CO2-Bilanzierung: Anforderungen in der Unternehmenspraxis

Die Ermittlung von CO2-Emissionen erhält für Unternehmen unter rechtlichen, kundenbezogenen und betriebswirtschaftlichen Aspekten eine zunehmende Bedeutung. Aber warum und wie werden CO2-Bilanzen in Unternehmen überhaupt erstellt und welche Herausforderungen und Handlungsbedarfe ergeben sich?

Um diese Fragen zu beantworten, hat das ifaa die aktuellen Anforderungen sowie Grundlagen der CO2-Bilanzierung zusammengetragen und Unternehmen der M+E-Industrie zu aktuellen Anforderungen, Aktivitäten, Erfahrungen und Herausforderungen in der Praxis befragt.

Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme durch das ifaa wurden in einer Broschüre zusammengefasst. Diese ermöglicht einen Einstieg in die CO2-Bilanzierung und gibt zudem einen realistischen Einblick in den aktuellen Stand der betrieblichen Praxis.

Anforderungen und Notwendigkeit zur CO2-Bilanzierung

Von Unternehmen werden zunehmend Informationen über die Emission von Treibhausgasen im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit gefordert. Da Kohlenstoffdioxid den größten Anteil an den Treibhausgasen hat, werden diese als CO2-Gewichtseinheiten ausgewiesen und alle anderen Treibhausgase entsprechend ihrer Treibhauswirkung in äquivalente CO2-Mengen  umgerechnet.

Durch die Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union in nationales Recht müssen ab 2025 alle großen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten sowie 40 Millionen Euro Nettoumsatz in der EU einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen.

Darin sollen auch Angaben zum Klimaschutz und damit CO2-Bilanzen enthalten sein. Diese neue rechtliche Anforderung betrifft in Deutschland etwa 23.000 Unternehmen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind auf den ersten Blick nicht direkt von dieser Berichtspflicht betroffen.

Indirekt wird die neue Richtlinie jedoch auch Auswirkungen auf viele KMU über Kunden und Geschäftspartner (z. B.  Kreditinstitute, Versicherungen) haben, wenn diese zur Erfüllung ihrer eigenen Berichtspflicht dies auch von ihren Geschäftspartnern fordern. Dies wird durch die darzulegende Verantwortung der berichtspflichtigen Unternehmen für die Lieferkette im Nachhaltigkeitsbericht sowie das Lieferkettengesetz impliziert. Somit werden auch viele KMU mit Anforderungen zur CO2-Bilanzierung konfrontiert werden.

Umsetzung und Schwierigkeiten der CO2-Bilanzierung

Um CO2-Bilanzen auszuweisen, müssen zunächst Daten ermittelt werden. Dazu müssen als erstes Regeln (Standards), Verfahren, Methoden und Werkzeuge (Hard- und Software) sowie organisatorische Zuständigkeiten und Quellen für die Datenermittlung definiert werden.

Für Akteure in der betrieblichen Praxis ergeben sich hier bereits die ersten Schwierigkeiten. Es existieren verschiedene Standards, Verfahren, Methoden und Werkzeuge sowie betroffene Stellen und Datenquellen für eine CO2-Bilanzierung. Diese müssen erst hinsichtlich der betriebsspezifischen Anforderungen bewertet, ausgewählt und detailliert geprüft werden. Das setzt Kenntnisse, Kompetenzen und Ressourcen voraus.

Situation in Unternehmen sehr heterogen

Die Unternehmensbefragung des ifaa ergab, dass die aktuelle Situation in den Unternehmen bezogen auf Kenntnisse, Kompetenzen, organisatorische Zuständigkeiten sowie verwendete Standards, Methoden, Werkzeuge und Datenquellen sehr unterschiedlich ist.

Große Unternehmen haben in der Regel einen höheren Reifegrad bei der CO2-Bilanzierung als KMU, was sich durch die bessere Ressourcenverfügbarkeit erklären lässt. Zudem liegen für bestimmte große Unternehmen bereits seit 2017 rechtliche Anforderungen und die Notwendigkeit zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten vor (z. B. durch CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, HGB § 289b) .

Definition von Betrachtungsgrenzen, Detaillierungsgrad und Qualität

Eine CO2-Bilanzierung kann mit verschiedenen Zielsetzungen erfolgen. Nach der gewünschten Betrachtungsperspektive lassen sich prozess-, organisations- oder produktbezogene CO2-Bilanzen unterscheiden.

Für jede CO2-Bilanz müssen Betrachtungsgrenzen (räumlich und zeitlich), Detaillierungsgrad und die geforderte Qualität (Genauigkeit, Aktualität, Vertrauenswürdigkeit) definiert werden. Der Schwierigkeitsgrad und der Aufwand für die CO2-Bilanzierung steigen mit zunehmender Komplexität der betrachteten Prozesse, Organisation oder Produkte. Ebenso steigen diese mit der Qualität der ermittelten Daten.

Eine summarische Ermittlung von CO2-Emissionen auf Basis von bezogenen Energiemengen weniger Energielieferanten für ein Land oder eine Organisation ist einfach. Sie erfolgt auf Basis von wenigen Datenquellen (Energielieferanten) und Umrechnungsfaktoren für den verwendeten Energieträger.

Schwierig wird es, wenn ein höherer Detaillierungsgrad oder eine Ausweitung der Betrachtungsgrenzen gefordert wird. Sollen Aussagen zu einzelnen Bereichen innerhalb eines Landes oder einer Organisation gemacht werden, müssen analytische Detailbetrachtungen durchgeführt werden. Dies gilt auch für geforderte Aussagen für konkrete Wertschöpfungsprozesse und Produkte.

Werden die Betrachtungsgrenzen durch Einbeziehung von vor- und nachgelagerten Prozessen, Organisationen oder Produkten ausgeweitet, steigt der Schwierigkeitsgrad und damit Aufwand ebenfalls an. Mit diesen Zusammenhängen lassen sich die Antworten der Unternehmen in der ifaa-Befragung zu berücksichtigten Emissionsbereichen, Schwierigkeiten, Aufwand und Qualität von organisations- und produktbezogenen CO2-Bilanzen erklären.

Ausgewählte Ergebnisse der Bestandsaufnahme

Bei knapp drei Viertel der befragten Unternehmen existieren bereits konkrete Anforderungen zur Ermittlung von CO2-Emissionen durch das eigene Management und bzw. oder externe Anspruchsgruppen (Kunden, Kapitalgeber, öffentliche Institutionen).

87 Prozent der befragten Unternehmen schätzen die zukünftige Bedeutung von Kompetenzen und verfügbaren Daten zur CO2-Emissionsermittlung im Unternehmen als hoch oder sehr hoch ein.

Den Zeit- bzw. Kostenaufwand für die Ermittlung von organisationsbezogenen CO2-Emissionen schätzen 54 Prozent der Unternehmen als hoch oder sehr hoch ein. Bei produktbezogenen CO2-Bilanzen liegt dieser Wert sogar bei 90 Prozent.

Praktische Umsetzung

Die Hälfte der befragten Unternehmen hat die Zuständigkeit für die CO2-Bilanzierung speziell geschaffenen Stellen oder Abteilungen wie der Nachhaltigkeitsabteilung übertragen. In etwa einem Viertel der Unternehmen wurde die Zuständigkeit dem Bereich Qualität oder Umwelt zugeordnet. Bei dem restlichen Viertel existiert noch keine Zuordnung der Zuständigkeit.

Etwa die Hälfte der Unternehmen verwendet zur Ermittlung von CO2-Bilanzen einfache, selbst erstellte Dateivorlagen wie Excel und Word oder Datenbanken wie Access. 14 Prozent der befragten Unternehmen setzen eine Spezialsoftware ein.

Die Mehrheit der befragten Unternehmen (69 Prozent) verzichtet auf den Kauf von Kompensationszertifikaten zur rechnerischen Verbesserung der CO2-Bilanz.

Die Qualität von organisationsbezogenen CO2-Bilanzen wird höher als die von produktbezogenen CO2-Bilanzen eingeschätzt.

Herausforderungen

Die größte Schwierigkeit und Herausforderung bei der CO2-Bilanzierung sehen die befragten Unternehmen in der fehlenden Verfügbarkeit von CO2-Daten aus vor- und nachgelagerten Bereichen (Scope 3 gemäß GHG-Protokoll).

Die Unternehmen wünschen sich vor allem eine bessere Verfügbarkeit von CO2-Daten aus vor- und nachgelagerten Bereichen der Wertschöpfungskette, besseren Datenaustausch und bessere Werkzeuge, z. B. Datenbanken, IT-Tools, mit denen die CO2-Emissionen ermittelt werden können.

Weitere Ergebnisse finden Sie unter CO2-Bilanzierung – Eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation in der Unternehmenspraxis.

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