Industrie: Mit Energieeffizienz und Energieflexibilität zur Klimaneutralität
Die Energiewende bringt für Politik, Gesellschaft und auch Unternehmen des produzierenden Gewerbes in Deutschland Herausforderungen mit sich. Zusätzlich fordert der Gesetzesrahmen von Unternehmen, konkrete Handlungspläne zu erstellen und neue Anforderungen zu erfüllen.
Ein Beispiel ist die verpflichtende Einführung eines Energie- oder Umweltmanagementsystems und die Identifikation der Abwärmenutzung für Industrieunternehmen, wenn bestimmte Bedingungen gegeben sind. Laut einer Erhebung des Energieeffizienz-Index der deutschen Industrie im Winter 2023 waren bereits ein Drittel der befragten Unternehmen dazu verpflichtet. Dadurch wächst der Stellenwert der betrieblichen Energieeffizienz in Unternehmen, die sich zusätzlich zu Themen wie Personaleinsatz und Wertschöpfung entlang der Produktionskette auch verstärkt dem Thema Energieeffizienz widmen.
Der Energieeffizienz-Index der deutschen Industrie (EEI), der am Institut für Energieeffizienz in der Produktion der Universität Stuttgart erhoben wird, bildet halbjährlich aktuelle Trends im Spannungsfeld zwischen Politik, Gesellschaft und der deutschen Industrie ab. Ziel ist es, Erkenntnisse über branchenspezifische Entwicklungen im Bereich der Energieeffizienz darzulegen und Herausforderungen sowie Chancen aufzuzeigen. Welche Schlüsse aus den vergangenen Erhebungen gezogen werden können.
Ein Viertel der Unternehmen will bis 2025 Netto-Klimaneutralität erreichen
Vor der Corona-Pandemie konnte ermittelt werden, dass sich Unternehmen eigene Maßstäbe zur Erreichung der Netto-Klimaneutralität setzten – unabhängig vom Bundesklimaschutzgesetz.
- 32 Prozent der befragten Unternehmen hatten damit begonnen, sich bilanziell klimaneutral aufzustellen oder die Umsetzung bereits abgeschlossen.
- Ambitionierter war das Ziel von 24 Prozent der Unternehmen, bis 2025 Netto-Klimaneutralität erreichen zu wollen.
- Während der Pandemie gaben 12 Prozent der befragten Unternehmen wiederum an, keine Optimierung hinsichtlich des Ausstoßes der betrieblichen Emissionen vorzusehen.
Zur Erreichung vorgegebener oder selbst gesetzter Klimaziele können Unternehmen verschiedene Maßnahmen durchführen. Sie reichen von solchen, die schnell und zumeist kostengünstiger umgesetzt werden können – sogenannten „low-hanging fruits“ – bis hin zu Großinvestitionen. Dazu zählen beispielsweise die Elektrifizierung der Wärmeversorgung oder die Umstellungen von ganzen Produktionsanlagen auf erneuerbare Energieträger, etwa grünen Wasserstoff.
Energieeffizienz-Maßnahmen relevanter Faktor
Vorrangig orientieren sich Unternehmen bislang an den leichter umsetzbaren Maßnahmen, wie mehrere Erhebungen des EEI belegen. Charakteristisch ist die gewünschte Amortisationsdauer von unter fünf Jahren. Mit der Umsetzung von Energieeffizienz-Maßnahmen erhoffen sich die befragten Unternehmen Kostenvorteile durch höhere Energieeffizienz und somit eine Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit.
Wirtschaftlichkeit ist überwiegend der ausschlaggebende Punkt für Investitionen in Energieeffizienz-Maßnahmen.
Zur Ermittlung der Einsparungsmöglichkeiten durch Energieeffizienz-Maßnahmen müssen Unternehmen ein Bewusstsein für Energieverbräuche bzw. die ausgestoßenen Emissionen entwickeln. Dabei sind die Erfassung und das Monitoring der Energieverbrauchsdaten nicht die einzige Herausforderung, welcher sich Unternehmen in der Transformation zu einem klimaneutralen Unternehmen stellen müssen.
Unternehmen hatten in den zurückliegenden Jahren beispielsweise auch mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie oder der Energiekrise zu kämpfen. Laut der Wintererhebung 2020 schoben 16 Prozent der befragten Unternehmen Energieeffizienz-Maßnahmen auf, 4 Prozent reduzierten sie sogar.
Dagegen wurde während der Energiekrise verstärkt auf Energieeffizienz-Maßnahmen gesetzt. Im Sommer 2023 nannten 2 Prozent der Unternehmen, entsprechende Maßnahmen hinauszuzögern, während kein Unternehmen angab, Maßnahmen zu reduzieren.
Ohne Förderungen Furcht vor Risiken
Laut den Erhebungsdaten vom Winter 2021 fehlte es rund drei Viertel der Unternehmen an Forschungs-, Planungs- und Umsetzungsförderungen zur Umsetzung von Energieeffizienz-Maßnahmen für die Netto-Klimaneutralität. Ergänzend gaben die Unternehmen in den Wintererhebungen 2020 und 2023 an, aufgrund der technischen Komplexität ohne entsprechende Förderungen wirtschaftliche Risiken im Zuge der Umsetzungskosten und bei der Durchführung zu befürchten.
Zusätzlich wurden Risiken in Bezug auf das Personal und die Qualität sowie die fehlende zeitliche Komponente als relevant eingestuft. Dabei ist die mögliche Beeinträchtigung der globalen Konkurrenzfähigkeit durch die gebundene Liquidität bei der Umsetzung von Energieeffizienz-Maßnahmen die Hauptsorge der Unternehmen. Hinzu kommt, dass für 48 Prozent der Unternehmen die gesetzlichen Verpflichtungen derzeit unerfüllbar erscheinen und sie Bedenken bezüglich potenzieller Klimaklagen haben.
Energiemanagement als Schlüssel
Informationen und weiterführende Beratungen sind ein wichtiger Schlüssel, um Unternehmen die Sorge bezüglich eines erhöhten Risikos zu nehmen. Mithilfe der Sonderfragen des EEI wurden die Unternehmen bereits über mehrere Erhebungen hinweg auf einen möglichen Bedarf an Informationen und Beratung zu bestimmten Themen befragt.
Ein solcher Bedarf hinsichtlich der Implementierung möglicher Energieeffizienz-Maßnahmen oder dem optimalen Betrieb der Energieversorgungsanlagen stieg über die Erhebungen im Winter 2021, 2023 und im Sommer 2022 an. Dies lässt vermuten, dass sich Unternehmen vermehrt mit den Themen Klimaneutralität und Emissionsreduktion mittels Steigerung der Energieeffizienz auseinandersetzen.
Bezüglich dieser Betrachtung und den Anforderungen des Energieeffizienzgesetzes bildet das Einführen eines Energiemanagementsystems einen wichtigen Schritt für Unternehmen.
- Während im Jahr 2023 weniger als die Hälfte der befragten Unternehmen ein Energiemanagementsystem betrieben, wurden bei einem Drittel der Unternehmen aus den Erhebungen Winter 2021 und Sommer 2024 die Energieverbrauchsdaten nicht automatisiert erfasst.
- Wiederum gaben im Winter 2023 über die Hälfte der Unternehmen an, über ausreichend interne Ressourcen für die Umsetzung eines Energiemanagements oder der Abwärmenutzung zu verfügen.
Energieflexibilität als innovativer Ansatz
Während Informationslücken und wirtschaftliche Zwänge für die Transformation erschwerende Faktoren darstellen, gibt es auch treibende Kräfte und innovative Lösungen, die Unternehmen dazu befähigen, sich den aktuellen Rahmenbedingungen anzupassen, ihre Energiekosten zu optimieren und gleichzeitig ihre Klimaziele zu erreichen.
Ergänzend zur Energieeffizienz ist einer dieser innovativen Ansätze die Implementierung von Energieflexibilität in betriebliche Energiesysteme.
Durch die dynamische Anpassung von Energieverbrauch und -erzeugung können Unternehmen Schwankungen im Stromnetz ausgleichen, erneuerbare Energien effizienter nutzen und Lastspitzen vermeiden. Dies ermöglicht nicht nur die Reduzierung von Energiekosten, sondern trägt auch dazu bei, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und sich gegenüber den Anforderungen des Energiemarktes zukunftssicher aufzustellen.
Die Erhebung im Winter 2021 ergab, dass für über die Hälfte der befragten Unternehmen die Flexibilisierung der Energienachfrage noch kein Fokusthema ist. Ähnlich wie bei der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen sind auch hier die internen Kapazitäten, seien sie fachlich oder finanziell, die größten Hürden.
Für Unternehmen ist es also notwendig, die Volatilität der erneuerbaren Energien zu berücksichtigen und die betrieblichen Systeme entsprechend energetisch zu flexibilisieren, um “netto-klimaneutral“ zu werden. Es ist nicht mehr ausreichend, lediglich den Energieverbrauch zu senken oder in kurzfristige Energieeffizienz-Maßnahmen zu investieren. Entscheidend wird sein, dass Unternehmen langfristige Strategien entwickeln, um ihre Klimaziele zu erreichen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
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