carbonauten: „In Deutschland wird eher in energetischen Champagner investiert“
In unserer Interview-Reihe sprechen wir mit kleinen und mittleren Unternehmen über das Thema nachhaltige Innovationen – und darüber, welche staatlichen Rahmenbedingungen aus ihrer Perspektive gegeben sein müssen, damit die anstehende Nachhaltigkeitstransformation erfolgreich bewältigt werden kann.
Dieses Mal geht es um das Unternehmen carbonauten, das mit seinen industriellen Grundstoffen CO2 aus der Atmosphäre entfernen will. Mitgründer Torsten Becker erläutert im Interview, warum Deutschland seiner Ansicht nach in energetischen Champagner investiert und wieso wir als Gesellschaft nicht so weitermachen können wie bisher.
Können Sie uns Ihr Produkt etwas näher erläutern?
carbonauten entwickelt und produziert über die Karbonisierung von Holzresten industrielle Grundstoffe und Vorprodukte, vor allem CO2-negative Kunststoffe. Das Besondere ist, dass wir das auf Basis von kostengünstigen Biokohlenstoffen und Bioölen tun. Und diese Biokohlenstoffe binden dauerhaft CO2.
Unsere Produkte entziehen der Atmosphäre über das Holz also CO2. Ein Effekt ist auch, dass sie dafür sorgen können, dass weniger aus Erdöl basierte Kunststoffe sowie Industrieruß für die Schwarzfärbung aus China zu uns transportiert werden müssen, was ebenfalls CO2 spart.
Wie funktioniert das?
Es ist technologisch eine riesige Herausforderung, der Atmosphäre einmal freigesetztes CO2 wieder zu entziehen. Es gibt da verschiedene Möglichkeiten, meistens werden etwa sechs genannt, von denen der Großteil aber nicht bewährt ist, teilweise nicht einmal erprobt. Unserer Ansicht nach ist der intelligenteste Weg, Aufforstung zu betreiben — allerdings braucht das sehr viel Fläche, was zu Konflikten führt.
Eine weitere, bewährte Methode ist Biokohle. Denn dabei handelt es sich um eine natürliche Kohlenstoffsenke, denn eine Tonne Biokohle entspricht dem Äquivalent von bis zu 3,3 Tonnen CO2. Und genau das machen wir uns in unseren Verfahren zu Nutzen.
Unsere minus CO2 Fabriken, wie wir sie nennen, sind darauf ausgelegt, aus den unterschiedlichsten Holz-Reststoffen Biokohle herzustellen. Das Besondere ist, dass wir bei unseren Öfen nicht darauf angewiesen sind, dass das Holz vorab äußerst klein gehäckselt wurde.
Es gibt ebenfalls keine Probleme, wenn Störstoffe wie beispielweise Nägel, Plastik oder Steine enthalten sind. Dementsprechend müssen diese Störfaktoren nicht aussortiert werden, was die Kosten reduziert. Noch dazu enthalten unsere Öfen keine beweglichen Teile, die Störungen verursachen können und verschleißanfällig sind.
Das macht unsere Methode äußerst kostengünstig. Und darauf kommt es schlussendlich in der Wirtschaft an, wenn wir ehrlich sind. Nachhaltigkeit ist eine wichtige Frage, die wichtigste Frage ist aber die nach den Kosten.
Welches Potential sehen Sie noch für carbonauten?
Wir würden auch gerne in der Landwirtschaft Fuß fassen, da wir einen pH-neutralen Bodenhilfsstoff als gebrauchsfertiges und günstiges Granulat entwickelt haben. Kohle speichert Nährstoffe, Mikroorganismen und Wasser. Auch hier sind wir deutlich kostengünstiger als viele Kollegen. Das Granulat von carbonauten kann über die Saatmaschinen zudem direkt ausgebracht werden.
Allerdings ist es sehr schwierig, Landwirte von unserem Produkt zu überzeugen. Hier wird noch sehr stark an die Chemie geglaubt.
Welche Hindernisse sehen Sie für Ihre Planungen, z.B. durch aktuelle staatliche Rahmenbedingungen?
carbonauten plant aktuell in China eine Megafabrik, der weitere folgen sollen. Man muss sagen: leider. Aber in Deutschland stößt unsere Idee auf wenig Gegenliebe. Hierzulande wird lieber in energetischen Champagner wie Wasserstoff investiert. Das ist merkwürdig.
Wir freuen uns aber, dass es auch gute Ansätze in Europa gibt, beispielsweise in Polen, Italien und Österreich. Daher möchten wir auch dorthin expandieren.
Was könnte die Politik tun, um eine nachhaltige Produktion besonders in KMU zu unterstützen? Was wünschen Sie sich von der Politik?
Norwegen und die USA haben es vorgemacht, wie Staatsfonds die grüne Wende vorantreiben können. Und das lohnt sich ganzheitlich, denn neben bedeutendem Wirtschaftswachstum, Hunderttausenden von Arbeitsplätzen sowie Boden für Innovationen und Wissenschaft reduziert das die Abhängigkeit von fossilen Produkten und Energien, auch aus autoritären Ländern.
Was, denken Sie, brauchen wir, um unsere Zukunft in eine nachhaltige Richtung zu lenken?
Wir haben nachweislich ein Klima-Problem. Seit den 70er Jahren erläutert uns die Wissenschaft, dass sich unsere Erde aufheizt und wir nicht so weitermachen können wie bisher. Bislang haben wir etwa 1.000 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre entlassen. Das Problem daran ist allerdings, dass wir dieses CO2 nicht sehen und nicht riechen können, deshalb ist das Problem abstrakt und wird nicht ernst genommen.
Daher machen die Menschen weiter wie bisher. Wir nutzen weiter fossile Energien, wir fliegen weiter um die Welt. Das fällt uns aber auf die Füße. Leider ist der Mensch noch dazu technologiegläubig und verlässt sich darauf, dass schon irgendjemand irgendetwas erfinden wird. Aber uns muss endlich klar werden: Es geht so nicht weiter. Denn eines haben wir alle nicht, um die Selbstzerstörung der Zivilisation zu verhindern: Zeit.
Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:
Viele CO2-Zertifikate halten nicht, was sie versprechen von Dr. Benedict Probst, Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb
CO2-Bepreisung: Aus Widerstand wird Zustimmung von Klaus M. Schmidt, Ludwig-Maximilians-Universität München
CCS: Warum das Speichern von CO2 im Untergrund sinnvoll und machbar ist von Prof. Dr. Christoph Hilgers, Karlsruher Institut für Technologie

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