Kreislauffähiger Konsum: Hürden verstehen und abbauen
Im Gegensatz zum vorherrschenden, linearen Wirtschaftssystem, das der Logik „Produzieren-Nutzen-Wegwerfen“ folgt, beschreibt Kreislaufwirtschaft ein Wirtschaftsmodell, in dem der Wert von Rohstoffen und Produkten so lange wie möglich erhalten bleiben soll. Kreislaufwirtschaft im Sinne einer „Circular Economy“ meint einen ganzheitlichen, systemischen Ansatz mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung.
Durch Konzepte wie Wiederverwendung, Reparatur und Recycling sollen beispielsweise die Lebensdauern von Materialien und Produkten deutlich verlängert und der Bedarf an Primärrohstoffen gesenkt werden.
Die Rolle des Konsums für eine Kreislaufwirtschaft
Mit Verweis auf das 9R-Modell einer Kreislaufwirtschaft tragen insbesondere konsumbezogene Strategien wie der Nichterwerb von Produkten oder die intensivere Nutzung bestehender Produkte (z.B. durch Sharing) zu einer positiven Umweltwirkung bei.
Diese übergeordneten, verhaltensbezogenen Strategien verdeutlichen, dass für die Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft auch die gesamtgesellschaftliche Komponente der Suffizienz, also der Reduktion des Konsumniveaus, berücksichtigt werden muss.
Für die Etablierung einer solchen Kreislaufwirtschaft bedarf es somit der Mitwirkung sämtlicher gesellschaftlicher Akteure, auch die der Konsumierenden.
Dr. Kathleen Jacobs
Der bisherige Fokus der Kreislaufwirtschaftsdebatte lag eher auf Abfallwirtschaft und technischen Innovationen einzelner Branchen – und somit weniger auf Anreizen für kreislauffähiges (und suffizientes) Handeln. Daher ist es wichtig, nachhaltiges Konsumverhalten im Kontext einer Kreislaufwirtschaft besser zu verstehen und zu stärken.
In diesem Sinne unterstützte das Wuppertal Institut das Online-Portal Kleinanzeigen 2023 bei der Durchführung der „Circular Economy Study“ in Deutschland durch eine wissenschaftliche Begleitung.
Große Attitude-Behaviour-Gap im Bereich Nachhaltigkeit
Die Ergebnisse der Kleinanzeigen-Studie zeigen, dass sich rund zwei Drittel der Deutschen mit einer positiven Umwelteinstellung nur gelegentlich, selten oder nie umweltbewusst verhalten. Eine solche Diskrepanz zwischen positiver Umwelteinstellung und tatsächlichem umweltfreundlichen Verhalten wird als Attitude-Behaviour-Gap bezeichnet.
Im Wissenschaftsdiskurs wird dieses Phänomen als zentrales Hindernis für nachhaltigere Produktions- und Konsumsysteme diskutiert. Doch woher kommt diese große Lücke zwischen Einstellung und Verhalten?
Hürden eines nachhaltigen und kreislauffähigen Konsums
Viele Menschen sind motiviert, einen nachhaltigen Lebensstil zu führen. Doch dies wird ihnen oft nicht leicht gemacht, weil die Hürden für nachhaltigen Konsum zu hoch sind.
Die Kleinanzeigen-Studie zeigt, dass rund die Hälfte der Befragten Schwierigkeiten haben, die Vertrauenswürdigkeit von Nachhaltigkeitsinformationen einzuschätzen. Ähnlich viel Befragte gaben zudem an, dass es für sie überhaupt schwierig ist, Informationen zur nachhaltigen Herstellung eines Produkts zu finden.
Ein Blick in die Praxis zeigt außerdem, dass bei einigen Produkten – wie Lebensmitteln und Textilien – eine regelrechte Label-Flut vorherrscht, die bei Konsumierenden eher für Verwirrung und Unverständnis sorgt. Im Gegensatz dazu fehlt es bei anderen Produkten – wie Elektrogeräten – an Nachhaltigkeitsinformationen, besonderes zur deren Kreislauffähigkeit.
Hürden beim Kauf und Verkauf von gebrauchten Produkten
Die Kleinanzeigen-Studie zeigt am Beispiel des Gebrauchtkaufs ebenfalls die zentrale Rolle des Mangels an (vertrauenswürdigen) Informationen auf. So gaben befragte Käufer als zentrale Nachteile des Gebrauchtkaufs an:
- mangelnder Anspruch auf Gewährleistung (39%)
- mangelndes Wissen zur Funktionsfähigkeit der Produkte (38%)
- mangelndes Wissen zur Vertrauenswürdigkeit der Verkäufer (37%)
Wichtig ist hierbei, auch die Hürden aus der Verkäufer-Perspektive zu beachten, da diese das Angebot an Gebrauchtwaren maßgeblich beeinflussen. Demnach sind die vier größten Hürden für den Verkauf gebrauchter Produkte:
- der Zeitaufwand (44%)
- die Unwissenheit über den Preis bzw. Wert des gebrauchten Produkts (33%)
- die anstrengende Kommunikation mit dem/r Käufer/in (31%)
- die Angst, betrogen zu werden (31%)
Handlungsansätze für eine suffizienz-basierte Kreislaufwirtschaft
Wie können diese Hürden abgebaut werden? Das Wuppertal Institut hat einen 5-Punkte-Plan für eine suffizienz-basierte Kreislaufwirtschaft entwickelt. Dieser greift einige der genannten Hürden auf.
Demnach sollen beispielsweise die Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten verbessert und gekennzeichnet werden, was auch für mehr Transparenz auf dem Gebrauchtwarenmarkt sorgen kann. Gerade in Bezug auf die Kreislauffähigkeit von Produkten fehlt es bislang weitestgehend an verpflichtenden Kennzeichnungen. Leicht verständliche, vertrauenswürdige Labels hätten das Potential, Konsumentscheidungen im Sinne der Kreislauffähigkeit zu fördern.
Der politische Diskurs hierzu hat bereits begonnen. In Frankreich wurde in 2021 ein verpflichtender Reparierbarkeits-Index eingeführt. Ab 2025 wird es EU-weit für Smartphones und Tablets ein neues Energielabel geben, welches auch einen Reparierbarkeits-Index anzeigt.
Infrastrukturen für eine längere Nutzung
Ein weiterer Aspekt des 5-Punkte-Plans des Wuppertal Instituts sieht die Schaffung von Infrastrukturen für eine lange Produktnutzung vor, beispielsweise durch ein „Recht auf Reparatur“, auf welches sich die EU jüngst geeinigt hat, und durch institutionelle Förderungen von Gebrauchtwarenhandel und -tausch.
Ein Blick auf die Ergebnisse der Kleinanzeigen-Studie zeigt ähnliche Ideen zur besseren Wiederverwendung von Gebrauchtwaren. So wünschen sich mehr als die Hälfte der Befragten eine Verpflichtung für Hersteller, Produkte so zu entwerfen, dass sich diese leichter reparieren bzw. einzelne Bestandteile austauschen lassen (61%), sowie mehr Anlaufstellen für die Reparatur defekter Produkte (56%).
Weitere Maßnahmen sind eine allgemeine Erleichterung der Abgabe/ Spende von Gebrauchtwaren, ein reduzierter Mehrwertsteuersatz für Gebrauchtwaren sowie mehr und bessere Informationen darüber, wo Gebrauchtwaren abgegeben werden können.
Insbesondere die Politik ist also gefragt, Rahmenbedingen so zu gestalten, dass eine kreislauffähige und suffiziente Lebens- und Wirtschaftsweise für viele Menschen erstrebenswert und machbar wird.
Dr. Kathleen Jacobs
Weitere Informationen zur Studie finden Sie hier.
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