Flugzeug

Wie Kapital und Technologien für einen nachhaltigen Luftverkehr mobilisiert werden können

Prof. Dr. Philipp GoedekingJohannes-Gutenberg Universität Mainz

Der Luftverkehr wächst schneller, als er seine CO2– und andere klimaschädlichen Emissionen senken kann. Und das, obwohl es keineswegs an ausgereiften technischen oder operativen Konzepten fehlt.

Die großen Flugzeughersteller arbeiten an völlig neuen Rumpfdesigns, Triebwerksbauer testen Antriebe mit Wasserstoff oder anderen nicht fossilen Energieträgern, Startups wie große Energieunternehmen entwickeln CO2-arme Treibstoffe und großtechnische Anlagen, die CO₂ wieder aus der Atmosphäre ziehen sollen, und Flugsicherungen erproben effizientere Flugwege.

Trotz all dieser Ansätze löst sich aber die enge Kopplung von Emissionen und Verkehrsvolumen nicht. Im Gegenteil: Sie wirkt weiterhin wie zementiert. Warum ist das so? Und was folgt daraus?

Kurzsichtigkeit, Greenwashing und die Verwechslung von Wunsch und Wirklichkeit

Die genannten Technologien und Verfahren werden die Kosten der Airlines für Treibstoffe um ein Mehrfaches anheben. Und den Airlines wird angesichts ihrer notorisch schwachen Margen wenig anderes übrigbleiben, als diese Kosten an ihre Kunden weiterzureichen. Kein Zweifel also: Fliegen wird deutlich teurer werden.

Hinzu kommt: Die klimaschädliche Wirkung von CO2 hängt nicht primär an den laufenden Emissionen, sondern an der Summe aller bisherigen Emissionen, weil CO2 erst nach hunderten Jahren in der Atmosphäre abgebaut wird. Je länger wir also warten, desto abhängiger werden wir von den sehr teuren und auch unter Nachhaltigkeitsaspekten nicht unproblematischen „CO2-Staubsaugern“ (Carbon Capture Utilization and Storage, CCUS), um bereits emittiertes CO2 wieder einzufangen. Mit anderen Worten: Je länger wir warten, desto teurer wird es.

Wir sehen bisher drei grundlegende Defizite: Kurzsichtigkeit, Greenwashing und die Verwechslung des Wünschenswerten mit dem Möglichen.

Kurzsichtigkeit

In neue Flugzeuge, die deutlich weniger CO₂ ausstoßen als ihre Vorgänger, flossen allein im Jahr 2024 rund 80 Milliarden US-Dollar. Für Investoren, Banken oder Leasinggesellschaften sind diese Investitionen vergleichsweise risikoarm. Gerät eine Airline in die Insolvenz, lässt sich das Flugzeug meist rasch an eine andere Gesellschaft irgendwo auf der Welt weitervermieten oder verkaufen.

Gleichzeitig ist unstrittig, dass selbst modernste Flugzeuge und Triebwerke nur einen Teil der notwendigen Emissionsminderungen liefern können, bestenfalls etwa ein Viertel. Andere Technologien, Treibstoffe und Verfahren müssen hinzukommen. Immer mehr Bedeutung erfahren deshalb Waldaufforstungen und ähnliche biologische Instrumente, obwohl über 80 Prozent der entsprechenden Zertifikate nicht das halten, was sie versprechen, wie eine aktuelle Studie der Max-Planck-Gesellschaft zeigt (hier zu lesen auf unserem Blog).

Investitionen in neue, zukunftsfeste Technologien wie beispielsweise synthetische Kraftstoffe sind langwierig, risikoreich und wirtschaftlich oft erst spät einschätzbar. Zu viele Investoren schließen deshalb inzwischen Investitionen in nachhaltige Technologien für den Luftverkehr von vornherein aus – anderswo winken bessere Renditen mit geringerem Risiko.

Es ist nicht zu übersehen, dass Produktionsanlagen zur Herstellung künstlicher Treibstoffe im industriellen Maßstab kaum finanziert werden können. Es bleibt viel zu oft bei Pilotanlagen im Labormaßstab und die notwendigen Produktionsmengen bleiben ein Bruchteil dessen, was notwendig wäre.

Greenwashing

Immer noch dominiert eine trügerische Kennzahl, genannt Intensity, die Debatte um Nachhaltigkeit des Luftverkehrs. Intensity misst, wie viel CO2 pro Einheit Verkehrsleistung entsteht, etwa pro geflogenem Passagierkilometer.

Das führt unweigerlich dazu, dass diese Kennzahl einen Fortschritt ausweist, wenn das Verkehrswachstum schneller wächst als die CO2-Emissionen. Und dies geschieht selbst dann, wenn die CO2-Emissionen absolut zunehmen. Es entsteht der Eindruck eines Erfolges, obwohl sich das Klimaproblem real verschärft.

Verwechslung des Wünschenswerten mit dem Möglichen

Infolge des Pariser Klimaschutzabkommens 2015 haben sich viele Airlines öffentlich zu konkreten Zielen verpflichtet. In internationalen Gremien wurden Pfade festgelegt, welche Emissionsmengen oder Intensitätswerte zu welchem genauen Zeitpunkt bis 2050 noch zulässig sein sollen, um das große Ziel net zero zu erreichen.

Schon nach wenigen Jahren zeigte sich jedoch, dass diese Zielpfade mit der Realität wenig zu tun hatten. Anspruch und Wirklichkeit drifteten auseinander. Das Wünschenswerte und das Mögliche wurden verwechselt. Wenn aber Zielwerte bestimmter Kennzahlen in Finanzierungsverträgen von Flugzeugen oder großtechnischen Anlagen verbindlich festgeschrieben werden, die sich danach als faktisch unerreichbar herausstellen, werden sie zum Sprengsatz solcher Verträge.

Im Ergebnis haben im Laufe des Jahres 2025 viele Airlines ihre Selbstverpflichtungen still und leise zurückgenommen. Banken beginnen sich selbst aus dem vergleichsweisen risikoarmen Geschäft der Flugzeugfinanzierung zurückzuziehen und bestärken Investoren in ihrer Zurückhaltung gegenüber langfristigen Engagements in dieser Branche.

Ähnliche Muster zeigen sich in anderen Industrien: Die Net Zero Banking Alliance (NZBA) mit weltweit mehr als 140 Mitgliedern wurde vor wenigen Wochen schlichtweg aufgelöst. Politische Blockaden in wichtigen Weltregionen haben diesen Prozess zusätzlich beschleunigt, mit wenig Hoffnung auf baldige Korrekturen.

Belohnung von tatsächlichem Fortschritt anstreben

Daher plädieren wir für eine grundsätzlich andere Strategie: Nicht die a priori Ambition eines Projektes sollte im Vordergrund stehen, sondern nachweislicher, tatsächlicher Fortschritt. Das gilt für die Finanzierung von Flugzeugen ebenso wie für alle Technologien, die zu mehr Nachhaltigkeit beitragen, und ausdrücklich auch für die Forschungsförderung.

Anstelle starrer, absoluter Zielwerte sollten relative Verbesserungen belohnt werden, etwa gegenüber einem Basisjahr wie 2019. Entscheidend ist dabei, die Entkopplung von Verkehrswachstum und Emissionen messbar zu machen und finanziell zu honorieren.

Wir schlagen dazu ein einfaches Punktesystem vor: Je stärker die Trends von Verkehrs- und Emissionswachstum entkoppelt werden können, um so mehr Punkte werden vergeben. Und jeder zusätzliche Punkt ist mit einer finanziellen Belohnung verbunden.

Die Belohnung fließt also nicht erst oder gar nur dann, wenn ein starres Ziel zu einem starren Datum erreicht wird, sondern sobald messbarer Progress erreicht wird – und zwar nach dem Prinzip: „Je früher, desto besser“. Dieses Maß von Fortschritt lässt sich zudem für jede Airline und jedes Technologieprojekt separat bestimmen, unabhängig vom Tempo anderer. Das setzt zusätzliche Anreize für mutige Innovationen.

Fortschritte erzielen und messen

Es spricht schließlich nichts dagegen, wenn Luftverkehr wächst, solange seine Emissionen wirksam und ausreichend schrumpfen. Wachstum ist sogar Voraussetzung dafür, die Kosten der Transformation finanzieren zu können. Technologiespezifische Vorgaben von Regulatoren oder Investoren haben jedoch die Tendenz, Investitionen in bekannte, risikoarme, im Zweifel aber langfristig nicht ausreichend wirksame Projekte zu lenken. Die Belohnung tatsächlicher Fortschritte hingegen ist technologieoffen, minimiert Streuverluste in wenig wirksame Ansätze und beschleunigt den Fokus auf Investitionen, die messbar wirken.

Entscheidend ist nicht, wie Fortschritte erzielt werden, sondern dass sie erzielt werden. Das allerdings muss konsequent nachgehalten werden. Solche Fortschrittsmessung ist mit einfachen Mitteln möglich, ohne komplexe Annahmen über die Zukunft und ohne Schlupflöcher für Greenwashing.

Erfolgreiche Entkopplung von Verkehr und Emissionen bleibt damit die entscheidende Voraussetzung dafür, dass der Luftverkehr eine wirtschaftliche und ökologische Zukunft hat.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Viele CO2-Zertifikate halten nicht, was sie versprechen von Dr. Benedict Probst, Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb

Elektrische und solarbetriebene Luftschiffe für einen klimafreundlichen Luftverkehr von Prof. Dr. Christoph Pflaum, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Ressourceneffiziente Ökonomie und die richtigen Instrumente von Prof. Dr. Friedrich Thießen, Technische Universität Chemnitz



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