Deutsche Unternehmen in der Transformation: Betroffenheit von Megatrends und Wege in die Zukunft

Dr. Vera DemaryInstitut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die deutsche Wirtschaft befindet sich inmitten eines tiefgreifenden Wandels. Unternehmen richten ihren Blick auf das Jahr 2045, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Sie investieren in digitale Produkte und Dienstleistungen oder entwickeln eigene innovative Lösungen.

Gleichzeitig werden neue Wege in der Personalgewinnung beschritten, um im Wettbewerb um Fachkräfte bestehen zu können. Angesichts geopolitischer Spannungen und neuer Handelsbarrieren überdenken viele Unternehmen ihre Strategien für internationale Lieferketten sowie Absatz- und Beschaffungsmärkte.

Diese Transformation stellt eine enorme Herausforderung dar. Sie verlangt von den Unternehmen erhebliche Investitionen, neue Kompetenzen und verlässliche Informationen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die deutsche Wirtschaft seit Jahren in einem Zustand permanenter Krisen befindet – von der Corona-Pandemie über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die daraus resultierende Energiepreiskrise bis hin zu globalen geopolitischen Spannungen.

Vier Megatrends stellen Betriebe vor Herausforderungen

Die vier zentralen Megatrends – Dekarbonisierung, Digitalisierung, Demografie und Deglobalisierung – treiben den Wandel mittel- bis langfristig maßgeblich voran. Doch angesichts der Vielzahl aktueller Krisen geraten sie in vielen Unternehmen in den Hintergrund.

Dabei birgt die Transformation auch große Chancen: Sie eröffnet neue Wege, um mit den komplexen Herausforderungen unserer Zeit umzugehen. So könnten instabile globale Lieferketten an Bedeutung verlieren, wenn Produktionsprozesse klimaneutral und regionaler gestaltet werden. Digitale Technologien wiederum ermöglichen effizientere Rekrutierungsprozesse und steigern die Attraktivität von Unternehmen als Arbeitgeber.

Individuelle Betroffenheit von den Megatrends

Klar ist, dass die Transformation der Wirtschaft ein langfristiger Veränderungsprozess ist, der entsprechend strategisch angegangen werden muss. Dazu kommt, dass die Betroffenheit der Unternehmen von den vier genannten Megatrends unterschiedlich ist: Es gibt also kein Patentrezept für den Umgang mit den Herausforderungen und auch keine identischen Chancen der Transformation. Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden. Dabei ist es aber dennoch möglich, sich bei anderen etwas abzuschauen.

In einer Unternehmensbefragung im IW-Zukunftspanel wurde ermittelt, wie deutsche Unternehmen ihre Betroffenheit von den genannten Megatrends einschätzen. 29 Prozent der befragten Unternehmen aus Industrie und industrienahen Dienstleistungen sahen sich dabei von allen vier Megatrends beeinflusst.

IW-Zukunftspanel
Anteil der Unternehmen, die von Dekarbonisierung, Digitalisierung, Demografie und Deglobalisierung betroffen sind, in Prozent. Befragung mit dem IW-Zukunft­spanel (46. Befragungswelle) im Zeitraum November 2023 bis Januar 2024, 699 Angaben basierend auf der Frage „Wie gut ist Ihr Unternehmen in den folgenden Bereichen aufgestellt?“

Es werden große Unterschiede nach Größe der Unternehmen deutlich: Während bei den kleinen Unternehmen mit maximal 49 Beschäftigten rund 28 Prozent alle vier Megatrends wahrnehmen, sind es bei den großen Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten rund 53 Prozent. Ein Erklärungsansatz dafür könnte sein, dass größere Unternehmen umfangreichere Prozesse aufweisen, die eher mit allen vier Megatrends in Zusammenhang stehen. Vor allem der Trend Deglobalisierung betrifft nicht alle und generell häufiger große als kleine Unternehmen.

Neben der Größe sind auch die Branche und der Internationalisierungsgrad von Unternehmen entscheidend für deren Betroffenheit:  Große Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes sowie stark internationalisierte Unternehmen sahen häufig Auswirkungen aller vier Megatrends. Es gibt jedoch auch Unternehmen, die angaben, keine Auswirkungen der vier Megatrends zu spüren: 8 Prozent der Befragten zeigten dieses Antwortverhalten.

Wie transformationsfähig sind Unternehmen?

Die Wahrnehmung der Trends für das eigene Unternehmen ist der erste Schritt hin zu einer erfolgreichen Transformation. Nur wenn Unternehmen sich im Klaren darüber sind, welche langfristigen Einflussfaktoren für die eigene Geschäftstätigkeit relevant sind, können sie sich mit diesen überhaupt weiter beschäftigen. Dies ist dann der zweite Schritt einer erfolgreichen Transformation: die Fähigkeit, sich an die Trends anzupassen und mit ihnen zurechtzukommen.

Von den Unternehmen, welche die Relevanz eines Themas für sich erkannt haben, sah sich in der Befragung ein Teil nicht gut aufgestellt, um damit umzugehen: Auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten, bei der 100 Punkte den Optimalzustand bedeuten, gaben 27 Prozent der Unternehmen weniger als 50 Punkte beim Thema Demografie an. Bei Dekarbonisierung schätzten sich 21 Prozent, bei Digitalisierung 20 Prozent und bei Deglobalisierung 15 Prozent mit unter 50 Punkten ein.

Ein erheblicher Teil der Unternehmen sah also bei sich selbst Nachholbedarf hinsichtlich der vier Strukturwandeltrends. Demgegenüber stehen aber auch Unternehmen, die sich sehr gut aufgestellt sahen. Je nach Trend ordneten sich zwischen 3 und 18 Prozent der Unternehmen bei 80 bis 100 Punkten ein.

Wege in die Zukunft: Was sich Unternehmen wünschen

Die große Heterogenität der Unternehmen in Bezug auf die vier Megatrends bedingt auch, dass eine Vielzahl von Maßnahmen für eine erfolgreiche Bewältigung der Transformation erforderlich ist. Dies gilt umso mehr, als sich die Trends nicht nur wie eingangs erwähnt positiv gegenseitig verstärken, sondern auch negativ bedingen können. Fehlende Digitalisierung ist beispielsweise das meistgenannte Hemmnis für die Bewältigung der Deglobalisierung, fehlende Fachkräfte das für die Bewältigung der Digitalisierung.

Trotz dieser Ausgangslage sind Unternehmen sich einig, was der wichtigste Hebel ist: Sie fordern vor allem mehr Investitionen des Staates in Bildung. Danach folgt der Wunsch nach einer politischen Flankierung unternehmerischer Maßnahmen in der Transformation, etwa durch passende Förderung oder Abkommen mit anderen Staaten. Aber auch sich selbst nehmen Unternehmen nicht aus der Pflicht: Veränderungsbereitschaft seitens der Unternehmensführungen und der Belegschaften wird ebenfalls als wesentlich für das Gelingen der Transformation eingestuft.

Damit machen die befragten Unternehmen deutlich, was eigentlich wichtig ist: Der Weg in die Zukunft wird dann gelingen, wenn Kräfte vereint werden und gemeinsam an dem Ziel gearbeitet wird, die deutsche Wirtschaft fit und zukunftsfähig zu machen.

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