Policy könnte Verwendungszwecke für die Effizienzgewinne, die Ausweitung und Übertragung der Effizienzmaßnahme oder die Umsetzung weiterer Effizienzmaßnahmen vorgeben.

Monitoring und Evaluation: Systematischen Ansatz wählen

Für die rückblickende Rebound-Analyse sind das Monitoring und die Evaluation der Maßnahme zentral. Zunächst bedarf es einer kurzfristigen „Nachher“-Messung innerhalb des betreffenden Prozesses. Damit können die neuen Verbrauchswerte mit den spezifischen und absoluten Einsparzielen abgeglichen und mögliche weitere ökologische Auswirkungen identifiziert werden.

Mittelfristig bedarf es zusätzlich eines übergreifenden Monitorings, da Rebound-Effekte – zeitlich verzögert – über einen abgegrenzten Prozess hinaus auftreten können. Die Entwicklung der absoluten Energie- und Materialverbräuche sollten nicht nur für isolierte Technologien oder Komponenten betrachtet, sondern möglichst systemisch bewerten werden.

Die Systemgrenzen sollten dabei so weit wie nötig, aber so eng wie möglich gewählt werden. So können Kontextbedingungen und deren Veränderungen erfasst und (soweit möglich) in die Messungen einbezogen und auch mögliche Effekte über den betreffenden Prozess hinaus erfasst werden. Dies beinhaltet auch ein Monitoring der laufenden finanziellen Kosten und den Umgang mit Einsparungen.

Die Rückführung eines möglichen Rebound-Effekts auf die Maßnahme ist nicht exakt möglich. Denn in der Regel verändern sich viele Faktoren im betrachteten System über die Zeit und wirken auf die Verbräuche ein. Dennoch ist das ganzheitliche Monitoring der Zielgröße „absolute Reduktion“ von entscheidender Bedeutung.

Die aufgezeigten Schritte stellen Unternehmen teils vor große Herausforderungen. Gleichzeitig bieten sie Unternehmen aber auch eine Unterstützung, um eine absolute Reduktion der Umweltverbräuche zu erreichen. So können diese einen Beitrag zur Einhaltung der planetaren Grenzen leisten und zugleich ihre Energie- und Rohstoffabhängigkeiten mindern.

Dieser Blog-Beitrag basiert auf dem Leitfaden für Unternehmen zum Management und der Vermeidung von Rebound-Effekten, der im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts Ganzheitliches Management von Energie- und Ressourceneffizienz in Unternehmen (MERU) entwickelt wurde. Weitere Informationen und Publikationen zum Projekt finde Sie hier: https://www.meru-projekt.de/

Literatur:

1 Santarius, T. (2016): Investigating meso-economic rebound effects: production-side effects and feedback loops between the micro and macro level. Journal of Cleaner Production 134, 406-413.

Sorrell, S. (2009): Jevons’ Paradox revisited: The evidence for backfire from improved energy efficiency. Energy Policy 37(4), 1456-1469.

2 UBA (2021): Daten zur Umwelt – Umweltmonitor 2020. Umweltbundesamt, Dessau.


Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Chancen und Grenzen der Ressourceneffizienz von Prof. Dr. Stefan Pauliuk, Universität Freiburg

Strukturwandel der Mobilität – Warum eine Verkehrswende dieses Mal gelingen sollte von Prof. Dr. Gerhard Prätorius, TU Braunschweig

Ressourceneffizienz: Der Wille ist da, die praktische Umsetzung schwierig mit Dr. Martin Vogt, VDI ZRE

 



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