PUEVIT: „Wir müssen Kreislaufwirtschaft wirklich leben“

In unserer Interview-Reihe sprechen wir mit kleinen und mittleren Unternehmen über das Thema nachhaltige Innovationen – und darüber, welche staatlichen Rahmenbedingungen aus ihrer Perspektive gegeben sein müssen, damit die anstehende Nachhaltigkeitstransformation erfolgreich bewältigt werden kann.

Dieses Mal geht es um das Start-up PUEVIT aus Dresden. Gründer Gunnar Mühlstädt hat Anlagen entwickelt, in denen Mikroalgen wachsen. Aus ihnen wird zum Beispiel Energie, Kosmetik oder Eis.

Herr Mühlstädt, können Sie uns Ihr Produkt etwas näher erläutern?

Wir haben Anlagen entwickelt, in denen Mikroalgen wachsen. Ihre Versorgung erfolgt automatisiert. Das war unser großes Ziel. Denn ansonsten wären spezialisierte Fachleute nötig, um Algen in dieser Qualität zu kultivieren. Das wäre ein Hindernis für Unternehmen. Wir wollten den Algen-Anbau daher von einem hohen Fachkräftebedarf und individuellen Kompetenzen entkoppeln. Die hohe Automatisierung und Standardisierung macht die Produktion einfacher und somit auch den Einstieg in den Mikroalgen-Markt niederschwelliger.

Es gibt ja zig Algenarten. Um welche Mikroalgen geht es bei Ihnen?

Wir haben uns auf die Spirulina fokussiert, da sie als eine von wenigen überhaupt für den Lebensmittelsektor zugelassen ist. Bislang gibt es sie oftmals nur als Pulver oder Pille. Die Trocknung macht aber viele Vorteile der Mikroalgen kaputt. Wir wollten daher frische und hochreine Algen produzieren können, die wir unter unserer Hausmarke „ALGENWERK“ als Rohkost anbieten.

Algen sind im Übrigen Multitalente. Sie werden in den Bereichen Pharma, Nahrungsmittel, Kosmetik und in der Energieindustrie eingesetzt. Wir haben kürzlich zum Beispiel mit einem unserer Partner ein Algen-Eis entwickelt.

Kommt der Algen-Geschmack denn bei Verbraucher:innen an?

Tatsächlich schmeckt das Eis nicht nach Algen, sondern nach Schokolade, Erdbeere oder Haselnuss. Wir könnten nahezu jeden Geschmack erzeugen. Der Sinn ist vielmehr, dass wir Milch und Sahne durch Algen ersetzen. Die Konsistenz ist ebenso cremig, das Eis aber vegan. Und der Zuckergehalt ist um rund ein Drittel reduziert.

Ich möchte aber betonen, dass wir nicht behaupten, dass unser Eis gesund ist. Oftmals wird Spirulina ja als Superfood beworben. Dann schaut man auf die Zutatenliste der Produkte und sieht, dass gerade einmal 0,5 Prozent Mikroalgen darin enthalten sind. Das ist Nonsens. In unserem Eis sind 50 Prozent Spirulina. Trotzdem ist und bleibt Eis ein Genussmittel. Aber unser Algen-Eis ist zumindest gesünder als klassisches Milchspeiseeis. Den einzigen Kompromiss, den wir bislang machen mussten: Bis auf die Geschmacksrichtung Schoko sehen tatsächlich alle Sorten grün aus, auch wenn sie nicht so schmecken.

Wie müssen wir uns Ihre Anlagen genau vorstellen?

Die Algen wachsen in einer Art Rohrsystem. In diesen Rohren bilden wir ihr natürliches Habitat nach, also das Meer oder einen See. Die Algen bekommen darin alles, was sie brauchen. Sie werden künstlich beleuchtet und kriegen alle nötigen Nährstoffe. Durch die Kultivierung im Rohr brauchen wir weder Chemikalien noch Pestizide. So schaffen wir sozusagen ein Schlaraffenland für Algen. Sie wachsen daher sehr schnell und können bereits nach wenigen Tagen geerntet werden.

Das ist wesentlich effizienter als der klassische Anbau.  Und wir schaffen reproduzierbare Bedingungen: Am Ende des drei oder viertägigen Zyklus kommt immer das gleiche Produkt raus. Dadurch, dass wir beispielsweise unabhängig vom Wetter sind, sind die Qualität und die Zusammensetzung der Algen immer gleich. Das ist für die industrielle Weiterverarbeitung wichtig.

Ihre Art der Kultivierung klingt allerdings sehr energieintensiv.

Das ist sie. Aber es ist ja grundsätzlich keine Schande, Energie zu verbrauchen. Die Frage ist doch vielmehr, woher diese Energie kommt und ob sie klug eingesetzt wurde. Ein Beispiel: Unsere Algen müssen natürlich nicht 24 Stunden am Tag beleuchtet werden. Sie sind dunkle und helle Phasen gewohnt. Das wollen wir uns zunutze machen.

In einem KI-Projekt mit der TU Dresden versuchen wir, unseren Energieeinsatz zu optimieren. Die Idee ist, die Algen vor allem am Mittag zu beleuchten – nämlich dann, wenn ein Überschuss an regenerativen Energie vorhanden ist, der im Netz gar nicht verarbeitet werden kann. Diesen Überschuss nehmen wir dann ab. Zu den Zeitpunkten, an denen weniger Energie da ist, schalten wir unsere LEDs dann aus.

Wie kamen Sie auf die Idee für Ihr Unternehmen?

Das war schon ein bisschen Zufall. Ist habe Maschinenbau studiert und war viele Jahre im industriellen Anlagenbau und Rohrleitungsbau. Zufällig habe ich gesehen, dass man in Rohren Algen kultivieren kann. Allerdings habe ich nicht gleich verstanden, was das ist und warum man das macht. Ich dachte mir aber: Wenn es getan wird, muss es ja einen Sinn haben. So habe ich erfahren, welches riesige Potential Algen überhaupt haben. Das hat mich fasziniert.

2015 habe ich dann meinen Job gekündigt und habe mir weltweit verschiedenste Anlagen angesehen. Allerdings waren das eher gebastelte Lösungen – nichts, was man im Industriemaßstab nutzen konnte. Keine Maschinen, die mehrere Jahre unter fest definierten Bedingungen produzieren. Da dachte ich mir, das muss man ändern. Es  hat dann allerdings Jahre gedauert, bis wir zu einer industriereifen Anlage gekommen sind.

Sind Sie bei der Umsetzung Ihrer Pläne auf Hürden gestoßen?

Die Entwicklung von technischen Anlagen ist teuer. Es ist in Europa allerdings schwierig, Risikokapitalgeber zu finden. Da würde ich mir wünschen, dass die Politik Anreize setzt, um Risikokapitalgeber zu mehr Investments zu motivieren.

Ein anderes Problem ist, dass viele Anforderungen, die an Gründer gestellt werden, nicht realistisch sind. Wenn ich beispielsweise ein Darlehen beantrage, soll ich einen Businessplan mitliefern – samt Prognose für die nächsten drei oder fünf Jahre. Das kann ich natürlich machen, aber offen gesagt ist das doch das Papier nicht wert. Als Start-up kann man ja nicht einmal eine realistische Einschätzung dazu abgeben, ob man in fünf Jahren noch existiert.

Hinzu kommt, dass in solchen Systemen zu wenig Flexibilität ist – man als Start-up aber häufig flexibel reagieren muss. Man merkt zum Beispiel, dass der technologische Pfad, den man verfolgen wollte, nicht funktioniert. Und man einen anderen Weg gehen muss. Das kommt ganz häufig vor. Weil man Vieles auf dem Papier nicht abschätzen kann. Man muss eine Pilotanlage bauen und diese wirklich betreiben, um weiterzukommen und zu entwickeln.

Was, schätzen Sie, brauchen wir generell, um die Bahnen in eine nachhaltigere Wirtschaft zu lenken?

Wir müssen anfangen, eine Kreislaufwirtschaft wirklich zu leben. Im Lebensmittelbereich gibt es da zum Beispiel regulatorische Hürden. Viele Nährstoffe, die wir für unsere Mikroalgen nutzen könnten, fallen in anderen Produktionsprozessen als sogenannter Abfall an. Würden wir ihn nutzen, dürfen wir unsere Mikroalgen nicht mehr als Lebensmittel deklarieren. Das ist eine überholte Denkweise. Hier muss politisch noch viel passieren.

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