right

Right: Viele Probleme sind hausgemacht

In unserer Interview-Reihe sprechen wir mit kleinen und mittleren Unternehmen über das Thema nachhaltige Innovationen – und darüber, welche staatlichen Rahmenbedingungen aus ihrer Perspektive gegeben sein müssen, damit die anstehende Nachhaltigkeitstransformation erfolgreich bewältigt werden kann.

Dieses Mal geht es um das Climate Tech-Unternehmen right aus Frankfurt am Main. Gründerin und CEO Hannah Helmke erläutert unter anderem, warum wir in Deutschland mehr Transparenz und mehr Wertschätzung brauchen.

Können Sie uns Ihr Produkt etwas näher erläutern?

right stellt Softwarelösungen her, die wissenschaftlich robust den Beitrag eines Unternehmens, einer Immobilie oder eines Finanzportfolios zur Erderwärmung berechnen. Wir machen mit unserer Software als die Klimawirkung von wirtschaftlichen Aktivitäten transparent – und zwar in Grad Celsius, sodass jeder diese Klimawirkung auch in Beziehung zum 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens setzen kann.

Wie genau funktioniert das?

Unsere Kunden, zum Beispiel Unternehmen, können ihre Daten in unsere Software eingeben. Mit den Kundendaten berechnet diese dann die Klimawirkung des Unternehmens. Sie gibt die Antwort auf die Frage: Um wieviel Grad würde sich das Klima erwärmen, wenn die gesamte Welt die gleiche Klima-Performance hätte wie das betrachtete Unternehmen? Da sind manche Betriebe schon auf einem guten Weg. Und andere haben eine Performance, mit der wir die 4-Grad-Marke knacken würden.

Gleichzeitig lässt sich durch die Software überprüfen, welche Maßnahmen zur Emissionsreduktion wirklich effektiv sind – und welche eher Symbolkraft haben.

Hätten Sie hier ein Beispiel für uns?

Viele denken, es bringe sie voran, wenn sie LED-Licht nutzen oder die Reiserichtlinien verändern. Das sind aber keine großen Hebel. Die liegen eher im Produktdesign oder im Materialeinkauf.

Die Berechnungen unserer Software können zudem genutzt werden, um rechtliche Anforderungen zu erfüllen. Beispielsweise erleichtern sie nicht nur die Nachhaltigkeitsberichterstattung für die Betriebe, sie machen sie auch für Außenstehende vergleichbarer. Mit unserer Software wird ersichtlich, welche Unternehmen ihre Geschäftsstrategie wirklich auf das 1,5 Grad-Ziel ausrichten und wo sie auf diesem Weg konkret stehen. Das ist natürlich auch interessant für Stakeholder wie Kapitalgeber:innen.

Denn wir müssen davon wegkommen, dass Betriebe in ihren Geschäftsberichten seitenweise darüber schreiben, dass sie ihre Lampen ausgewechselt und sich ein E-Auto angeschafft haben. Das ist doch nicht der Rede wert.

Wie kam es zu der Idee?

Die Idee kam mir, als ich ein Paper der HSBC-Bank gelesen habe. Darin stand, dass rund drei Viertel der im Markt bereits eingepreisten fossilen Brennstoffe in einer <2°C-Welt nicht verbrannt werden dürften. Die Carbon Bubble genannte Finanzblase, die fossile Brennstoffe einpreist, welche aber nach unseren Klimabkommen gar nicht mehr verbrannt werden dürfen. Diese Blase wurde schon 2015 auf 27 Billionen Dollar geschätzt. Sie ist weit größer als die Immobilienblase 2008.

Das wollte ich sichtbar machen. Daher kam ich auf die Idee, transparent zu machen, welche Geschäftsmodelle mit Emissionen rechnen, die es in einer 1,5-Grad-Welt nicht mehr geben dürfte.

Wie haben Sie den Gründungsprozess erlebt?

Der andere Co-Gründer von right ist Jurist. Deswegen konnten wir diesen Prozess gut meistern. Grundsätzlich ist das Umfeld in Deutschland für junge Unternehmen aber sehr herausfordernd. Man muss  schon ziemlich gut sein, wenn man es hier schaffen möchte. Als innovatives KMU bringen wir Veränderungen und frischen Wind mit, der den großen Tankern da draußen nicht immer gefällt. Das schafft auch sehr viele frustrierende Momente.

Was würden Sie sich von der Politik wünschen?

Obwohl wir erfolgreich sind, haben wir oftmals nicht den Eindruck, dass wir von der Politik gesehen und wahrgenommen werden. Hier wäre etwas mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung schon schön. Da schielen wir manchmal neidisch nach Frankreich, wo eine öffentliche Wertschätzung für Entrepreneure viel üblicher ist. Allerdings hatten wir einmal den hessischen Wirtschaftsminister bei uns zu Gast im Büro – das war wirklich motivierend.

Es wäre aus unserer Sicht ebenfalls sinnvoll, wenn bei staatlichen Aufträgen deutsche Betriebe bevorzugt würden. Wir sehen leider auch in unserer Branche, dass dies nicht funktioniert. Wenn ein Bundesland die Klimawirkung eines Portfolios oder einer öffentlichen Immobilie bewerten will, greift es nicht unbedingt auf unsere Software, sondern auf die von ausländischen Konkurrenten zurück. Ihre Leistung kann mit unserer zwar nicht Schritt halten, aber sie sind als Dienstleister größer und bekannter.

Hätten Sie Ideen, was hier helfen könnte?

Ich könnte mir vorstellen, dass es an dieser Stelle hilfreich wäre, wenn es mehr Kooperationen zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups gäbe. Vielleicht könnte man größere Betriebe dazu bewegen oder Anreize schaffen, indem man beispielsweise Steuererleichterungen in Aussicht stellt. Wir hatten solche Kooperationen bereits – und die haben uns sehr dabei geholfen, unsere Software im Markt bekannter zu machen.

Was denken Sie, brauchen wir generell, um die Bahnen in eine grünere Wirtschaftsweise zu lenken?

Ich habe gar keine Idee, was man da aus staatlicher Sicht groß machen könnte – außer natürlich das Unterlassen der völlig irren Subventionen für fossile Brennstoffe, das ist ja klar. Man muss auch mal sagen, dass Teile der deutschen Wirtschaft es verpennt haben, sie um das Thema zu kümmern. Es wird zu viel gemeckert – auch in Bereichen, in denen meckern nicht angemessen ist.

Viele Probleme sind einfach hausgemacht. Es fehlen Daten, weil die Digitalisierung verschlafen wurde. Wenn es nun schwierig ist, an diese Daten zu kommen, ist das schlichtweg eine Konsequenz aus vorherigen Versäumnissen. Wenn man Themen wie Nachhaltigkeit nicht organisatorisch verankert hat, weil es einem vorher egal war, dann hat man sich verkalkuliert und muss die Konsequenzen dafür tragen.

Daher bin ich ein Fan der Nachhaltigkeitsberichterstattung und der CSRD, die Transparenz schaffen soll. Leider stehe ich damit auf einer Außenseiterposition, denn viele Betriebe finden diese Regulatorik nur mühevoll. Sie wird als etwas Schlechtes abgestempelt, was aus meiner Sicht vollkommen falsch ist.

Ist diese Regulatorik denn nicht vor allem mühevoll?

Ohne werben zu wollen – unsere Software erleichtert die Berichterstattung zu den wichtigsten Klimaaspekten für die Betriebe ungemein. Der Kostenpunkt liegt für KMU bei 5.000 bis 10.000 Euro im Jahr, was wirklich nicht viel ist. Gleichzeitig zeigt es auf, welche Maßnahmen effizient Emissionen reduzieren – und welche nun mal nicht. Und da müssen wir doch hin.

Natürlich möchte sich niemand seine Wirtschaftlichkeit durch dogmatische Reduktionspfade kaputtmachen lassen. Das verstehe ich voll und ganz. Daher befürworte ich auch den Ansatz eines 1,5 Grad-Emissionsbudgets. Das bedeutet: Mit jedem Euro Bruttoinlandsprodukt, den ein Betrieb erwirtschaftet, ist eine Einheit Emissionsbudget verbunden. Je mehr Anteil er am Bruttoinlandsprodukt hat, desto höher wird also das Emissionsbudget.

Dieses Budget kann man sich vorstellen wie ein Finanzbudget, dass ein Unternehmen einteilen und ausgeben kann, wie es in seine Pläne passt. Es kann zum Beispiel am Anfang mehr von meinem Budget ausgeben, weil die nötigen Investitionen für Reduktionsmaßnahmen gerade nicht drin sind. Dafür muss ich später umso mehr einsparen. Das gibt die nötige Flexibilität und unternehmerische Freiheiten.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Greenwashing: Ein Konzept zur Messung auf Unternehmensebene von Prof. Dr. Sebastian Utz, Universität Augsburg und Prof. Dr. Gregor Dorfleitner, Universität Regensburg

Das Neue Magische Viereck: Ökonomische Stabilität und ökologische Nachhaltigkeit von Dr. Tom Bauermann, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK)

Nachhaltigkeitsberichterstattung im Mittelstand: Wie isst man einen Elefanten? von Prof. Dr. Christina E. Bannier, Justus-Liebig-Universität Gießen



Kommentar verfassen