Zero Waste Cities als Beitrag zum kommunalen Ressourcenschutz

Carina KoopWuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

In den letzten 50 Jahren hat sich die Weltbevölkerung verdoppelt, die Rohstoffentnahme verdreifacht. Mit unserer aktuell linear ausgerichteten Wirtschaft wird sich der globale Ressourcenverbrauch bis 2060 nochmals mehr als verdoppeln (IRP, 2019).

Angesichts dieser Entwicklungen wird deutlich, dass konkreter Handlungsbedarf besteht, um die Abfallmengen signifikant zu senken. Die Transformation der linearen Wirtschaft hin zu einer Circular Economy (CE) gilt daher zunehmend als Schlüsselstrategie für den Ressourcenschutz (Wilts & von Gries, 2017).

Bei diesem Paradigmenwechsel wird Abfall nicht nur am Ende der Produktlebensdauer betrachtet, sondern möglichst vermieden und Produkte durch Wiederverwendung und Reparatur so lange wie möglich genutzt (Wilts et al., 2017).

Circular Economy: Städte spielen eine Schlüsselrolle

Bei der Transformation zu einer nachhaltigeren und kreislauffähigen Gesellschaft spielen Städte eine Schlüsselrolle (Engel & Knieling, 2018; OECD, 2020). Die steigende Urbanisierung und der wachsende Ressourcenverbrauch drängen die Städte dazu, neue Wege in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen, wobei europäische Städte zunehmend die CE als Möglichkeit nutzen, dieses Ziel zu erreichen (Prendeville et al., 2018).

Auf kommunaler Ebene gibt es verschiedene Ansätze und Konzepte, um den Ressourcenschutz voranzutreiben. In Deutschland sind die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zum Beispiel verpflichtet, sogenannte Abfallwirtschaftskonzepte zu erstellen (§ 21 KrWG).

In den Kommunen wird die Erarbeitung solcher Abfallwirtschaftskonzepte jedoch äußerst unterschiedlich gehandhabt und nur wenige Kommunen erstellen detaillierte Konzepte mit strategischem Anspruch. Andererseits gab es in den letzten Jahren eine zunehmende Anzahl von Kommunen, die neue und integrierte Konzepte angestoßen hat, die weit über die Abfallkonzepte hinausgehen. Hierzu gehören zum Beispiel die Zero Waste Cities.

Zero Waste Cities

Der Ansatz der Zero Waste Cities ist eine Strategie, die Städte weltweit verfolgen, um ihre Abfallmengen zu senken und sich stärker hin zu einer Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. In Europa wird die Auszeichnung „Zero Waste City“ von dem europäischen Verein Zero Waste Europe verliehen.

Zur ersten europäischen „Zero Waste City“ wurde 2007 die italienische Gemeinde Capannori erklärt, seitdem sind knapp 400 europäische Gemeinden dieser Bewegung gefolgt (Simon et al., 2020).

Um den Status einer „Zero Waste City“ zu erlangen, muss die Kommune ein öffentlich verabschiedetes Konzept unter anderem mit quantifizierten Zielstellungen, einer umfassenden Partizipation und einem kontinuierlichen Monitoring erarbeiten.

Das Zero Waste-Konzept orientiert sich dabei an der fünfstufigen Abfallhierarchie, wobei die Abfallvermeidung die oberste Priorität darstellt. Darüber hinaus sollen Lösungen, die den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft behindern könnten, wie zum Beispiel der Ausbau von Verbrennungskapazitäten, vermieden werden.

Zero Waste ist in diesem Zusammenhang aber nicht mit „Null Abfall“ zu übersetzen, sondern eher mit „Null Verschwendung“. Denn es geht nicht darum, dass in einer Stadt überhaupt kein Abfall mehr erzeugt wird, sondern einen Weg aufzuzeigen wie Abfälle insgesamt deutlich reduziert werden können und insbesondere die Restabfälle, die nicht wiederverwendet werden können, auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.

Zero Waste Cities in Deutschland

Als erste deutsche Stadt hat die Landeshauptstadt Kiel beschlossen, „Zero Waste City“ zu werden. Das zugehörige Zero Waste-Konzept erstellte im Auftrag des Kieler Umweltschutzamts das Wuppertal Institut in Zusammenarbeit mit Stakeholder Reporting und dem Büro für Umweltwissenschaften.

Das Zero Waste-Konzept wurde im November 2020 einstimmig vom Rat beschlossen und stellt seitdem den kommunalen Handlungsplan zur Abfallreduzierung und -vermeidung in Kiel dar. Seit Mai 2021 ist Kiel zudem eine offizielle „Zero Waste Candidate City“.

Es hat sich gezeigt, dass die Landeshauptstadt Kiel durch die vielen aktiven Initiativen und Privatpersonen im Bereich Zero Waste bereits schon vor dem Konzept vielfältige Maßnahmen zur Abfallvermeidung ergriffen hatte.

Beispielhaft sind hier Repair-Cafés, Unverpackt-Läden, Veranstaltungen des lokalen Zero Waste-Vereins „Zero Waste Kiel e.V.“, die Abfallvermeidungsstrategie der Kieler Universität oder ein Mehrwegbechersystem auf der berühmten „Kieler Woche“ zu nennen (Koop, Wilts, & Kopytziok, 2020).

© Gary Chan – unsplash.com

Maßnahmen im Kieler Zero Waste-Konzept

Das Kieler Zero Waste-Konzept hat die bestehenden Maßnahmen aufgegriffen, aber auch viele neue Maßnahmen im Rahmen von Workshops zusammen mit den Kieler*innen erarbeitet.

Für den finalen Maßnahmenkatalog wurden 107 prioritäre Maßnahmen ausgewählt, dazu zählen unter anderem:

  • Zero Waste-Guide für die öffentliche Beschaffung
  • Einwegverbot für Bewirtungen auf öffentlichem Grund
  • Stoffwindel-Service
  • Abfallfreie Mensa
  • Einrichtung eines Verleihsystems für Veranstaltungsequipment
  • Zero Waste-Straße
  • Einrichtung einer Bauteilbörse
  • Prüfung eines pay-as-you-throw-Systems

(Koop, Wilts, Nanning, et al., 2020)

Auch München hat ein Zero Waste-Konzept erarbeitet

Neben Kiel hat auch München ein Zero Waste-Konzept erarbeitet, welches im Juli 2022 vom Rat beschlossen wurde. Zwischen April und Juli 2021 fanden dafür insgesamt fünf Workshops statt, die sich an die Zivilgesellschaft, Bildungseinrichtungen, Mitarbeiter*innen der städtischen Verwaltung und Politik, Unternehmen, Handel und Events, sowie Zuständige im Abfallmanagement richteten.

Im Rahmen der Workshops erarbeiten die Teilnehmer*innen Maßnahmen für die verschiedenen Sektoren der Landeshauptstadt München. Die Beteiligung bei den Workshops war sehr hoch und was das Interesse und Engagement der Münchner*innen beim Thema Zero Waste zeigt.

Das Zero Waste-Konzept bildet in München nun bis 2035 den Handlungsplan zur Abfallvermeidung in München und ist an drei übergeordneten Zielen ausgerichtet: Haushaltsabfälle um 15  Prozent pro Kopf reduzieren, die Restmüllmenge um 35 Prozent pro Kopf reduzieren und die Münchner*innen für Zero Waste zu sensibilisieren (Koop et al., 2022).

Empfehlungen für weitere Kommunen

Die Landeshauptstädte Kiel und München gehen als gute Beispiele voran und zeigen mit ihren Zero Waste-Konzepten einen Weg, wie Kommunen ihre Abfallmengen deutlich reduzieren können.

Um den Ressourcenschutz in Deutschland, Europa und der ganzen Welt voranzutreiben, sollten sich möglichst viele Kommunen auf den Weg machen, ihre Abfallmengen zu senken (Koop, Wilts, & Kopytziok, 2020). Ob der Zero Waste-City-Ansatz einen solchen Rahmen bietet, der über bestehende kommunale Konzepte hinausgeht und die Städte bei der Abfallreduktion sinnvoll unterstützt, wird im aktuellen DBU-Promotionsvorhaben von Carina Koop untersucht.

Im Zentrum des Forschungsvorhabens steht die Frage, welche Treiber und Barrieren sich Zero Waste Cities beim Übergang zu einer Circular Society stellen. Auf dieser Grundlage wird eine Typologie der Zero Waste Cities entwickelt, die dazu dient herauszustellen, wie das Zero Waste-City-Konzept in europäischen Städten ausgestaltet ist und welche Rolle es im Kontext der zirkulären Transformation spielt (https://www.dbu.de/stipendien_20021/737_db.html). 

Literatur

Engel, T., & Knieling, J. (2018). »Große Transformation« und nachhaltige Raumentwicklung – Stand der Diskussion und theoretische Zugänge. In J. Knieling (Hrsg.), Wege zur großen Transformation: Herausforderungen für eine nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung. Oekom. http://www.ciando.com/img/books/extract/3960062419_lp.pdf

International Resource Panel. (2019). Global Resources Outlook 2019: Natural Resources for the Future We Want—Summary for Policy Makers. United Nations Development Programme.

Koop, C., Wilts, Dr. H., Nanning, S., Jansen, U., Wagner, O., Soloha, R., Anders, L., Flandermeier, E., & Kopytziok, Dr. N. (2020). Zero Waste-Konzept. Gemeinsam Abfälle vermeiden und Ressourcen schonen. https://www.kiel.de/de/umwelt_verkehr/zerowaste/zerowaste_kiel_konzept.pdf

Koop, C., Wilts, H., Fecke, M., Birnstengel, B., Eckardt, M., Anders, L., & Börsig, S. (2022). Zero-Waste-Konzept für die Landeshauptstadt München. Abfallwirtschaftsbetrieb München.

Koop, C., Wilts, H., & Kopytziok, N. (2020). Zero-Waste-Strategien. Kiel ist Vorreiterin. Politische Ökologie, 163(04/2020), 115–118. https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/7646/file/7646_Koop.pdf

OECD. (2020). The Circular Economy in Cities and Regions (OECD Urban Studies) [Synthesis Report]. Organisation for Economic Co-operation and Development. https://doi.org/10.1787/10ac6ae4-en

Prendeville, S., Cherim, E., & Bocken, N. (2018). Circular Cities: Mapping Six Cities in Transition. Environmental Innovation and Societal Transitions, 26, 171–194. https://doi.org/10.1016/j.eist.2017.03.002

Simon, J. M., McQuibban, J., & Condamine, P. (2020). The Zero Waste Masterplan. Turning the vision of circular economy into a reality for Europe. https://zerowastecities.eu/wp-content/uploads/2020/07/2020_07_07_zwe_zero_waste_cities_masterplan.pdf

Wilts, H., Bahn-Walkowiak, B., Fischer, S., & Nicolas, J. (2017). Abfall vermeiden mit einer transformativen Innovationsagenda [Wuppertal InBrief]. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

Wilts, H., & von Gries, N. (2017). Der schwere Weg zur Kreislaufwirtschaft. GWP – Gesellschaft. Wirtschaft. Politik, 66(1), 23–28. https://doi.org/10.3224/gwp.v66i1.02


Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Nachhaltigen Konsum neu verstehen von Dr. Renate Hübner, Universität Klagenfurt

Die Rolle von Narrativen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft von Machteld Simoens, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Dr. Anran Luo, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

Ein Markt für Werterhalt ist wichtig, um Produkten einen längeren Lebenszyklus zu ermöglichen mit Daniel Büchle, AfB-Group



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