Ampelpläne für die Energiewende: Die Richtung stimmt

Andreas FischerInstitut der deutschen Wirtschaft

Seit kurzem ist die neue Ampelregierung im Amt und hat in ihrem Koalitionsvertrag eine ganze Reihe an Zielen und Maßnahmen im Bereich Klimaschutz vorgelegt. Hier fällt vor allem positiv auf, dass die Wiederbelebung der deutschen Energiewende – konkret der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energieversorgung – als zentraler Grundstein des Erreichens jeglicher Klimaziele identifiziert und adressiert wurde.

Auch der Ausbau der dazu notwendigen Transportinfrastruktur ist als eines der großen Ziele in der kommenden Legislaturperiode deutlich zu erkennen.

Viele Bausteine nötig

Es gibt viele methodische und technische Bausteine, die nötig sein werden, um das Ziel der Klimaneutralität in Deutschland zu erreichen. Dazu gehören

  • eine umfassende Kreislaufwirtschaft
  • Technologien wie Wasserstoff und weitere synthetische Energieträger auf Basis Erneuerbarer Energien
  • in einigen Fällen die Abscheidung, Speicherung und Wiederverwertung von Kohlenstoff (Carbon Capture and Storage/Usage).

Der größte Hebel liegt allerdings weiterhin in einer klimaneutralen Energieversorgung. Konkret: in der Versorgung mit erneuerbar erzeugtem Strom.

Bisherige Einsparungen

Allein im Stromsektor wurden bisher bereits 140 Mio. Tonnen CO2 eingespart. Dies ergibt sich bei einem Vergleich des CO2-Abdrucks des deutschen Strommix vom vergangenen Jahr mit dem Startjahr des Erneuerbare Energien Gesetztes (EEG) in 2000 – allerdings sorgte hier natürlich die Corona-Krise für einen zusätzlichen Rückgang.

Aber auch mit dem Blick auf das Krisenvorjahr sanken die jährlichen CO2 Emissionen der Stromversorgung seit der Jahrtausendwende um etwa ein Drittel.  Gerade durch einen zeitnahen Kohleausstieg sind hier noch deutliche Einsparungen möglich.

Zudem führt die Elektrifizierung von Prozessen in allen Bereichen – ob bei Elektroautos, Wärmepumpen oder industriellen Anlagen – auch zu einer effizienteren Ressourcennutzung, indem der Primärenergieverbrauch deutlich gesenkt werden kann.

Ambitionierte Ampelpläne

Im jüngst vorgelegten Koalitionsvertrag ist deshalb positiv hervorzuheben, dass die Ampel sich im Unterschied zu ihren Vorgängern bereits mit ambitionierten Zielen selbst unter Druck setzt, tatsächlich liefern zu müssen.

Setzte die Vorgängerregierung die eigenen Ausbauziele deutlich zu niedrig, um die Klimaziele überhaupt zu erreichen und verfehlte dabei auch noch diese niedrige Hürde krachend, übertreffen die Ausbauziele der neuen Regierung gar die Erwartungen vieler Studien und Szenariorechnungen.

Insgesamt sollen die Kapazitäten der Solaranlagen als auch der Windenergie auf See in Deutschland bis 2030 glatt vervierfacht werden, um einen erwarteten Anstieg des Stromverbrauchs auf bis zu 750 Terawattstunden (TWh) in 2030 zu 80 Prozent mit Ökostrom decken zu können. Im Vergleich dazu lag der durchschnittliche Stromverbrauch der letzten Jahre, mit Ausnahme des Krisenjahres 2020, bei etwa 570 TWh. Durch diese Ziele ist erkennbar, dass die Ampel zusätzlich auch eine Verdopplung der Windenergieanlagen an Land anstrebt.

Auch beim Thema Wasserstoff wurden die Ziele zur heimischen Erzeugung des grünen Energieträgers angehoben. Die inländische Erzeugungskapazität soll im Vergleich zu den Plänen der bestehenden nationalen Wasserstoffstrategie verdoppelt werden.

Beispielsweise können die zusätzlich geplanten 10 Gigawatt Offshore Windenergie ausreichen, um diese neue Zielmarke der heimischen Wasserstofferzeugung mit grünem Strom zu versorgen. Auch diese Anhebung bisheriger Ziele steht im Einklang aktueller Erkenntnisse, dass die Einfuhr umfangreicher Mengen grünen Wasserstoffs kurz bis mittelfristig schwer umsetzbar ist.[1]

Letzte Bundesregierung zu zögerlich

Die vergangene Bundesregierung erwartete dagegen lange, dass der inländische Stromverbrauch in etwa konstant bleibt und korrigierte erst Mitte letzten Jahres ihre Erwartung etwas nach oben. Daher tragen die Pläne der Ampel nun auch einer weitreichenden Elektrifizierung aller Sektoren (Sektorkopplung) Rechnung und benennen diese als unmittelbares Ziel der Klimaschutzpolitik.

Mit den bisher bestehenden Ausbauzielen würde durch eine Steigerung des Strombedarfs, wie sie nun erwartet wird, eine deutliche Versorgungslücke an grünem Strom entstehen, wenn dabei das Sektorziel des aktuellen Klimaschutzgesetzes erreicht werden soll.

Ausgehend von den Ausbauzielen der alten Regierung würde sich selbst bei einer ausreichenden Verfügbarkeit von Gaskraftwerken, um die im Rahmen des Sektorziels verbleibenden CO2-Emissionen im Stichjahr 2030 auszuschöpfen und somit bis dahin bereits den Kohleausstieg umzusetzen, am Ende der Dekade eine Grünstromlücke von über 100 TWh ergeben.

Somit sind die ambitionierteren Ziele der Ampel deutlich besser geeignet, um Klimaschutz als auch Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

© Colin Behrens – Pixabay.de

Grüner Strom: reichlich und günstig

Dabei wird eine erfolgreiche Energiewende nur mit ausreichenden Mengen grünen Stroms zu wettbewerbsfähigen Preisen gelingen. Es geht darum, einerseits die nötigen Erzeugungs- und Transportinfrastrukturen für eine ausreichende Stromversorgung bereitzustellen, aber andererseits auch den Verbraucherpreis von einem Teil seiner Abgabenlast zu befreien.

Letzteres flankiert und stärkt die Wirkung des im letzten Jahr eingeführten CO2-Preises auf fossile Brennstoffe wie Benzin, Diesel, Erdgas und Heizöl. Dadurch

  1. wird der Wechsel von fossilen zu klimafreundlichen Energieträgern angeregt und Sektorkopplung ermöglicht.
  2. führt eine Absenkung der staatlichen Strompreisbestandteile dazu, dass Preissignale für Verbraucher auch erkennbar werden.

Denn auch in der Zukunft werden Knappheitssignale über den Preis benötigt, um Energieeffizienz anzureizen. Allerdings sinkt nur der Strombörsenpreis in Zeiten hoher Einspeisung durch Sonne und Wind deutlich ab, Steuern und Abgaben sind konstant und verdecken somit die Sicht auf wirkliche Preisschwankungen.

Dabei machte die Abgabenbelastung inklusive der Netzentgelte in 2021 rund drei Viertel des Haushaltspreises aus. In einer zukünftigen, nachhaltigen und smarten Stromversorgung wird das Preissignal durch die schwankende Einspeisung erneuerbarer Energien eine wichtige Rolle spielen.

Flexibilität der Verbraucher wichtig

Daher ist gerade auch die Flexibilität der Stromverbraucher und deren Reaktion auf Preisschwankungen ein wichtiger Bestandteil für die Energieversorgung der kommenden Jahrzehnte und sollte nicht zu stark durch starre Belastungen des Strompreises in Form von Abgaben und Umlagen behindert werden. Zudem gäbe es eine merkliche Entlastung für die Verbraucher, gerade angesichts der gestiegenen Energiepreise.

Deshalb wird von der neuen Regierung zurecht auch der Strompreis adressiert. Hier soll die ungeliebte EEG-Umlage ab dem Jahr 2023 komplett entfallen und über die Einnahmen des nationalen CO2-Preises refinanziert werden.

Die Vorgängerregierung begann bereits die Stromkunden hier zu entlasten, scheute sich aber davor, ein fixes Ausstiegsdatum zu präsentieren.  In 2021 machte die Umlage allein gut 20 Prozent des Strompreises für Haushaltskunden aus. Für eine vierköpfige Familie bedeutete dies zuletzt etwa 300 Euro im Jahr.

Darüber hinaus sollte die neue Bundesregierung prüfen, ob hier genug Spielräume bestehen, um neben einer Befreiung der Strompreise von der EEG sowie der flankierenden Umlagen für KWK-Anlagen und Offshore Wind nicht ebenso die Stromsteuer auf das europäische Minimum abgesenkt werden kann. Insgesamt würde dies den Strompreis für Haushaltskunden um rund ein Drittel senken und Strom als potenziell klimafreundlichen Energieträger im direkten Vergleich stärken.

Die Zeit drängt

Bei weitem scheiterte der Ausbau der Erneuerbaren als Grundpfeiler der Energiewende in den vergangenen Jahren nicht nur an uninspirierten Zielen, sondern vor allem an verschiedenen Hindernissen, die gerade den Ausbau der Windenergie nahezu zum Erliegen brachten.

Denn wenn Planungs- und Genehmigungsverfahren teilweise mehrere Jahre dauern, zu wenige Flächen für Windräder bereitgestellt werden und auch die Planungssicherheit für Anlagenbetreiber nicht gegeben ist, helfen auch die besten Ziele nicht weiter. All diese Hindernisse wurden zurecht bereits – wenn auch erst vage – im Koalitionsvertrag adressiert. Es wird allerdings auf die Umsetzung ankommen.

Hier wird die neue Regierung sich noch an den eigenen Zielen messen lassen müssen. Es zeugt von politischem Mut, derart ambitionierte Ziele zu setzen. Ebenso wird zurecht die hohe Kostenbelastung des potenziell klimafreundlichen Energieträgers Strom deutlich gesenkt und eine ganze Reihe der zentralen Hindernisse der Energiewende benannt und bereits adressiert.

Allerdings bedarf es beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren nicht nur einer Wiederbelebung der Aufbauzahlen auf das Level vergangener Jahre. Hier braucht es einer Dynamisierung, die den Ausbau zeitnah in bisher unerreichte Höhen katapultiert.

Daher wird nicht nur zu sehen sein, ob und wie,  sondern vor allem auch in welcher Geschwindigkeit die bestehenden Hindernisse abgebaut werden können, damit der Knoten platzt und der Ausbau ein Erreichen der Klimaziele noch ermöglicht.

[1] SCI4climate.NRW 2021: Wasserstoffimporte, Bewertung der Realisierbarkeit von Wasserstoffimporten gemäß den Zielvorgaben der Nationalen Wasserstoffstrategie bis zum Jahr 2030, Gelsenkirchen

 



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